Somewhere over the Rainbow

Wenn Jack John­son am Strand neben dir Gitar­re spielt, Kel­ly Sla­ter im Son­nen­un­ter­gang surft und Mäd­chen in Bast­röck­chen eis­ge­kühl­te Kokos­nüs­se ver­tei­len – dann weißt du, dass du im Para­dies gelan­det bist. Die Luft schmeckt nach Salz und Papa­yas, dein Herz schlägt im Takt der Uku­le­le und nachts vibrie­ren die Fens­ter wenn die Wel­len bre­chen. Am Ende des Regen­bo­gens war­tet ein Topf mit Gold und ich habe ihn gefun­den.

1 „Alo­ha in Hono­lu­lu. Ab jetzt zählt hawai­i­an time – also schmei­ßen Sie ihre Uhren weg und geben Sie sich dem Insel­rhyth­mus hin.“ Nach die­ser Ansa­ge unse­res Pilo­ten kann ich es kaum erwar­ten, mei­nen ers­ten Blu­men­kranz ent­ge­gen zu neh­men und mit Hula-Hüft­schwung ins Meer zu tän­zeln. Lei­der hat das Gepäck­band den Insel­rhyth­mus kom­plett ver­in­ner­licht und so heißt es erst mal war­ten. Irgend­je­mand spielt Uku­le­le und nach einer hal­ben Stun­de schwin­gen alle Leu­te selig im Takt bis das Gepäck­band mit einem Urknall doch noch sei­ne Arbeit auf­nimmt. Als ich aus der Hal­le stol­pe­re, gibt es zwar kei­nen Blu­men­kranz dafür aber einen Regen­bo­gen, der mich has­tig nach mei­ner Kame­ra suchen lässt. “Hey girl, take it easy. Hawaii is the rain­bow over the paci­fic – you will see them ever­y­day.” Der net­te Uku­le­le­spie­ler mit dem knatsch­bun­ten Hemd soll­te recht behal­ten – kein Tag ohne Regen­bo­gen und dem pas­sen­den Lied dazu.

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Wai­ki­ki allein der Name macht mir fast ein feuch­tes Hös­chen. Ich schmei­ße mei­nen Back­pack in die Ecke, den Biki­ni über und stür­me zum Strand, den ich vor lau­ter Surf­bret­tern kaum sehen kann. Als ich mich drei Stun­den spä­ter aus dem Was­ser schlep­pe, bin ich so endor­phin­ge­flu­tet, dass ich mich tat­säch­lich zu einem Hul­a­kurs hin­rei­ßen las­se. „Find your inner Hula!“ schallt es über den Strand und ehe ich mich ver­se­he, suche ich mit Blu­men­kranz und Bast­röck­chen nach mei­nem inne­ren Schwung. Der Leh­rer ist ein Bär von einem Mann gepaart mit einem Huft­schwung, bei dem selbst Shaki­ra vor Neid erblas­sen wür­de. Nach zwei Stun­den mehr oder weni­ger geschmei­di­gen Bewe­gun­gen mei­ner­seits, schnap­pe ich auf allen Vie­ren keu­chend nach Luft. Zum Abschluss spielt die Band Elvis Pres­leys ´Rock-a-hula-Baby› und jetzt hat auch der letz­te Hüft­kran­ke sei­nen inne­ren Schwung gefun­den und ich wer­de die­sen Song die nächs­ten vier Wochen nicht mehr aus dem Kopf bekom­men.
♫ Rock-a-hula baby ♫ Got a hul­a­lu­lu from Hono­lu­lu ♫ That rock-a-hula baby of mine ♫

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Wo zur Höl­le sind die Ohro­pax? Ich lie­ge in einer wind­schie­fen Holz­hüt­te am Strand und bei jeder bre­chen­den Wel­le zit­tern die Fens­ter und die Glä­ser wan­dern im Schrank. Aber es ist nicht das Mee­res­rau­schen, das mich wach hält. Es sind Geräu­sche, die ich noch nie gehört habe und die Neu­gier treibt mich mit Taschen­lam­pe und Küchen­mes­ser bewaff­net in die Nacht hin­aus. Als ich die Schat­ten an der Wand sehe, kip­pe ich fast aus mei­nen Flip Flops. Ist das ein schmat­zen­der Dra­che? Nein natür­lich nicht – es sind gleich fünf schmat­zen­de Dra­chen, die man bei Tages­licht wohl als Geckos bezeich­nen wür­de, und die sich genüss­lich schlür­fend über eine Papa­ya her­ma­chen. Als ich das Gecko-Gathe­ring mit mei­ner Taschen­lam­pe aus­leuch­te, schau­en mich fünf Augen­paa­re völ­lig ent­rüs­tet an, um sich direkt wie­der kopf­über und schwanz­we­delnd in das aus­ge­fres­se­ne Loch zu stür­zen. Kei­ne Manie­ren die­se Dra­chen heut­zu­ta­ge.

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Wai­mea – der eigent­li­che Grund, war­um ich hier bin. Fern­ab der Hoch­häu­ser von Hono­lu­lu und dem wuse­li­gen Wai­ki­ki, pil­gert eine ein­ge­schwo­re­ne Sur­fer-Gemein­de Jahr für Jahr an die berühm­te North Shore von O´ahu – auf der Suche nach der per­fek­ten Wel­le.

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Die ers­ten Tage liegt das Meer wie eine fla­che Flun­der in den Buch­ten und der heiß ersehn­te Surf­wett­be­werb muss wegen „flat surf“ eini­ge Ruhe­ta­ge hin­neh­men. Ich nut­ze das fried­lich schlum­mern­de Gewäs­ser und schnorch­le die kom­plet­te Küs­te ent­lang auf der Suche nach den rie­si­gen Mee­res­schild­krö­ten. Lei­der haben die wohl auch gera­de Ruhe­tag und nach­dem ich den zehn­ten gro­ßen Stein vor­sich­tig anstup­se, gebe ich die­se Mis­si­on vor­erst auf.

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Und dann sind sie auf ein­mal da. Über Nacht haben die Fens­ter nicht nur vibriert, son­dern einen leich­ten Sprung bekom­men, als die ´giants waves› auf die North Shore tref­fen. Wie­der heißt es Ruhe­tag für den Surf­wett­be­werb, dies­mal wegen „high surf“. Eine Hand­voll erfah­re­ne Big Wave Sur­fer wagt sich den­noch in die weiß schäu­men­den Mons­ter und ich star­re ungläu­big auf die win­zi­gen Punk­te, die sich auf Zahn­sto­chern die Wol­ken­krat­zer hin­un­ter­stür­zen. Plötz­lich über­schla­gen sich die Ereig­nis­se und ein Sur­fer taucht nach einem Sturz nicht mehr auf. Alle hal­ten den Atem an, nur die Wel­len bre­chen erbar­mungs­los wei­ter. Es bricht mir das Herz, als ich einen Mann sehe, der sich in rasen­der Ver­zweif­lung in die Gischt stürzt, um nach sei­nem Sohn zu suchen. Nur mit Mühe kön­nen die Life­guards ein zwei­tes Opfer an die­sem schwar­zen Tag ver­hin­dern. Kein Lebens­zei­chen, kei­ne Lei­che, kei­ne Hoff­nung. Ein Meer aus bun­ten Blu­men­krän­zen und roten Wind­lich­tern ziert von nun an die Bucht.

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Im Son­nen­schein des nächs­ten Tages fun­kelt und glit­zert der Pazi­fik wie­der tür­kis­blau und es scheint, als könn­te ihn kein Wäs­ser­chen trü­ben. Ich brau­che ein paar Tage, bis ich mich unter den wachen Augen der Ret­tungs­schwim­mer wie­der unbe­küm­mert in die Flu­ten stür­zen kann. Zeit­wei­se füh­le ich mich wie auf der Kir­mes beim Auto­scoo­ter wenn die Ansa­gen der Life­guards durchs Mega­pho­ne dröh­nen. Es geht tat­säch­lich zu wie auf dem Rum­mel und alle zwei Minu­ten sind die gelb-roten Mus­kel­pa­ke­te im Ein­satz, um dem Meer sei­ne Beu­te zu ent­zie­hen.

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“The girl in the blue biki­ni (das bin ich) watch out for the turt­le! The­re is a big one on your left”
Was, wie, wo? Schild­krö­te, links von mir? Wel­ches links jetzt genau? Ich schaue hek­tisch in alle Rich­tun­gen aber außer mei­nen panisch zap­peln­den Füßen kann ich nichts ent­de­cken.
“Use the next wave to get out of this area. This can be real­ly dan­ge­rous!”
Das ist nicht wirk­lich das, was man hören möch­te, wenn man in Hawaii im offe­nen Meer her­um­planscht. Da hält man stun­den­lang Aus­schau nach grau­en Flos­sen, schnor­chelt die kom­plet­te Küs­te nach Schild­krö­ten ab und dann so was. Ich padd­le wie von Sin­nen los und bekom­me die nächs­te Wel­le tat­säch­lich so gut, dass sie mich wie eine Gali­ons­fi­gur bis zum Strand trägt, wo sie mich wie ein rot­zen­der Pirat ein­fach aus­spuckt.
Aber statt sanft im wei­ßen Sand zu lan­den, knal­le ich kopf­über auf besag­te Schild­krö­te, die wohl die glei­che Wel­le erwischt hat. Wäh­rend ich hus­tend und prus­tend im Sand lie­ge und mei­ne schmer­zen­de Stirn rei­be, robbt das Mons­ter­vieh see­len­ru­hig neben mir den Strand hoch und ich schwö­re, ein Grin­sen um den fal­ti­gen Mund zu sehen. Hawaii ist heu­te um eine exo­ti­sche Tier­art rei­cher gewor­den – ein deut­sches Ein­horn. Von jetzt an genie­ße ich die North Shore vom Strand aus und schaue den Pro­fis beim Surf­wett­be­werb zu – soviel steht mal fest.

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Der Mann mit der Gitar­re neben mir hat es echt drauf und schafft es, dass ich trotz eines ent­fes­selt sur­fen­den Sun­ny Gar­ci­as selig mei­ne Augen schlie­ße. Der Typ soll­te das pro­fes­sio­nell machen. „Hey Jack is this your new song?” Ich traue mich kaum, die Augen auf­zu­ma­chen – tat­säch­lich – da sitzt Jack John­son neben mir im Schnei­der­sitz und spielt Gitar­re. Wäh­rend ich so unbe­tei­ligt und unauf­ge­regt wie mög­lich ver­su­che, mei­ne Gesichts­zü­ge zu kon­trol­lie­ren, fällt mir wie­der mei­ne rie­si­ge Beu­le ein, die farb­tech­nisch mit dem Regen­bo­gen um die Wet­te strahlt. Ich ang­le in aller Läs­sig­keit nach mei­nem Stroh­hut, kip­pe dabei fast hin­ten über, zup­fe mein Biki­ni­ober­teil in Form und ver­fol­ge den rest­li­chen Surf­wett­be­werb wie ein ver­lieb­ter Teen­ager unter einer brei­ten Hut­krem­pe und hin­ter ver­dun­kel­ten Son­nen­bril­len­glä­sern.

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Als sich die Sur­fle­gen­den Sun­ny Gar­cia, Kai­po Jaqui­as und Micha­el Ho am Ende des Tages auf der Büh­ne ver­sam­meln, set­zen die Trom­meln ein und der obli­ga­to­ri­sche Regen­bo­gen über­spannt male­risch die Bucht.
Maha­lo, Maha­lo (hawai­ia­nisch – Dan­ke) rufen die Zuschau­er über den Strand. Das Ther­mo­me­ter zeigt 32 Grad im Schat­ten und ich bekom­me eine Gän­se­haut, als hät­te mir jemand eine Tief­kühl­piz­za auf den Bauch gelegt.
Maha­lo Hawaii …

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May the­re always be warmth in your Hale
Fish in your net
and Alo­ha
in your Heart
(hawai­in bles­sing)

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RIP Kirk Pass­mo­re. 11. Febru­ar 1981 – 13. Novem­ber 2013

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Gülay Döner
    Gülay Döner

    Hey,
    ıch bin Gül­ay. Ich fin­de, Ihnen Blog ist sehr schön. Ich ler­ne Deutsch. Ihnen Blog hilft mir sehr. Sie inspi­rie­ren mich.
    In Hawaii zu sein, wird fas­zi­nie­rend sein. Wie fühlt es sich an, dem Regen­bo­gen nahe zu sein? Das Surf Tur­nier zu sehen hat sicher Spaß gemacht. Nach Hawaii zu gehen ist mein Traum. Ich hof­fe eine Tage kann ich gehen.

  2. Avatar von Nadira

    Hey Julia,

    super­schö­ner Rei­se­be­richt! Ich bin bereits vor gut einem Jahr beim Recher­chie­ren von mög­li­chen Rei­se­zie­len über ihn gestol­pert. Dei­ne Erleb­nis­se haben mich final bestärkt, Hawaii in unse­rer Rou­te mit ein­zu­pla­nen. Mei­nen Freund muss­te ich nicht lan­ge über­zeu­gen 😉 Nun sind wir tat­säch­lich gera­de auf Maui, begin­nen jeden Tag mit einem fet­ten Grin­sen und sur­fen uns die Bei­ne blau. Da ist mir noch­mal dein Bericht ein­ge­fal­len und ich habe ihn soeben ein zwei­tes Mal gele­sen, Maha­lo dafür!

    Schö­ne Fei­er­ta­ge

    Nadi­ra

    1. Avatar von Julia
      Julia

      Lie­be Nadi­ra
      Maha­lo für dei­ne lie­ben Wor­te. Hawaii spricht eben ein­fach für sich selbst, umso schö­ner wenn euch mein Text zusätz­lich noch ein wenig inspi­rie­ren konn­te. Gute Rei­se und gute Wel­len wei­ter­hin.
      Hang Loo­se

  3. Avatar von kati

    wie ich die hawai­i­an-time ver­mis­se. davon kann man in euro­pa nur träu­men. die­se ewi­ge gelas­sen­heit 😉

    1. Avatar von Julia Karich
      Julia Karich

      Ich ver­su­che sie immer im Her­zen zu tra­gen … und ein dahin gehauch­tes Alo­ha macht jeden Tag so viel schö­ner …

  4. Avatar von Katharina Brichetti

    Vie­len Dank für den tol­len Rei­se­be­richt. Ich pla­ne gera­de mei­nen nächs­ten Urlaub und ich glau­be das kommt in mei­ne enge­re Aus­wahl :-). Vie­le Grü­ße

  5. Avatar von Abwesenheitsnotiz

    Gran­dio­ser Bericht, wenn er auch nach­denk­lich stimmt.

    Trotz­dem freu­en wir uns sehr auf unse­rem Weg nach Süd­ame­ri­ka im Som­mer 2014 auch auf Hawaii Sta­ti­on machen zu kön­nen.

    http://www.abwesenheitsnotiz.net

  6. Avatar von Nina

    Freud und Leid, Regen­bo­gen und Blu­men­krän­ze so nah bei­ein­an­der… ein ein­drucks­vol­ler Bericht.

    1. Avatar von Julia Karich
      Julia Karich

      Vie­len Dank für die lie­ben Wor­te …

  7. Avatar von Alex

    Vie­len Dank für dei­nen schö­nen Bericht…

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