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Die Durchquerung einer der größten Trockenwüsten der Erde mit dem Fahrrad – das klingt sehr abenteuerlich. In Wirklichkeit ist es aber vor allem eintönig. Da passt es, dass ich gerade im Buch eines Zen-Mönches gelesen habe, man solle vermeiden, sich immer nach dem Sinn seiner Tätigkeiten zu fragen um das Glück im Moment zu finden. Derart erleichtert von der Verantwortung für die Sinnhaftigkeit meines Tuns lebe ich befreit das einfache Wüstenleben:
Halb sieben, der nervige Weckton meines Handys reißt mich aus meinen Träumen. Während ich an den ersten Versuchen scheitere, meine Augen für einen signifikanten Zeitraum zu öffnen, höre ich bereits Norbert, 50-jähriger Frührentner aus Hannover und seit Kashgar mit mir unterwegs, im Zelt nebenan vergnügt Pfeifen. Mein verschlafener Widerwille gegen so viel morgendlichen Enthusiasmus verblasst schnell, als Norbert heißes Wasser für den Frühstückstee ans Zelt bringt.
Zelten in den Dünen
Nach Tee und Müsli krabble ich aus dem Zelt, dessen Boden vom Wind während der Nacht durch das Moskitonetz hindurch mit feinem Sand bedeckt wurde, bewundere die Schönheit der mich umgebenden Sanddünen und mache mich daran das Lager abzubauen, wobei ich beinahe mein Zelt an den heftigen Wind verliere. Erleichtert stelle ich fest, dass es sich um West- und damit Rückenwind handelt.
Wir fahren los. Der Himmel ist versteckt hinter einer grauen Wolke aus Staub. Sand wabert geisterhaft wie Schneeverwehungen vor uns über die perfekt geteerte Straße während wir vom Wind getrieben mit 30 km/h durch die kahle Landschaft brettern. An solchen Tagen ist der Sand schnell überall, knirscht zwischen den Zähnen, setzt sich zwischen die Härchen an Armen und Beinen fest und in den Klamotten sowieso.
Geisterhafte Sandverwehungen
Später lässt der Wind nach und wir fahren endlose Kilometer durch weites Schilfgrasland, das bis zum Horizont reicht. Und wenn wir am Horizont angekommen sind, reicht es wieder bis zum Horizont. Und immer so weiter.
Es bleibt viel Zeit zum Nachdenken und ich wünschte ich könnte nun davon berichten, wie die meditative Gleichmäßigkeit der Wüstenlandschaft tiefgründige philosophische Erkenntnisse in mir aufkommen lässt. Stattdessen drehen sich meine Gedanken meistens um höchst banale Dinge wie den Abstand zur nächsten Stadt in der ich die kalte Cola trinken werde nach der ich mich in der warmen, trockenen Luft quasi konstant sehne.
Durchs Schilfgrasland
Und dann ist da ja noch Norbert. Er teilt meinen Heißhunger auf kühle Softdrinks. Und wenn gerade keine Pepsi zur Hand ist, erzählt mir Norbert aus seinem Leben, das er als Techniker in aller Welt verbracht hat, wobei es seine Aufgabe war, die Maschinen seiner Firma in Ländern wie Saudi-Arabien, Vietnam oder China aufzubauen. Nun ist er in Frührente und weiterhin voller Reiseträume, die ihn gegenwärtig mit dem Fahrrad nach Bangkok führen und in Zukunft möglicherweise mit dem Segelboot um die Welt.
In einem Oasendorf helfen uns Kinder, den Sand aus unserer Kleidung zu waschen
Oft radeln wir auch einfach schweigend nebeneinander durch die Stille der Wüste. Während sich das Grasland fast unmerklich in eine kahle Steinwüste verwandelt, packe ich meinen MP3-Player aus. Mit Musik geht alles besser und in den Wust banaler, unzusammenhängender Gedanken stiehlt sich die Erkenntnis, dass das Radeln in der Wüste sinnvoll ist – in all seiner Sinnlosigkeit. Gerade wegen seiner Einfachheit und weil ich mich auch am zehnten Tag in der Wüste noch darüber freue, mein Zelt unter freiem Himmel aufzuschlagen und eine weitere Nacht weit weg von Lärm und Hektik der Zivilisation in der Stille der Einöde zu verbringen.
Bis diese Stille am nächsten Morgen wieder vom nervigen Weckton meines Handys durchbrochen wird.
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Die Einleitung hat mich doch gar sehr verzückt! Das ist genau meine Meinung, die leider von so wenigen Menschen (in meinem Bekanntenkreis) geteilt wird. Vor 3 Jahren habe ich auf dem Weg zurück von China nach Hause allein die Gobi Wüste mit dem Rad durchquert und das Vipassana Retreat ein paar Wochen zuvor haben meine »Nicht-Gedanken« beflügelt.
Außerdem habe ich gerade (bei Wikipedia) gelesen, dass »Taklamakan« nicht, wie ich zuvor auch angenommen habe, »Wüste ohne Wiederkehr«, sondern »Land der Pappeln« bedeuten könnte. Die sollen im Tarim-Becken früher weit verbreitet gewesen sein. Die Durchquerung wäre dann wie ich finde nur halb so »un-spannend«. 😉Hi Chris,
ein Vipassana Retreat habe ich mir fuer nach der Reise vorgenommen. Fast ein bisschen schade, dass ich ihn hier in China nicht machen kann (wird nicht angeboten), denn es klingt sehr interessant ihn vor oder waehrend einer solchen Tour zu machen.
Pappeln sind auch heute noch weit verbreitet in der Taklamakan – zumindest in den vielen kleinen Flussoasen am Wuestenrand, wo sie dank dem Wasser aus den Bergen wachsen. Die Wuestentrecken zwischen den Oasen waren meist zwischen 100 und 200 Kilometern. Mir wars un-spannend genug 😉
Gruss, Sebastian
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