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Als New­bie unter Repeatern

Pein­lich: Ich bin keine zehn Minu­ten auf dem Schiff und habe meine Chip­karte, die ich beim Check-In im Hafen Kiel erhal­ten habe, bereits ver­lo­ren. Im Lift – ich muss mir wohl irgendwo auf die­sem Luxus­li­ner, der sich eigent­lich „Wohl­fühls­chiff“ nennt, ein Dupli­kat holen – wird die Lage noch pre­kä­rer. Ich frage einen schi­cken Han­sea­ten, der neben mir im Auf­zug steht, älte­res Semes­ter, Ein­steck­tuch und so, wo denn die Rezep­tion sei, also in wel­chem Stock, ich hätte mei­nen Zim­mer­schlüs­sel ver­lo­ren. Er, aller­dings sehr freund­lich: „Das heißt nicht Stock, son­dern Deck. Das Zim­mer ist eine Kabine und Sie fra­gen an der Rezep­tion auf Deck 3 bitte nach einer neuen Bord­karte. Viel Spaß auf Ihrer ers­ten Kreuzfahrt!“

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Alles klar. Das sitzt. Von wegen Wohl­fühls­chiff! Ich bin über­for­dert. Die Größe und über­haupt. Inklu­sive Crew hat es auf die­sem Luxus­li­ner Platz für 3.500 Per­so­nen, par­don, das heißt ja Pas­sa­giere. Drei­tau­send­fünf­hun­dert Men­schen auf einem ein­zi­gen Pott?! In mei­nem Geburts­ort in Öster­reich – Mooo­ment, das muss ich goo­geln – leben aktu­ell, Stand Januar 2015, exakt 3.211 Per­so­nen. Das muss man sich ein­mal vor­stel­len: Mein gan­zes Hei­mat­dorf ver­sam­melt auf einem Damp­fer! Ganz neben­bei: Dass so ein Kahn über­haupt schwim­men kann und in der Regel sel­ten sinkt, fas­zi­niert mich immer wie­der. Ob ich mich auf die­ser schip­pern­den Klein­stadt in den kom­men­den vier Tagen zurecht­fin­den werde? Ich bezweifle es.

Wei­ter im Lift. Ein Pär­chen steigt zu. Die bei­den fach­sim­peln über das Schiff als wür­den sie es schon in- und aus­wen­dig ken­nen. Dabei kön­nen sie das gar nicht! Die Fahrt, die ich antrete, nennt sich Vor­pre­mie­ren­fahrt und ist eine Kreuz­fahrt, ein Art Pro­be­lauf, vor der eigent­li­chen Jung­fern­fahrt, also auch vor der Schiffs­taufe. Trotz­dem: Die ken­nen sich rich­tig aus. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis muss ich das Kind nun ein­mal bei sei­nem Namen nen­nen. Ich befinde mich in Kiel, wo „Mein Schiff 4“ kurz vor dem Aus­lau­fen (oder heißt das Able­gen??) im Hafen liegt. „Mein Schiff 4“ ist das neu­este Kreuz­fahrt­schiff von TUI Crui­ses. Die Vor­gän­ger­mo­delle in der Flotte hei­ßen schlicht „Mein Schiff 3“, „Mein Schiff 2“ und „Mein Schiff 1“.

Zurück im Auf­zug. Han­seat zu Pär­chen: „Waren Sie auch schon auf der Drei?“ Pär­chen: „Ja, wir sind Repea­ter. Von Eins bis Drei, wir haben alle durch. Und jetzt die Vier.“ Ich staune. 1+ 2 + 3 ergibt logi­scher Weise 4. Jetzt muss ich schmun­zeln. Lang­sam aber sicher gefällt mir die Vor­stel­lung, diese Reise anzu­tre­ten. Es war­ten ganz offen­sicht­lich über­ra­schend große Her­aus­for­de­run­gen auf mich, der ich als New­bie unter Repae­tern bin. Ich war über­haupt noch nie auf einem rich­ti­gen Kreuz­fahrt­schiff. 1, 2, 3 sind ohne mich in See gesto­chen. Ich steige ful­mi­nant bei 4 ein. In mei­nem Kopf ändert sich behut­sam der Blick­win­kel. Eine See­fahrt, die ist lus­tig? Lang­sam glaube ich das auch. Plötz­lich freue ich mich wie ein Kind auf die kom­men­den vier Tage. Kiel-Kopen­ha­gen-Göte­borg-Oslo-Ham­burg. „Mein Schiff 4 und ich“. Eine Art Selbst­ver­such. Mehr dazu in einem wei­te­ren Kapi­tel … Was ich heute und hier jedoch schon ver­ra­ten kann: Der Blick von Deck 10 (es hat ins­ge­samt 14) in Kiel spricht doch schon Bände, oder? Von oben herab auf die Welt und bald auch auf das Meer gucken. Herrlich!

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Meine Bord­karte erhalte ich umge­hend. In der Kabine sperre ich mich kurz ein. Aus dem Inter­net, noch bin ich ja in Kiel, ziehe ich mir noch schnell die wich­tigs­ten Begriffe: Heck, Bug, Steu­er­bord, Back­bord … und stu­diere erst­mal ein­ge­hend den Schiffs­plan … Ich muss zuge­ben: Mit dem Nau­ti­schen hatte ich es bis­her so rein gar nicht. Ich kenne kei­ner­lei Fach­be­griffe, bin auch kein Seg­ler, noch nicht ein­mal ein Rude­rer … Schlauch­boot auf der Alz, Floß­fahrt auf der Isar, ja. Und ein­mal war ich auf einem Hur­tig­ru­ten-Schiff mit 200 Pas­sa­gie­ren unter­wegs. Was aber rich­tige Kreuz­fahr­ten betrifft, bin ich die per­so­ni­fi­zierte Jung­fern­fahrt. Ande­rer­seits: Ob Han­seat oder Pär­chen wüss­ten, was eine Trieb­schnee­la­wine ist, eine Rot­punkt­be­ge­hung oder eine Biwakschachtel?

Jetzt muss ich aber los, See­not­übung um 17.15 Uhr.
Hilfe, wo ist mein mir zuge­ord­ne­ter Sam­mel­platz? Wie­der im Lift. Die­ses Mal zu einem Her­ren aus Ber­lin. „Kön­nen Sie mir bitte sagen, wo ich die Mus­ter­sta­tion F finde?“ Er: „Fol­gen Sie mir!“

Schon wie­der ein Repeater!

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Die Reise wurde von TUI Crui­ses unterstützt.

Cate­go­riesWelt
Johanna Stöckl

Kälte verträgt sie besser als Hitze.
Sie liebt den Winter, mag den Schnee und reist – zum Teil auch beruflich – viel.
Wenn sie sich zwischen einem Wochenende in den Bergen und ein paar Tagen am Strand entscheiden müsste, wäre ihre Wahl klar: Berge!
Johanna lebt und arbeitet in München, wo sie als Journalisten hauptsächlich über Outdoorsport schreibt.

    1. Johanna Stöckl says:

      Hey Ute,
      wie nett von dir :-)
      Die 4 Tage an Bord waren aber klasse. Wenn man sich erst­mal zurecht fin­det, ist es toll :-)
      #chall­enge #Bis­Bald?

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