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Zuhause auf Zeit in der Stadt der Engel

Manch­mal muss man inne hal­ten. Der ste­ten kör­per­li­chen und geis­ti­gen Bewe­gung eine Pause gön­nen. In Bang­kok betra­ten wir das Neu­land Welt­reise. Und hier endet auch die erste Etappe. Aber nicht sofort.

Bang­kok ist keine Unbe­kannte für uns. Mehr­fach war die 8‑Mil­lio­nen-Stadt unser Asi­en­dreh­kreuz. Jedes Mal ver­brach­ten wir ein paar Tage in der „Stadt der Engel“ (dt. Bang­kok), immer genug Zeit, um ein paar Sehens­wür­dig­kei­ten zu sehen, aber nie genug, um sich Daheim zu füh­len. Bang­kok blieb ein Mys­te­rium: das Stra­ßen­netz hatte kein für mich nach­voll­zieh­ba­res Sys­tem, die Wahl des Trans­port­mit­tels for­derte mich jedes Mal aufs Neue her­aus und irgend­wie wirkte alles hek­tisch, laut und chao­tisch. Bang­kok: eine Stadt mit dut­zen­den Facet­ten, hun­der­ten Mikro­kos­men, tau­send­und­ei­ner Mög­lich­keit den Tag (und die Nacht) zu ver­brin­gen. Auch darum beschlie­ßen wir, in Bang­kok ein Zuhause auf Zeit zu suchen. Nicht im Back­pa­cker­ghetto, der Khao San Road, und auch nicht ent­lang der pul­sie­ren­den Ein­kaufs­meile, der Suk­hum­vit Road. Statt­des­sen fin­den wir in einem Appart­ment­kom­plex, ver­steckt in einer der unzäh­li­gen Sois, den wah­ren Wohn­or­ten Bang­koks, ein klei­nes, fei­nes Appar­te­ment, das wir rasch zu unse­rer Well­ness­oase erklären.

Verkehr in Bangkok

Die entlastende Wirkung von Routine

Denn es sind nicht nur die Reize Bang­koks, die uns fest­hal­ten, son­dern auch die Sehn­sucht nach Rou­tine. Ja, der schnö­den, oft in Deutsch­land von mir ver­teu­fel­ten, Rou­tine. Die banals­ten All­tags­tä­tig­kei­ten lösen in mir ein woh­li­ges Gefühl aus: ein­kau­fen, kochen, Wäsche waschen, die Woh­nung put­zen. Rou­tine heißt, einem Mus­ter zu fol­gen, sys­te­ma­tisch die glei­chen Arbeits­schritte aus­zu­füh­ren. Das heißt auch, den Kopf (fast) aus­schal­ten zu kön­nen. Nicht täg­lich ent­schei­den zu müs­sen, mit wel­cher Tätig­keit der Tag am Sinn­volls­ten aus­ge­füllt würde.

Ohne das dif­fuse Gefühl, etwas zu ver­pas­sen, zele­brie­ren wir den täg­li­chen Gang in den Tesco-Lotus Super­markt oder auf den rie­si­gen Khlong Toey Markt, erfreuen uns abends an Spa­ghetti mit Toma­ten­soße und mor­gens an Müsli. Wir decken uns mit, ja wirk­lich, 60 Fil­men und ein paar Serien ein, trin­ken täg­lich einen Kaf­fee bei unse­rer Lieb­lings­kaf­fee­frau und trai­nie­ren abends die Pfunde im haus­ei­ge­nen Fit­ness­stu­dio ab. Nachts, wenn Bang­koks leuch­tende Sky­line ver­hei­ßungs­voll lockt, schmie­den wir Pläne für die Zukunft, die Nahe und die Ferne. Wir neh­men uns Zeit, die ver­gan­ge­nen Monate noch ein­mal zu durch­le­ben, um ihnen die Wert­schät­zung ent­ge­gen zu brin­gen, die sie verdienen.

Skyline Bangkok bei Nacht

Nach und nach ent­wirrt sich das Stra­ßen- und Ver­kehrs­netz für mich, plötz­lich fühle ich mich nicht mehr, als liefe ich stän­dig gegen den Strom und stünde jeman­dem im Weg; ich fließe mit. Wir erkun­den Bang­kok zu Fuß, und jedes Mal, wenn ich schweiß­ge­ba­det auf­ge­ben möchte, ent­de­cke ich etwas, das mich fes­selt. Bang­kok ohne Zeit­druck zu erkun­den ist ein Geschenk, das wir uns sel­ber machen.

Jeder Tag ist Katzentag

Zumin­dest im Kat­zen­cafe. Im Stadt­teil Phaya Thai fol­gen wir einer Gasse, die gesäumt von Bars und Restau­rants auf einen rie­si­gen Wohn­kom­plex zuführt. Dazwi­schen lädt ein Kat­zen­cafe, das ich nur in Japan ver­mu­tete, zum Ver­wei­len ein. Zwi­schen dut­zen­den Kat­zen krab­beln und schnur­ren Teen­ager, schie­ßen Sel­fies mit ihrer Lieb­lings­mietze und rin­gen um die Auf­merk­sam­keit der unbe­ein­druck­ten Katzen.

Szenen aus dem Katzencafe

Ein goldener Berg

Ent­lang des Kanals Khlong Saen Saeb  lau­fen wir durch dut­zende Hin­ter­höfe, in denen das Leben lang­sam voran geht. Wäsche­lei­nen, Koch­töpfe und Blu­men­töpfe zie­ren den Weg ent­lang der letz­ten befah­re­nen Kanal­route. Der Kon­trast zu den wuse­li­gen Haupt­adern könnte kaum grö­ßer sein. Wir wol­len einen Berg bestei­gen, den ein­zi­gen, den es in Bang­kok gibt. Stufe um Stufe erklim­men wir den 79 m hohen Gol­den Mount, auf des­sen Gip­fel nur noch das Läu­ten von Gebets­glo­cken und die Man­tras eines Mönchs zu hören sind.

Leben am Kanal

Wie in einem Märchen aus 1001 Nacht

Oder bei­nahe so füh­len wir uns, als wir anläss­lich Ste­fans Geburts­tags in der Soi Arab Essen gehen. Män­ner in lan­gen, wei­ßen Gewän­dern zie­hen durch die Straße, der Duft von Tabak aus den Was­ser­pfei­fen­ca­fes liegt in der Luft.

Soi Arab

Wann war das letzte Mal, als Du etwas zum ersten Mal getan hast?

Diese Frage stelle ich mir immer mal wie­der, denn nichts geht über den Reiz des ers­ten Males hin­aus. Im Wat Mahat­hat wer­den täg­lich kos­ten­lose Medi­ta­ti­ons­ein­füh­run­gen gege­ben. Ich strebe nicht die Erleuch­tung an (falls sie dann doch kommt, sag ich nicht nein), son­dern möchte meine „mon­key mind“ bän­di­gen. Denn affen­ar­tig hüp­fen meine Gedan­ken von einem Ast zum Nächs­ten, und das kann manch­mal sehr anstren­gend sein. Eine rund­li­che Thai, die einen Tick zu schnell spricht, gibt uns vier Stun­den lang Anwei­sun­gen wie „rising-fal­ling“ oder „inten­ding to sit/ stay/ walk“. Die meiste Zeit bin ich damit beschäf­tigt, mich nur auf das Heben und Sen­ken mei­ner Bauch­de­cke zu kon­zen­trie­ren, und das fällt mir erstaun­lich schwer.

Amulettmarkt in Bangkok

Ich sage nicht Tschüss

Nach sechs Wochen in Bang­kok ken­nen wir noch immer nicht jeden Stadt­teil, aber ich fühle mich auch nicht mehr fremd. Als ich mei­nen Ruck­sack packe, fühlt es sich an, als ginge eine ganz neue Reise los. Ein Neu­an­fang. Mit mei­nen 12 Kg auf dem Rücken ver­ab­schiede ich mich min­des­tens eine halbe Stunde lang vom Team unse­res Zuhau­ses auf Zeit. Wir che­cken nicht aus, nein, es fühlt sich an wie ein Aus­zug. Bang­kok ist kein frem­der, anony­mer Ort mehr, son­dern ein Fleck­chen Hei­mat geworden.

Darum sage ich nicht Tschüss, son­dern: Auf Wie­der­se­hen & bis zum nächs­ten Mal, Bangkok!

Vie­len Dank an Joe & das  iSanook Team für die Unter­stüt­zung unse­res Lang­zeit­auf­ent­hal­tes und die herz­li­che Umsorgung.

Cate­go­riesThai­land
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

  1. Harry says:

    Klasse Arti­kel. ich war in den letz­ten Jah­ren ca. 15 mal in Thai­land und natür­lich auch des öfte­ren Bang­kok, aber es gibt immer was neues zu ent­de­cken. Das Kat­zen­cafe find ich recht wit­zig und wenn ich mei­ner Frau davon erzähle weiß ich wo es das nächste mal hingeht.
    Einen klei­nen Feh­ler habe ich jedoch in Ihrem Arti­kel gefun­den. Bang­kok heist über­setzt nicht Stadt der Engel, son­dern Dorf im Pflau­men­hain. Nur der offi­zi­elle Name der Stadt (Krung Thep) bedu­tet soviel wie Stadt der Engel.

    Grüßle
    Harry

  2. Joe says:

    Ein sehr schö­ner Bei­trag. Beson­ders Dei­nem Satz „Bang­kok ohne Zeit­druck zu erkun­den ist ein Geschenk, …“ kann ich nur voll und ganz zustim­men. Statt 3‑Tage Star­dard­pro­gramm sich in Bang­kok trei­ben las­sen und sich ein­zu­las­sen ist perfekt.

  3. Hi ihr beiden!
    Habe mich sehr über die­sen Arti­kel gefreut – ich liebe die Rou­tine auf Rei­sen näm­lich beson­ders. Da wir unser Zuhause immer dabei haben, erle­ben wir sehr viel Rou­tine … ein­kau­fen, kochen, Was­ser besor­gen, Was­ser auf­be­rei­ten und vie­les mehr. Das erdet immer äußerst schön und schafft Raum für das Reflek­tie­ren und Verarbeiten.
    Danke dafür. Safe travels!

    1. Aylin says:

      Hey ihr Zwei! Ja, so ein Haus auf Rädern ist natür­lich ganz her­vor­ra­gend, um sich immer irgend­wie hei­misch füh­len zu kön­nen. Bang­kok hat bei uns einen beson­de­ren Platz im Rei­se­h­erz bekom­men. Schön, dass euch unser Arti­kel gefal­len hat :-)

      Gute Fahrt & Reise euch Bei­den, Aylin & Stefan

  4. Kris TheWolf via Facebook says:

    ich musste schmun­zeln beim lesen der dank­sa­gung, im isanook war ich beim letz­ten mal auch… schön ver­steckt, dass es kein taxi­fah­rer fin­det :))) tol­ler Bei­trag! Bang­kok <3

    1. Aylin says:

      Hey Kris! Ja, das ist dann die erste kleine Bang­kok-Her­aus­for­de­rung mit dem Taxi :) super, dass Dir unser Bericht gefällt! LG & wei­ter­hin gute Reise(n).
      Aylin & Stefan

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