Whale watching in Husavik, Iceland

Hal­lo. Lass mich dir eine Geschich­te von jemand erzäh­len, der fort lief um weg zu sein und dort war um anzu­kom­men.

Ges­tern kam er mit dem Auto über die Ber­ge hier­her. ›Hier‹, das ist wo die dicken brau­nen Segel­schif­fe im Hafen lie­gen und still davon berich­ten was sie gese­hen haben. Husa­vik. Ein klei­ner Küs­ten­ort im Nor­den, ein­ge­las­sen in die Fjor­de der Insel. Schlie­ße einen Moment die Augen und rie­che die schwe­re, sal­zi­ge Luft die vom Meer her kommt.

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Schon meh­re­re Tage war er hier unter­wegs, reis­te ent­lang der Küs­te. ›Hier‹, im wei­te­ren Sin­ne, ist Island. Erst seit kur­zem, war er auch rich­tig hier. ›Ange­kom­men‹ hat er das immer genannt, doch die­se Phra­se kann­te er nur von Ande­ren. Selbst war er noch nie­mals irgend­wo ange­kom­men. ›Da‹ – das ist Ber­lin und das ist Hei­mat – war er nicht mehr. Sein Kopf war woan­ders, die Gedan­ken frisch und unver­braucht. Wie klei­ne Farb­kleck­se auf einer rie­si­gen Lein­wand. Nicht so wie ›da‹, wo alles in klei­nen Grup­pen zusam­men liegt. Nicht ordent­lich viel­leicht, in jedem Fall aber stets geord­net.

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Lang­sam fuhr er von Nor­den her­ab in den klei­nen Ort der in die raue, stei­ni­ge Küs­te ein­ge­bet­tet liegt. Wie ist es wohl für Ste­fán, dem Park­wäch­ter bei dem er letz­te Nacht unter­kom­men durf­te, wenn er jeden Mor­gen mit sei­nem rie­si­gen Gelän­de­wa­gen über die Ber­ge fährt und nach dem Über­que­ren der klei­nen Kup­pe das Meer im Son­nen­schein glit­zern sieht. Wie die Son­ne von Osten aus die Schat­ten der Häu­ser in die raue See wirft und der Wind die Schif­fe im Hafen unru­hig wer­den lässt, wie Wild­pfer­de die in den Ber­gen gegen­über mit den Hufen schar­ren, gie­rig nach einem neu­en Tag.

Er fährt in den klei­nen Hafen, parkt, geht hin­ein und kauft eine Kar­te. Er fährt zum Hotel, die Kof­fer blei­ben im Auto, geht auf’s Zim­mer und legt sich schla­fen. Im Früh­stücks­raum sind noch eine Rei­se­grup­pe aus Ita­li­en und zwei Mäd­chen aus Frank­reich. Die Ita­lie­ne­rin­nen strei­ten sich wie Hyä­nen um den ver­blie­be­nen Auf­schnitt. Zurück auf’s Zim­mer.

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Es ist noch eine Stun­de bis ihn das Segel­schiff in die Bucht vor der Küs­te brin­gen wird und er liegt auf dem Bett wäh­rend er aus dem Fens­ter in den wol­ken­ver­han­ge­nen Him­mel sieht und an das Buch vom alten Mann und der See denkt. Er denkt an sei­nen Vater.

Bevor sie auf das Schiff gehen dür­fen, müs­sen alle Anzü­ge aus fes­tem, was­ser­ab­wei­sen­dem Stoff anzie­hen. Die sind ent­we­der viel zu groß oder viel zu klein. Sein Anzug spannt im Schritt. Tough luck.

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Lang­sam setzt sich das rie­si­ge Schiff in Bewe­gung, mit dem Wind hat das noch nichts zu tun. Bis sie aus der Bucht her­aus sind bol­lert das Trieb­werk unter den Plan­ken. Die Rei­se geht nach Nord-Osten, am Hori­zont zeich­net sich Mánárey­jar ab, eine klei­ne kreis­för­mi­ge Insel auf der die Papa­gei­tau­cher woh­nen. An Bord ist man ent­spannt, die Kame­ras sind noch ver­packt. In den dunk­len Wol­ken zeich­nen sich klei­ne schwar­ze Punk­te ab, wer ein gutes Objek­tiv hat kann Vögel erken­nen. Er schaut das fun­keln­de Meer an und denkt an Sie. Immer.

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Neben der Insel wer­den die Segel gesetzt, es geht wei­ter nach Osten, dann etwas run­ter nach Süden. In die­se Bucht kom­men sie ger­ne, hier füh­len sie sich wohl. Wenn sie da sind, sieht man Möwen. Alle sol­len gucken. Alle gucken. Nichts, nicht mal Möwen.

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Er hat nur die klei­ne Kame­ra dabei. Die, die im Han­dy ein­ge­baut ist. Die so schnell kei­ne Bat­te­rie mehr hat und die heu­te unbe­dingt lang genug aus­hal­ten muss. Unbe­dingt!

Er steht vor einer dun­kel Tür­ki­sen Wüs­te aus sanf­ten Wel­len die in einer weit ent­fern­ten Hori­zon­ta­len in Braun-Grü­ne Ber­ge mit wei­ßen Schnee­spit­zen über­geht. Dicke blau-graue Wol­ken hän­gen über der Sze­ne­rie und las­sen gera­de aus­rei­chend Licht pas­sie­ren.

Ein klei­ner läng­li­cher, schwar­zer Fleck im Was­ser.

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Er hat­te von frü­he­ren Rei­sen gelernt und ver­such­te nicht mehr sei­ne Auf­re­gung zu ver­ber­gen. Wie ein klei­ner Jun­ge springt er von einer Sei­te des Schif­fes zur ande­ren, klet­tert in die Taue und ver­hakt sei­nen Arm in den Sei­len. Zu allem bereit und für alles gewapp­net.

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Es schnauft, laut, auf der ande­ren Sei­te des Schif­fes. Alle dre­hen sich um und sehen aus wie eine Grup­pe Hun­de­wel­pen die beim Blick zurück zum Herr­chen bemer­ken: Der Ball war dau­ernd hin­ter uns. Alle wech­seln die Sei­te. Es mutet sati­risch an und es wird nicht das letz­te Mal für heu­te blei­ben.

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Er schießt auf­ge­regt dut­zen­de Bil­der auf denen außer dem grün-blau­en Meer nichts zu sehen ist, in der Hoff­nung den rich­ti­gen Zeit­punkt, das per­fek­te Bild nicht zu ver­pas­sen. Sein Puls­schlag steigt, er ist rast­los und auf­ge­regt. Kurz dar­auf ist das Schiff auf einer Höhe mit dem gro­ßen Besu­cher und die klei­ne Rücken­flos­se durch­bricht ruhig und kräf­tig die Was­ser­ober­flä­che, gefolgt von der gro­ßen Schwanz­flos­se die sanft zurück in’s Was­ser glei­tet.

Er tritt einen Schritt zurück, lässt die ande­ren nach vor­ne und atmet durch. Das hat­te er vor­her kurz ver­ges­sen. Noch ein Schritt zurück bringt ihn auf die Abde­ckung des Maschi­nen­raums von wo aus er über die Köp­fe und Kame­ras der ande­ren hin­weg auf den Oze­an und die sich dar­in abzeich­nen­de Sil­hou­et­te des gro­ßen Beglei­ters hin­ab­schau­en kann. Die Insel in wei­ter fer­ne am Hori­zont, die Küs­te weit am Rand.

Lang­sam kommt er wie­der an, im ›hier‹. Das meint den Zeit­punkt und die Unauf­ge­räumt­heit im Kopf, die sich lang­sam wie­der ord­net. Hier ist es gera­de schön, denn hier beginnt sein Puls sich zu sen­ken und sei­ne Atmung wird ruhig. Hier ist, wo er das lau­te Pus­ten wahr­nimmt, die Wol­ke aus Was­ser­tröpf­chen in der Luft sieht und den dicken, wei­ßen Bauch. Hier ist es ruhig, sehr sehr ruhig.

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Husa­vik liegt ca. 500km von Reykja­vik ent­fernt und kann über die Ring­stra­ße inner­halb eines 2‑Tagesausfluges gut erreicht wer­den. Der Ort beher­bergt gut 2000 Islän­der. Neben der Wal­be­ob­ach­tung kann man das Walm­u­se­um besu­chen oder eine Reit­wan­de­rung unter­neh­men. Bei den Tie­ren auf den Bil­dern han­delt es sich um eine Grup­pe von Buckel­wa­len. Die Wal­be­ob­ach­tung in Husa­vik ist durch die Segel­schif­fe mit weni­ger Stress für die Tie­re ver­bun­den.

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Er ist immer noch nicht ange­kom­men.

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Antworten

  1. […] Tour war im Juni 2013 mit North Sai­ling in Húsa­vík. Ich habe dar­über auch eine Geschich­te bei Rei­se­de­pe­schen geschrie­ben. Bei die­ser Tour habe ich die meis­ten Wale gese­hen. Es waren sicher ein hal­bes Dut­zend […]

  2. […] und immer wie­der lese ich die­se Fra­gen in Foren: Ich möch­te Wale und Nord­lich­ter sehen, wann muss ich dafür nach Island […]

  3. […] Wha­le Wat­ching in Husa­vik ist einer der Akti­vi­tä­ten in Island die ich immer wie­der ger­ne und aus vol­ler Über­zeu­gung emp­feh­le. Im Juni 2013 habe ich mir dort die ruhi­gen Rie­sen ange­se­hen und gleich ein gan­zes Dut­zend Buckel­wa­le ange­trof­fen. […]

  4. Avatar von Sanny
    Sanny

    Hey Marc, erst vor weni­gen Tagen haben wir uns ent­schie­den mal etwas ande­res im Urlaub als Son­ne, Strand und Meer sehen zu wol­len und nach eini­gen Recher­chen sind wir auf Island gekom­men – nicht der typi­sche Som­mer­ur­laub, ein­fach mal etwas ande­res und sind sehr auf­ge­regt.

    Ich habe mir nun alle dei­ne Arti­kel durch­ge­le­sen und ent­de­cke immer wie­der neue Orte oder »Sehens­wür­dig­kei­ten« die auf mei­ne gemal­te Island-Rund­tour geschrie­ben wer­den.

    Dei­ne Bei­trä­ge haben unse­ren Wunsch nach einer Island­rei­se so sehr bestärkt und uns sehr gute Tipps gege­ben, wo wir über­all hin wol­len – natür­lich ist das Aus­schau­hal­ten nach Walen ein defi­ni­ti­ves Muss, wo in Ber­lin kann man das schon 🙂

    Ganz lie­be Grü­ße und vie­len herz­li­chen Dank für all die so anfi­xen­den Fotos.

  5. […] und immer wie­der lese ich die­se Fra­gen in Foren: Ich möch­te Wale und Nord­lich­ter sehen, wann muss ich dafür nach Island […]

  6. Avatar von Gerd

    Wun­der­schö­ne Bil­der, wisst Ihr zufäl­lig mit wel­cher Kame­ra die Bil­der gemacht wur­den?

    1. Avatar von Marc Herbrechter

      Hal­lo Gerd,

      dan­ke sehr!

      Die Bil­der habe ich alle mit einem Nexus 4 auf­ge­nom­men und ein wenig nach­be­ar­bei­tet (Kon­trast & Far­ben).

  7. Avatar von Michelle

    Also die Bil­der sind ja mal echt der Wahn­sin! Ein sehr guter Bei­trag 🙂

    1. Avatar von Marc Herbrechter

      Dan­ke Michel­le,

      die klei­ne Kame­ra hat ihr Bes­tes gege­ben!

  8. Avatar von Christina

    Ein wirk­lich schö­ner Arti­kel. Husa­vík ist auf jeden Fall eine Rei­se wert und es ist defi­ni­tiv ein unver­gess­li­ches Erleb­nis, einen Wal in der frei­en Wild­bahn zu sehen.

    http://www.icelandunlimited.is

    1. Avatar von Marc Herbrechter

      Dan­ke Chris­ti­na!

      Ja, ist es. Scha­de nur, dass man nicht mit in’s Was­ser hüp­fen kann! 🙂

  9. Avatar von Regina

    Schö­ne Geschich­te und wun­der­schö­ne Bil­der , husa­vik ist toll !!!!

    1. Avatar von Marc Herbrechter

      Dan­ke!

      Husa­vik war defi­nitv in den Top zwei der schöns­ten Ört­chen mei­ner Island­rei­se 🙂

  10. Avatar von Marc Herbrechter

    All non-Ger­man rea­ders can find a the eng­lish ver­si­on here:

    http://www.zebroc.de/iceland-husavik-whale-watching/

    Hope you enjoy it! 🙂

  11. […] Die Deut­sche Ver­si­on fin­det ihr bei den Rei­se­de­pe­schen… […]

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