,

Eine Grenzwanderung: Unterwegs auf Militärtrucks und Datteln

Was bedeu­tet es eigent­lich, zum sei­nem eige­nen Selbst zurück keh­ren? Wenn man schon seit fast 2 Jah­ren wie­der da ist. Ber­lin im Früh­jahr 2014. Ich habe ein gan­zes Jahr und ein hal­bes Jahr gebraucht um mich von einer Rad­tour zu erho­len. Gera­de jetzt wird mir mehr und mehr bewusst, war­um ich los­ge­zo­gen bin. 

Los­ge­zo­gen bin ich mit einem ver­rück­ten Freund von mir. Sein Name: Tho­mas. Doch war­um?

Wenn es so etwas gibt wie zwi­schen­mensch­li­che Ener­gie, dann ist Rei­sen ver­gleich­bar mit der Stö­rung eines gere­gel­ten Kräf­te­ver­hält­nis in einem Magne­ten. Im Ide­al­fall wirft eine Rei­se mei­ne inne­ren Ener­gien kom­plett aus dem Rhyth­mus. Und macht aus posi­ti­ven Vor­zei­chen nega­ti­ve. Und umge­kehrt. Sie dreht ein per­sön­li­ches Uni­ver­sum um 180°. Wenn ich es zulas­se.

Meist tut sich nach dem Rei­sen die wun­der­ba­re Chan­ce auf, die eige­nen Ener­gien wie­der kom­plett neu zusam­men zu stel­len. Stück um Stück. Inter­ak­ti­on um Inter­ak­ti­on. Das Vor­zei­chen – oder + ist dabei eigent­lich irrele­vant. Da man meis­tens selbst ent­schei­det, wie die Aus­wir­kun­gen einer Hand­lung zu bewer­ten sind. Das bedeu­tet, aus ver­meint­lich schlech­ten Ereig­nis­sen kön­nen immer posi­ti­ve gemacht wer­den. Wenn Du es zulässt.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen12Dat­teln zur Zeit des Rama­dan 2012 außer­halb von Bam, Iran

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen11Pis­ta­zi­en­fel­der, Iran

Tho­mas inspi­riert mich 2012 dazu, mit ihm die inter­kon­ti­nen­ta­le Stre­cke von Ber­lin nach Indi­en mit dem Fahr­rad zurück­zu­le­gen. Damals stand ich kurz vor dem Abschluss mei­nes BA Stu­di­ums und einer Ent­schei­dung. Job oder nicht Job. Oder Mas­ter?
Es war damals die siche­re Vari­an­te für mich, vor­bei an wüten­den Hun­den durch Bul­ga­ri­en, durch den Iran und Paki­stan bis nach Indi­en zu radeln. Denn ich hat­te wirk­lich mehr Angst davor, in einem »Office« Mar­ke­ting­plä­ne zu schmie­den oder mich ent­schei­den zu müs­sen, mein Innen­le­ben in pro­fes­sio­nel­le For­men zu gie­ßen.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen03»bahut acha« (sehr gut). Balochi­stan im August

Zum dama­li­gen Zeit­punkt schrei­en mei­ne inne­ren Stim­men nach geis­ti­ger »Ent­rü­ckung«. Sie rufen: »Geh weg von hier, ganz weit von allem was Sinn macht und sys­te­ma­tisch in Theo­rien zusam­men gefasst wird.«

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen02Kurz vor Errei­chen von Quet­ta, Paki­stan

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen09Tho­mas vor Sand­dü­nen in West­iran kurz vor dem Ein­tritt in Paki­stan

Sand und bren­nend hei­ße Luft hül­len uns in Staub und ver­kür­zen die Atem­zy­klen. Wir neh­men uns vor dem Durch­que­ren der Gren­ze zu Paki­stan vor, 320 Kilo­me­ter von Bam bis Zahe­dan zu machen. In sport­li­chem Grö­ßen­wahn und einem nai­vem Geist. Unmög­lich. Die Wind­wand ent­ge­gen­kom­men­der Trucks ist heiß wie ein Fön in der Sau­na. Die Haa­re, Haut und Lun­gen sind ja schon völ­lig tro­cken. Dann pas­siert es das ers­te Mal, dass uns die 10 Liter Was­ser aus­ge­hen, die jeder Fah­rer seit dem Ein­tre­ten in die hei­ßen Gebie­te dabei hat. Nach 110 oder 120 Kilo­me­tern sind die Bat­te­rien leer. Vor einer ver­kom­me­nen Sand­fes­tung der Ira­ni­schen Armee machen wir halt, schla­fen eine Stun­de bis sich die Son­ne neigt und fra­gen im Fort nach Was­ser. Ein wenig gibt es. Aber nicht viel. Die Sol­da­ten sind aus­ge­hun­gert und wir­ken ver­trock­net. Hier lässt Iran sich den Staat nichts kos­ten.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen08West­iran, Irgend­wo

DCIM100GOPROGrenz­über­gang und Büro, Paki­stan

DCIM100GOPROQuet­ta, Balochi­stan

Am Ende kom­men wir heil durch die Grenz­re­gi­on zwi­schen Iran und Taf­ten, Paki­stan. Eini­ge zuvor ver­nom­me­ne Mythen aus dem Lon­ley Pla­net bestä­ti­gen sich. Die har­te Mie­nen der uns beglei­ten­den Mili­tär­ein­hei­ten, die drü­cken­de Stim­mung und das Zurück­ver­set­zen in ein längst ver­gan­ge­nes Jahr­hun­dert wer­den wahr­haf­tig als wir Paki­stans Boden end­lich betre­ten. Quet­ta als Sui­zid Kil­ler Stadt. Wir wer­den damals in einem Toyo­ta Gelän­de Fahr­zeug vom ira­ni­schen Zahe­dan zum Grenz­über­gang mit­ge­nom­men. Mit 150 Kilo­me­ter pro Stun­de über die Land­stra­ße. Auf offe­ner Lade­flä­che sit­zend. Ban­gend.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen07Vor der Grenz­über­schrei­tung Iran Paki­stan

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen05Fahr­rä­der auf der Lade­flä­che

Manch­mal, so den­ke ich muss man auch Din­ge erle­ben, die außer­halb des kal­ku­lier­ba­ren Raums lie­gen. Dass wir eine Nacht auf der Wie­se eines Gefäng­nis­la­gers schla­fen, dass wir auf der Bus­rei­se von Taf­tan mit ca. 1000 Litern Die­sel Ben­zin unter dem Hin­tern über die Land­stra­ße nach Quet­ta tuckern. Und der Mili­tär­po­li­zist, der neben uns sitzt, läs­sig eine Ziga­ret­te pafft. Auch das »muss« man erle­ben. Also, wir woll­ten es.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen04Paki­stan

Die­se Art des Rei­sens gibt mir vor allem eine Men­ge Raum, die eige­nen Affi­ni­täts­struk­tu­ren und Bedürf­nis­se zu reeva­lu­ie­ren und neu auf­zu­stel­len. Im Uni­ver­sum der Per­sön­lich­keits­fin­dung. Die­ses ist nicht sel­ten unend­lich.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen10Irgend­wo im Uni­ver­sum

Fazit

War­um? Die Fra­ge ist durch­aus berech­tigt. Es zog mich schon immer in die »Bad Boys« unter den Rei­se-Län­dern. Ein Zivil­dienst in Kolum­bi­en. Eine Fahr­rad­tour durch Paki­stan. Das kit­zel­te seit­her mei­ne Rei­se­lust her­vor, weil ich wis­sen möch­te, wel­che Struk­tur unter den sozia­len Umstän­den einer Regi­on schlum­mert. Als Nächs­tes also Ber­lin über Tibet nach Indi­en mit dem Motor­rad, in 40 Tagen?

Ich habe bis jetzt immer fest­ge­stellt, dass ein Land eben nur ein Land ist. Wo Men­schen leben. Die Din­ge tun. Wie essen und schla­fen.

Iran-Pakistan-Fahrrad-Reisedepeschen20Tho­mas mit den Kin­dern einer unser Gast­ge­ber im Iran

Ich hof­fe, dass die­ser Bericht die ver­brei­te­te Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on von den »gefähr­li­chen Län­dern« etwas wei­ter auf­he­ben kann. Oder sie auch bestä­tigt, wenn nötig. Er geht in jedem Fall dar­auf ein, war­um eine Rei­se etwas sehr per­sön­li­ches sein kann. Aber nicht weil sie kom­plett doku­men­tiert und über das Inter­net gestreut wird. Son­dern es ist letzt­lich die Zeit und die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rei­se, wel­che die Aus­wir­kun­gen auf die eige­ne Per­sön­lich­keit frei­le­gen.

Das ist mir erst 2 Jah­re nach der Tour klar gewor­den.

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Urs Egli

    Ich pla­ne für Herbst 2016 eine Fahr­rad­rei­se von Tehe­ran, durch Paki­stan nach Madu­rai im Süden von Indi­en. Fra­ge: Wo bist Du über die Gren­ze von Iran nach Paki­stan gekom­men und war das pro­blem­los?

  2. Avatar von farhan ali
    farhan ali

    hel­lo
    guten tag
    ich bin ali.aus paki­stan bin seher freu­de das sie war in pakistan.hbe eine fra­ge bit­te????
    lg ali

  3. Avatar von Anna
    Anna

    Im Gegen­satz zu den meis­ten ande­ren Rei­se­be­rich­ten hier ist die­ser völ­lig wirr geschrie­ben.

  4. […] steht schon bald der ver­mut­lich aben­teu­er­lichs­te Teil unse­rer Rei­se nach Indi­en auf dem Pro­gramm. Paki­stan. Wir wis­sen nicht, was uns dort erwar­ten wird. Sicher ist bereits, dass wir ein Visum haben. Das […]

  5. Avatar von Simy

    Fin­de das Ende dei­nes Fazits beson­ders schön, weil du auch voll­kom­men recht damit hast. Zur Wan­de­rung: Es ist echt mal was ande­res, als wenn ich hier in den Ber­gen wan­de­re.

  6. […] die geo­gra­phi­schen Gren­zen und die Bewusst­seins­gren­zen irgend­wie mit­ein­an­der ver­bun­den. Das hat Erik in einem Arti­kel auf Rei­se­de­pe­schen reflek­tiert reflek­tiert.  Aber auch auf mikro­sko­pi­sche­rer […]

  7. Avatar von Till

    Tol­ler Arti­kel! Berührt mich irgend­wie… Bin gespannt, was bei Euch »noch so kommt«. Und was ich 2 Jah­re nach mei­ner Tour den­ke 😉

    1. Avatar von Erik

      Haba ja in der Tat wird es eini­ges zu »pro­zes­sie­ren« geben 🙂 ich wün­sche dir vie­le wun­der­ba­re ein­drü­cke !

      Be safe
      Erik

  8. Avatar von Aylin

    Ein tol­ler Arti­kel! Vie­len Dank. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert