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Will ich auch wandern in finsterer Schlucht

Fishri­ver Canyon.

„Moro Moro!“ 1 schallt es ekel­haft gut­ge­launt in die Stille des frü­hen, wirk­lich sehr frü­hen Morgengrauens.

„Fuck“, 2 murmle ich. Mor­gen­grauen. Was für ein pas­sen­des Wort. Es ist tat­säch­lich grausam.

Der Reiß­ver­schluss des Zelts wird aufgerissen.

„Lek­ker!“,3 ruft Mani­low. „Lek­ker! Der Tag wird lek­ker!!!“ Mit einem brei­ten Grin­sen reicht er zwei Metall­tas­sen mit damp­fen­dem Kaf­fee hin­ein. Zim­mer­ser­vice in einem Fishri­ver Can­yon Camp.

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„Es ist so kalt“, stellt Mari­anna schlaf­trun­ken, doch uner­war­tet prä­zise fest. Eine Käl­te­welle beglei­tet die letz­ten Tage des nami­bi­schen Win­ters, etwas wei­ter nord­west­lich hat es heute Nacht geschneit. Ich mag das gar nicht. „Wir sind doch in Afrika! Hier ist es heiß, die Men­schen sind schwarz und es gibt Löwen. War das nicht so?“

Nein. War es nicht. Es hat zwei Grad, es ist win­dig und ich trug in der Nacht zwei Hosen und am Ober­kör­per drei Schich­ten plus Jacke – im Schlaf­sack. Plus Decke. Aber der Tag wird lekker.

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Maul­tiertrek­king nennt sich das, was wir hier machen. Drei Tage und vier Nächte lang. Wie Mari­anna leicht ent­täuscht fest­stel­len musste, bedeu­tet das nicht, das man auf Maul­tie­ren durch die Berg­land­schaft rei­tet. Lau­fen müs­sen wir selbst. Aber einen Vor­teil haben sie schon: Sie tra­gen das gesamte Gepäck. Ange­führt wer­den sie von Johan­nes, einem Nama aus der Region, und den Pfer­den Can­na­bis und Fury 4, denen die Maul­tiere gedul­dig fol­gen. Neben unse­rem gut­ge­laun­ten Füh­rer Mani­low, einem Bas­ter 5 aus Reho­both, ist der Koch Mat­thias der Dritte im Bunde der Beglei­ter. Seine Lei­den­schaft für Nah­rung zeigt sich auch in sei­nem Körperumfang.

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Der Fisch­fluss Can­yon ist die zweit­größte Schlucht der Welt. Bis zu 550 Meter ragen die Wände der 160 km lan­gen Schlucht teil­weise fast senk­recht in die Höhe. Und die gel­ben Zelte des zwei­ten Camps ste­hen genau dar­un­ter. Ich bin dank­bar, dass uns heute Nacht kein Fels auf den Kopf fiel. Und Mari­anna ist froh, dass sie den ers­ten Tag Wan­dern über­stan­den hat – denn täg­lich knapp fünf­zehn Kilo­me­ter mit einem fri­schen Kap­sel­riss im klei­nen Zeh zu bewäl­ti­gen, das ist nur bei­nahe ein Spaß.

Doch diese Tour des­we­gen aus­fal­len zu las­sen war keine Alter­na­tive. Denn die Land­schaft ist in ihrer kar­gen Stei­nig­keit über­ra­gend! Vom Fluss ist die­ses Jahr bis auf ein paar Pools nicht viel zu sehen – es fiel fast kein Regen, das Land ächzt unter der Trockenheit.

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Nach dem Früh­stück geht es über wenig Stock und viel Stein durch die ver­schie­de­nen Schluch­ten, mal einen Abhang hin­auf oder her­un­ter, oder über die rund­ge­schlif­fe­nen Steine im tro­cke­nen Fluss­bett. Manch­mal krei­schen uns vom Fels­hang ein paar Paviane an, oder eine Klipp­sprin­ger Anti­lope macht sich eilig von dan­nen. Doch an den Was­ser­stel­len sieht man die Spu­ren vie­ler ande­rer Tiere, auch ein Leo­pard geht hier auf Jagd.

Nach­mit­tags errei­chen wir die klei­nen Camps. Hier ste­hen bereits die Maul­tiere, die eine andere Route neh­men, und fut­tern Heu. Wir fut­tern lie­ber Bil­tong, beglei­tet von einem Gin Tonic. Mat­thias kocht derweil.

War lek­ker, der Tag. Hatte er ja gesagt.

1 /Moro moro/, afri­kaans. Begrü­ßungs­for­mel, ähn­lich „moin moin“. Uni­ver­sell anwend­bar. Wird von den meis­ten Men­schen in Nami­bia benutzt.
2 /fuck/, eng­lisch. Jubi­lie­ren, ähn­lich „Juch­ei­sassa“. Uni­ver­sell anwend­bar. Wird von den meis­ten Men­schen benutzt.
3 /lekker/, hol­län­disch, afri­kaans. Bedeu­tung siehe (2), Adjektiv.
4 Hab den zwei­ten Namen ver­ges­sen. Can­na­bis stimmt aber.
5 Bas­ter, Misch­lings­volk aus v.a. hol­län­di­schen Buren und Nama-Frauen, die sich vor allem um die Stadt Reho­both ange­sie­delt haben, etwas süd­lich der Haupt­stadt Wind­hoek. Ihre Kul­tur ist tra­di­tio­nell afri­kaans und evan­ge­lisch-luthe­risch geprägt.

 

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Vie­len Dank an Gond­wana Coll­ec­tion für die Ein­la­dung nach Namibia.

Cate­go­riesNami­bia
Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Hah ja… in Sep­tem­ber flie­gen wir auch nach Nami­bia, der Fishri­ver Can­yon wird auch mit dabei sein… ich bin schon so gespannt was uns erwar­tet :-) die Fan­ta­sie schlägt Pur­zel­bäume und alle fik­ti­ven Aben­teuer, diver­sen Rei­se­bü­chern ent­nom­men, wer­den vor dem inne­ren Auge leben­dig. Nami­bia – der weiße Tou­rist ist für dich bereit! ;-)

    1. Hi Jens,
      bei unse­rem Besuch war fast kein Was­ser im Fluss­lauf, das wenige hätte ich nicht ange­rührt, da es nur in ein paar Pfüt­zen stand. Das Gepäck samt Nah­rung wurde auf Maul­tie­ren getra­gen, die aber meist eine andere Route gingen.

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