Die Reise einpacken.

 

Es ist vor­bei. 

Abge­se­hen von einem tur­bu­len­ten Flug, einem furcht­ba­ren Job oder einem Biki­ni-Waxing (… und ich bin mir sicher, wir alle sind froh, wenn das vor­bei ist…), ist »es ist vor­bei« ein Satz, der mich trau­rig macht.

Es ist die Roman­ze, die ich been­den muss­te, weil sie ins Nichts führ­te.

Es ist mei­ne Lieb­lings-Serie, deren letz­te Fol­ge gelau­fen ist.

Es ist mei­ne Rei­se, die ein Ende nimmt. Mor­gen.

Und ich habe ein komi­sches Gefühl, wenn ich an mor­gen den­ke. Mor­gen bedeu­tet Ver­än­de­rung. Mor­gen bedeu­tet ein letz­tes Mal den Ruck­sack packen und dann dahin zurück gehen, wo ich her­kam. Mor­gen ist ein Gedan­ke, der mir Angst macht. Und ein Teil von mir wünscht sich, er könn­te ein­fach hier blei­ben, wo ich jetzt bin, in einem Bus von hier nach da. Für immer dazwi­schen, für immer unent­schie­den, für immer unver­ant­wort­lich. Wie ein unge­zo­ge­nes Kind Chips und Kek­se essen, Cola trin­ken, Tra­cy Chap­man hören und frem­de Lan­de beob­ach­ten wie sie vor­bei­zie­hen, wäh­rend die ech­te Welt Pau­se hat.

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»Wei­ne nicht, weil es vor­bei ist, son­dern läch­le, weil es schön war.«

So lau­tet der all­ge­mei­ne Rat­schlag. Dei­ne Rei­se ist vor­bei. Du musst zurück. Komm nach Hau­se und dann komm halt klar. Aber was, wenn ich nicht will? Was, wenn ich nicht will, dass es vor­bei ist? Was, wenn ich wei­ter gehen will? Wei­ter in Bewe­gung blei­ben will? Wei­ter ent­de­cken möch­te?

Ja, nee.… kann ich nicht.

So ein­fach ist das. Ich habe einen gebuch­ten Flug, ein schrump­fen­des Bank-Kon­to, ein Leben zu Hau­se… zu Hau­se! So eins habe ich auch! Ich habe eine Woh­nung gemie­tet, habe Freun­de und Fami­lie, Ver­ant­wor­tung und Ver­si­che­run­gen, Rech­nun­gen zu bezah­len und Ter­mi­ne ein­zu­hal­ten… Jepp. Der Spaß und die Frei­heit des Lebens unter­wegs sind bei­de pas­sé, sobald ich aus dem Flie­ger stei­ge. Es ist vor­bei. So habe ich mir das gedacht. Aber ich glau­be nicht, dass es stimmt. Nicht mehr. Ich glau­be, es ist mög­lich wei­ter­zu­ge­hen, wei­ter in Bewe­gung zu blei­ben, wei­ter zu ent­de­cken, wäh­rend ich mein Leben zu Hau­se lebe. Es ist mög­lich, die Rei­se mit nach Hau­se zu neh­men. Es muss. Ich muss einen Weg fin­den, die­ses Leben, das ich als Rei­sen­de füh­re zu neh­men, es ein­zu­pa­cken und mit nach Hau­se zu brin­gen.

oz87

Denn was ich unter­wegs gefun­den habe, ist ein­fach zu schön und mir zu wich­tig, um es jetzt wie­der los­zu­las­sen. Was ich gefun­den habe, ist eine Art zu leben, die mir zuträgt. Und ich mei­ne nicht das fau­le Leben am Strand, das mit Cock­tails in der Hän­ge­mat­te hän­gen und den Tag ver­schla­fen (… obwohl ich ger­ne schla­fe. Und viel.)

Nein, ich mei­ne ein ein­fa­ches Leben mit ein­fa­chen Freu­den. Die bes­ten Tage in den letz­ten acht Mona­ten waren die, die ich mit Stun­den ehr­li­cher Arbeit und drau­ßen ver­bracht habe, mit lan­gen Spa­zier­gän­gen und simp­len Gerich­ten, mit guten Men­schen und guter Musik, viel Zeit, um die Welt vor mir zu beob­ach­ten und in Wor­te zu ver­pa­cken.

Das ist es, was mir am meis­ten feh­len wird: Zeit.

Je län­ger ich von zu Hau­se weg bin, des­to mehr ver­ste­he ich, dass der ein­zi­ge Reich­tum, den ich je haben kann, nicht Geld ist, son­dern Zeit. Zeit ist die­ses merk­wür­di­ge Ding, das mir jemand gege­ben hat und jetzt liegt es ganz an mir, was ich damit mache und wie und wo ich es ver­schwen­de.

oz85

 

Unter­wegs. Dort möch­te ich sein. Und ich muss mich dar­an erin­nern, dass ich genau dort bin, immer. Selbst wenn ich nicht mehr rei­se, bin ich trotz­dem immer auf Rei­sen.

Das Glück , das ich in der Frem­de gefun­den habe, war nichts beson­de­res. Es war nicht Aben­teu­er, das mir am Bes­ten gefiel, nicht das Fremd­sein eines Ortes (… oder mein eige­nes), nicht die Ent­de­ckung des Unbe­kann­ten. Sicher, das ist alles Teil einer Rei­se. Aber ich begin­ne zu ver­ste­hen, dass das nicht die Grün­de waren, war­um ich los­zog.

Nö. Ich woll­te ein­fach mal wis­sen, wie es sich anfüh­len wür­de, frei zu sein. Wie sich ein Leben anfüh­len wür­de, das ich ganz frei nach Schnau­ze gestal­ten könn­te. Und ich weiß, wahr­schein­lich wird nie­mand sonst jemals ver­ste­hen, war­um ich ver­rückt danach bin, Nutel­la direkt aus dem Glas zu essen oder oder bis mit­tags zu schla­fen, obwohl drau­ßen ein wun­der­ba­rer Tag war­tet; vor dem Com­pu­ter sit­zen und die­sen einen Satz zur Per­fek­ti­on brin­gen, »Old Pine« von Ben Howard zum Mil­lio­nensten Mal hören, stun­den­lang unter einem Baum lie­gen und ein­fach nur den Gedan­ken lau­schen, eine alber­ne Bril­le tra­gen, obwohl mei­ne Seh­kraft voll­kom­men in Takt ist. Zu Haus blei­ben, wäh­rend alle ande­ren raus gehen zum Fei­ern. Kei­ner wird all das je ver­ste­hen. Aber das ist okay. Muss ja auch kei­ner. Kein ande­rer muss ver­ste­hen, war­um ich die Din­ge tue, die ich so tue. Aber es war wich­tig, dass ich selbst end­lich dahin­ter kom­me.

Und jetzt wird’s Zeit, erst mal wie­der dahin zurück zu keh­ren, wo ich her­ge­kom­men bin. Und es wird groß­ar­tig. Ja, ich bin mir sicher,jetzt beginnt der bes­te Trip mei­nes Lebens – er ist nur etwas näher dran an mei­nem eige­nen Bett, mei­ner Fami­lie und mei­nen Freun­den – mei­nem zu Hau­se. Und wann immer ich mich mal wie­der fremd füh­len mag, wer­de ich halt wie­der in der Men­ge ver­schwin­den, um neue und alte Ufer zu ent­de­cken.
Es ist nicht vor­bei. Es fängt gera­de erst an.

 

oz10

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Antworten

  1. Avatar von Silke
    Silke

    Du sprichst mir aus der Seele…vielen Dank dafür! Und du bist nicht allei­ne mit dei­nen Eigenarten…ich wür­de jeder­zeit mein Nutel­la­glas mit dir tei­len 🙂

    1. Avatar von Gesa

      Ich dan­ke dir, Sil­ke. Dar­auf einen Löf­fel Nutel­la. 🙂

  2. Avatar von Ronald
    Ronald

    Hi Gesa,

    beim Lesen Dei­nes wun­der­ba­ren Tex­tes hast Du mich 25 Jah­re zurück in mei­ne Stu­di­en- bzw. Rei­se­zeit ver­setzt.

    DANKE DAFÜR !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  3. Avatar von Stefan
    Stefan

    Das ist ein groß­ar­ti­ger Text. Ich mag es, wie du schreibst und wel­che Gedan­ken du dir machst. Regt zum Nach­den­ken an. Dan­ke und vie­le lie­be Grü­ße

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