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Geschichten aus 1001 Umnachtung

Wer als Rei­sen­der spät abends am Flug­ha­fen von Mas­kat ankommt und über die ver­las­sene, breit­spu­rige Stadt­au­to­bahn ent­lang auf­wen­dig ver­schnör­kel­ter Later­nen Rich­tung Innen­stadt fährt, der stellt zunächst fest, dass der Oman dem öltrun­ke­nen Grö­ßen­wahn der benach­bar­ten Golf­emi­rate offen­bar eisern wider­stan­den hat. Die Kehr­seite die­ser Fest­stel­lung bedeu­tet jedoch, dass bei einer nächt­li­chen Fahrt durch Mas­kat nun wirk­lich kein erstaun­tes Rau­nen auf­kommt. Man kann hier eben nicht an einer him­mel­ho­hen Glit­zer­fas­sade nach oben schauen und sich fra­gen, warum genau es nötig war, an die­ser Stelle 300 Stock­werke auf­ein­an­der zu stapeln.

Das alleine wäre nicht allzu stö­rend, fände in der Haupt­stadt ein auf­ge­reg­ter, auf­ge­wühl­ter, schnel­ler All­tag statt. Mas­kat sieht aber aus, als sei es kom­plett verlassen.

Am Tag ist das Bild nicht anders: Es gibt, soweit man das als Rei­sen­der beob­ach­ten kann, eigent­lich kein öffent­li­ches Leben. Die Stra­ßen zwi­schen den kli­nisch wei­ßen Wohn­häu­sern sind weit­ge­hend men­schen­leer, die soge­nannte Alt­stadt ver­dient ihren Namen nicht, schließ­lich ließ der groß­mü­tige Sul­tan Qabus ibn Said die meis­ten his­to­ri­schen Gebäude abrei­ßen und errich­tete ein see­len­lo­ses Verwaltungsviertel.

Als der Mon­arch sei­nem Vater die Herr­schaft 1970 sanft aus den Hän­den nahm, war der Oman ein armes Land. Befeu­ert durch die Devi­sen­ein­nah­men aus dem Erd­öl­ge­schäft wurde der Staat inner­halb von 40 Jah­ren im Prin­zip über­haupt erst ein­mal auf­ge­baut und zeigt heute eine sou­ve­räne Moder­ni­tät auf der Höhe der Zeit.

Wäh­rend sie drü­ben im Nor­den – in Dubai, Doha und Abu Dhabi – völ­lig durch­dreht dem Tur­bo­ka­pi­ta­lis­mus frö­nen und der Jemen im Wes­ten mitt­ler­weile mehr Got­tes­krie­ger als Tou­ris­ten anlockt, däm­mert der Oman selbst­zu­frie­den vor sich hin. Sul­tan Qabus hat das Land in einen Wohl­stands­schlaf versetzt.

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Vor die­sem Hin­ter­grund ist es abso­lut nach­voll­zieh­bar, dass es im Oman auch kei­nen öffent­li­chen Nah­ver­kehr gibt, das Ben­zin ist lächer­lich güns­tig. Die Men­schen fah­ren mit dem Auto von Tür zu Tür und flüch­ten so schnell es geht vor der sen­gen­den Hitze in den Schat­ten. Alles ist kom­plett ruhig.

Was fehlt, ist die Rei­bung, die Debatte. Auch ver­misst man die jugend­li­chen Rum­trei­ber und auf­dring­li­chen Stra­ßen­händ­ler. Manch­mal sehen die Oma­nis so ruhig und zufrie­den aus, als husch­ten sie wie Sta­tis­ten durch eine große ori­en­ta­li­sche Tru­man Show.

Wer sich in der ansons­ten kom­plett unspek­ta­ku­lä­ren Haupt­stadt die Zeit ver­trei­ben möchte, kann der mit­täg­li­chen Glut­hitze in den Bogen­gän­gen der Gro­ßen Sul­tan-Qabus-Moschee ent­ge­hen. Die bei­den Auf­pas­ser vor dem Ein­gang wei­sen allzu frei­zü­gig geklei­dete Frauen aus dem Wes­ten höf­lich, aber mit Nach­druck dar­auf­hin, dass in ihrer nach­läs­si­gen Auf­füh­rung der Ein­lass lei­der nicht mög­lich sei.

Das Gebets­haus erscheint gemes­sen an sei­ner Größe dann wie­der ziem­lich men­schen­leer. Nur ver­ein­zelt betet ein Omani unter dem rekord­ver­däch­tig gro­ßen Swa­row­ski-Kris­tall­leuch­ter in der Männerge­bets­halle. Drau­ßen blen­det der Sandstein.

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Unweit west­lich von Mas­kat liegt Mut­rah, dort soll es im Gegen­satz zur Haupt­stadt tat­säch­lich ein biss­chen alt­ori­en­ta­li­sches Flair zu bestau­nen geben. Man kann zum Bei­spiel auf der über­schau­ba­ren cor­ni­che fla­nie­ren, die abends von Schein­wer­fern in Bon­bon­far­ben bestrahlt wird. Oder man besucht den alten Souq von Mutra, der angeb­lich der schönste im gan­zen Oman sein soll. Das behaup­ten die Rei­se­füh­rer unisono.

Der Rei­sende erkun­det also die Ver­kaufs­stände: Ange­bo­ten wer­den unter ande­rem Sil­ber­schmuck, Duft­höl­zer und Harze, Weih­rauch und dazu pas­sende Bren­ner aus Kera­mik, die tra­di­tio­nel­len khan­jars, Gewehre, Blech­do­sen, Gewürze, Süßig­kei­ten und Stoffe. Die Ver­käu­fer spre­chen den Besu­cher zwar unge­fragt an, sind aber auf kei­nen Fall auf­dring­lich – sie ver­kör­pern also unge­fähr das Gegen­teil des­sen, was man sich von einem ara­bi­schen Basar erhofft. Folgt man der Haupt­gasse Khor Bamba nach oben, erreicht man einen Platz, auf dem alte Män­ner im Schat­ten sit­zen. Sie tra­gen weiße disch­da­scha und ihr ammama, das zu einem Tur­ban gebun­dene Kopftuch.

Trotz des rela­tiv star­ken oma­ni­schen Rial ist auf dem Markt das ein oder andere Schnäpp­chen zu machen, sofern man sich denn für das nicht allzu abwechs­lungs­rei­che Waren­an­ge­bot begeis­tern kann und den zual­ler­erst genann­ten Preis unge­rührt um mehr als die Hälfte unterbietet.

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Der Oman, denkt man, ist eigent­lich ein klei­nes Para­dies. Die Gesund­heits­ver­sor­gung und der Schul­un­ter­richt sind kos­ten­los, Analpha­be­tis­mus gibt es genauso wenig wie Steu­ern, und Sul­tan Qabus schenkt jedem Omani zu sei­nem 24. Lebens­jahr ein Grund­stück. Alles ist sau­ber und modern in Mas­kat. Die Stadt ist natür­lich schreck­lich langweilig.

Es ist durch­aus gang­bar, in einem der kom­for­ta­blen Fünf-Sterne-Hotels jeden Mit­tag einen oder meh­rere Cock­tails zu kip­pen und sich bei einem gedan­ken­ver­lo­re­nen Blick in den blauen Him­mel an sei­nem eige­nen Wohl­stand zu erfreuen. Wer zum Bei­spiel im tra­di­ti­ons­rei­chen Crown Plaza das exzel­lente Mit­tags­büf­fet über­stan­den hat, dem erscheint jed­wede Akti­vi­tät unter der hei­ßen Wüs­ten­sonne als völ­lig ziel- und zwecklos.

So geht der Tag dahin im war­men Licht, in einem Strom nicht unan­ge­neh­mer Lang­weile. Doch wer in den Oman fliegt, um sich an den Hotel­pool einer Luxus­un­ter­kunft zu legen, der sollte es mit dem Rei­sen gleich blei­ben las­sen. Es muss natür­lich mehr passieren.

Hat der Rei­sende ein­mal bemerkt, dass er ein­ge­nickt ist, und erwacht er nun ver­wirrt aus sei­nem Schlaf, wäh­rend Mas­kat vor den Toren des Hotels immer noch kom­plett leer und unbe­wegt im Däm­mer­zu­stand ver­harrt, dann wird es Zeit auf­zu­bre­chen. Auf also, auf mit dem Gelän­de­wa­gen über ver­las­sene Stra­ßen, auf in die Berge und in die Wüste…

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Cate­go­riesOman
  1. Was für tolle Fotos.
    Wir flie­gen am 18. Novem­ber für drei Wochen in den Oman und am 09. Dezem­ber in den Tru­bel (Süd­ost­asien Thai­land und Myan­mar). Wir wer­den die Lan­ge­weile im Oman genie­ßen und war­ten schon auf die Fort­set­zung. Wolf­gang & Barbara

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  3. Ronald says:

    Genau so ist es… Hätte ich Zeit und Talent genug, Stim­mung und Ein­drü­cke aus die­ser Stadt zu beschrei­ben, hätte ich es auch so beschrie­ben. Sehr gut eingefangen.

  4. Manch­mal sind Rei­sende echt nicht zu ver­ste­hen. Da wird über zu volle Tou­ris­ten­ge­biete lamen­tiert, über auf­dring­li­che Händ­ler und über all­ge­mein vieeel zu viele Men­schen – und kaum ist man an einem Ort an dem das nicht so ist … wird lamen­tiert dass es zu ruhig und zu lang­wei­lig ist … :) 

    Geht mir aber auch nicht anders, es fehlt halt immer das was gerade nicht ver­füg­bar ist …

    Ger­hard

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