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Weil zusammen schöner ist als allein

Eine Wandergeschichte über Freundschaft von Val & Kristin

Kris­tin: Ich hab vor ein paar Mona­ten in einem Pod­cast gehört, wie sich zwei Mädels dar­über unter­hiel­ten, dass sie ihr Leben lang die­sem Ideal hin­ter­her­ge­lau­fen sind, eine Freund­schaft zu haben wie in der Fern­seh­se­rie ‘Fri­ends’. Per­fekte Freunde, mit denen man alles teilt, die immer zusam­men­hal­ten. Mit dem erwach­sen wer­den hat­ten sie nun aber fest­ge­stellt und akzep­tiert, dass es diese Uto­pie nur im Film gibt. Dem reflex­ar­ti­gen Kopf­schüt­teln folgte eine Nach­richt samt Pod­cast Link an Val: “Das ist doch Quatsch, oder?”. Val und ich haben näm­lich genau so eine Freund­schaft. In den letz­ten 10 Jah­ren haben wir wirk­lich so wie bei ‘Fri­ends’ gelebt: zusam­men woh­nen wie eine Fami­lie, nach Hause kom­men und sich alles erzäh­len, was einem am Tag so pas­siert ist, zusam­men im Pyjama früh­stü­cken, für die Party kurz ein Kleid vom ande­ren lei­hen. Wir sind irgend­was zwi­schen beste Freun­din­nen und Schwes­tern gewor­den. Und man­che in unse­rem Umfeld haben uns fast wie ein Pär­chen behan­delt, ich hab Val als +1 auf eine Hoch­zeit beglei­tet, sie ist mit mir zum Fami­li­en­din­ner gekom­men, zwi­schen mei­nen Geschwis­tern mit ihren Partnern. 

Val: Als sich für mich ver­deut­lichte, dass ich mein Fern­weh nicht mehr nur im Urlaub stil­len, son­dern dau­er­haft ins Aus­land zie­hen wollte, wurde uns klar, dass sich für uns und unsere Freund­schaft eini­ges ändern würde. Nach­dem wir 10 Jahre zusam­men gewohnt haben, wür­den wir bald auf ver­schie­de­nen Kon­ti­nen­ten leben. Das ließ uns bewuss­ter über unsere Freund­schaft nach­den­ken, dar­über was Freund­schaft für uns bedeu­tet und warum die Freund­schaft zwi­schen uns anders ist als alle Freund­schaf­ten die wir vor­her hatten. 

Kris­tin: Wir mögen es beide in der Welt unter­wegs zu sein, das hat irgend­wie auch die letz­ten 10 Jahre gekenn­zeich­net. Work and Tra­vel in Aus­tra­lien, Aus­lands­se­mes­ter, mit dem Bus durch Neu­see­land oder kreuz und quer durch Zen­tral­ame­rika. Da fühlt es sich pas­send an zum Abschluss unse­rer gemein­sa­men Zeit in Ham­burg eine große Reise zusam­men zu machen. Etwas, das für uns beide neu ist. Und auch ein biss­chen eine Her­aus­for­de­rung. Wir ent­schei­den uns für eine lange Wan­de­rung im Himalaya. 

Val: Mich hat der Hima­laya schon immer fas­zi­niert, die gewal­tige Land­schaft, die har­sche Natur und die andere Lebens­weise der Men­schen. Und die Schwie­rig­kei­ten, die allein die Höhe mit sich bringt. Ich habe schon einige mehr­tä­gige Ruck­sack­tou­ren hin­ter mir und habe Erfah­rung darin sol­che Trips zu pla­nen. Aber in Nepal funk­tio­niert eini­ges anders. Ich ver­su­che so gut wie mög­lich zu recher­chie­ren, wo es unter­wegs Lebens­mit­tel und Trink­was­ser gibt, ob man zel­ten darf oder wie viele Schich­ten Klei­dung wir wegen der schwan­ken­den Früh­lings­tem­pe­ra­tu­ren ein­pa­cken sollten. 

Kris­tin: Für mich ist das Rei­sen zu Fuß eine neu ent­deckte Lei­den­schaft. Wäh­rend mei­ner Trips ins Aus­land habe ich mich bis­her gern mit Bus oder Zug fort­be­wegt, um viel rum­zu­kom­men und viel Neues zu ent­de­cken. Aber ich habe Lust auf die Ent­schleu­ni­gung, die das Wan­dern mit sich bringt. Und ich freue mich auf die Qua­lity Time nur zu zweit.

´Val: Wir pla­nen einen 28-tägi­gen Trek, der uns vom Fuße des Hima­la­yas bis tief ins Herz des Sag­ar­ma­tha Natio­nal­parks bringt – der Hei­mat des Mount Ever­est. Wir wol­len 3 Pässe über­que­ren, die jeweils höher als 5000 m sind, 3 Gip­fel von rund 5500 m bestei­gen und das Ever­est Base­camp besu­chen. Inspi­riert von Reise Blogs und Vlogs beschlie­ßen wir eine Kamera mit­zu­neh­men, um unsere Reise und unsere Gedan­ken zum Thema Freund­schaft fest­zu­hal­ten. Wir haben Lust uns mehr mit dem Thema zu beschäf­ti­gen und naiv wie wir sind, set­zen wir uns das wag­hal­sige Ziel unsere Reise am Ende in einem klei­nen inde­pen­dent Film zusam­men zu fassen.

Kris­tin: Wir flie­gen nach Katha­mandu, von dort aus geht es mit dem Jeep wei­ter. 8 Stun­den fah­ren wir auf aben­teu­er­li­chen Stra­ßen bis wir im 250 km ent­fern­ten Ört­chen Shi­va­laya (1770 m) ankom­men. Zel­ten ist im Ever­est Natio­nal­park ver­bo­ten, statt­des­sen über­nach­tet man in so genann­ten Tea Hou­ses. Die weni­gen Zim­mer sind ein­fach aber sau­ber, man bringt sei­nen eige­nen Schlaf­sack mit und die Toi­lette und den Was­ser­hahn teilt man mit allen ande­ren. Zum Früh­stück und Abend­essen gibt es tra­di­tio­nell Daal Bhat, einige Lodges haben sich aber bereits an west­li­che Rei­sende ange­passt und bie­ten auch Ome­lette und Oat­meal am Mor­gen. Daal Bhat scheint eine recht kom­plexe Kom­po­si­tion, typi­scher­weise bestehend aus Reis, Gemüse Curry, Lin­sen, ein­ge­leg­tem Gemüse und irgend­ei­ner Form von gedüns­te­tem, grü­nen Blatt­ge­müse. Da wir beide kein Fleisch essen freuen wir uns über die Viel­falt an vege­ta­ri­schen und vega­nen Varia­tio­nen. Jede Mahl­zeit wird von den Gast­ge­bern frisch zube­rei­tet und man fühlt sich, als ob man am Abend mit der Fami­lie im Wohn­zim­mer bei­sam­men sitzt.

Val: Bhandar (2190m), Sete (2500m), Jun­besi (2700m). Unsere Route führt uns durch dichte beein­dru­ckende Rho­do­den­dron Wäl­der und vor­bei an ein­fa­chen Bau­ern­hö­fen mit klei­nen Fel­dern. Weit weg vom nächs­ten Ort scheint man fast aut­ark und jeder hält einige Hüh­ner, Zie­gen oder Kühe. Wir müs­sen uns kör­per­lich sowie men­tal noch an die lan­gen Wan­der­tage gewöh­nen. Nunt­hala (2194m), Bupsa (2360m), Pha­ke­pani (2700m). Die Ruck­sä­cke sind schwer und der Weg eigent­lich immer steil. Auf und ab und wie­der auf und wie­der ab. Wenn es zu anstren­gend ist, ertap­pen wir uns dabei, wie wir pat­zig wer­den. Oder auf­hö­ren mit­ein­an­der zu spre­chen, um den ande­ren vor der eige­nen Laune zu schüt­zen. Kris­tins Theo­rie ist, dass sich unser Kopf immer dann auf etwas Nega­ti­ves kon­zen­triert, wenn der Kör­per an seine Gren­zen kommt. Viel­leicht ist es für den Kopf ‘ein­fa­cher’ sich mit irra­tio­na­lem Ärger über etwas Nich­ti­ges (“total bescheu­ert, dass wir heut Mor­gen zuerst zum Früh­stück gegan­gen sind und dann die Ruck­sä­cke gepackt haben, wären wir mei­nem Vor­schlag gefolgt wären, hät­ten wir schon längst…”) von der Rea­li­sa­tion der eige­nen Schwä­che abzulenken. 

Kris­tin: Das Rei­sen mit Kamera ist eine ganz neue Her­aus­for­de­rung. Nicht nur Fotos machen, son­dern Videos dre­hen, dabei gleich­zei­tig Erle­ben­der und Doku­men­tie­ren­der sein, das ist ein ganz schö­ner Spa­gat. Manch­mal ver­pas­sen wir einen wich­ti­gen Moment zu fil­men, weil wir als Sub­jekt eben in genau die­sen Moment leben, wir kön­nen keine Distanz zu uns selbst haben. Manch­mal las­sen wir die Kamera auch ganz bewusst im Ruck­sack und ent­schei­den uns für die spon­tane Schön­heit des Augen­blicks und gegen die gute Auf­nahme. Manch­mal ist es der Respekt vor den Ein­hei­mi­schen, zum Bei­spiel wenn ein Bud­dhis­ti­scher Mönch für eine Zere­mo­nie für unsere Gast­ge­ber zur Ein­wei­hung des neuen Hau­ses abhält. Und manch­mal sind es ganz ein­fa­che, äußere Umstände die limi­tie­ren –die Müdig­keit, mit der wir abends ins Bett fal­len oder die Unge­duld, wenn der Tag lang und der Magen leer ist. 

Val: Aber das Fil­men macht uns Spass und zum Glück wer­den wir auch bes­ser darin. Und schnel­ler. Wir per­fek­tio­nie­ren unser Aus- und wie­der Ein­pack-Sys­tem und fin­den nun zügig die rich­ti­gen Ein­stel­lun­gen. Und lang­sam sehen wir vor der Kamera auch nicht mehr so unbe­hol­fen aus, wir schaf­fen es immer bes­ser, die auf uns gerich­tete Linse zu ver­ges­sen wenn wir uns sel­ber fil­men. Abends, wenn wir die Auf­nah­men vom Tag von den SD Kar­ten auf die Fest­platte spie­len, schauen wir immer kurz durch die Fotos und Videos. Sind die Auf­nah­men etwas gewor­den? Wie ist die Belich­tung? Was macht der ND Fil­ter? Sehen wir schon wie­der aus wie zwei Kanin­chen vor der Schlange?

Kris­tin: Bei der Vor­be­rei­tung der Reise muss­ten wir fest­stel­len, dass Akku­lauf- und Lade­zeit ein Pro­blem sein wür­den. Die meis­ten der abge­le­ge­nen Teahou­ses hier ver­fü­gen über gar kei­nen Strom, einige wenige haben Solar­zel­len auf dem Dach, von denen aus der Strom in Auto­bat­te­rien gespei­chert wird.  Mit der Aus­sicht, nur jeden vier­ten oder fünf­ten Tag zuver­läs­si­gen Strom zu haben, muss­ten wir eini­ges an Akkus und Equip­ment mit­brin­gen, womit sich unser Plan vom leich­ten und unab­hän­gi­gen Rei­sen erle­digt hatte. Bei dem gro­ßen Ansturm auf große, auf­wän­dige Expe­di­tio­nen in den Hima­laya, ver­die­nen sich viele Nepali als Trä­ger oder Gui­des etwas dazu. Ein Berufs­zweig, der in die­sen abge­le­ge­nen Regio­nen viel Ansehn genießt. Auch wenn uns der Gedanke zunächst sehr befremd­lich ist, ent­schei­den wir uns, Hilfe für das Tra­gen des Fil­me­qui­q­ments anzu­neh­men und enga­gie­ren einen Trä­ger und einen Guide. 

Val: Zum Glück ver­ste­hen wir uns auf Anhieb gut mit Tek und Novin. Teks Eng­lisch ist aus­ge­spro­chen gut und wir ler­nen von ihm viel über das Land und seine Tra­di­tio­nen. Die bei­den sind bald gelang­weilt von unse­ren vie­len Stopps, dem stän­di­gen Auf- und Abbauen der Kamera und unse­rem lang­sa­men Lauf­tempo beim Fil­men mit dem Gim­bel. Bes­ser an die Höhe gewohnt, gehen sie oft schnel­len Schrit­tes wei­ter bis in den nächs­ten Ort oder zur nächs­ten Abzwei­gung. Sie geben uns Raum das Kon­zept unse­res Films und der Reise umzu­set­zen. Zwei Freun­din­nen auf Wan­de­rung. Und die bei­den schei­nen dage­gen auch recht wenig ein­zu­wen­den zu haben, nach etli­chen Foto- und Film-Stopps tref­fen wir sie dann im Laufe des Tages irgendwo ent­lang des Weges, schnat­ternd und lachend, ver­tieft in Gesprä­che mit­ein­an­der und mit Ein­hei­mi­schen. Für die Tek und Novin schei­nen wir eine ange­nehme Abwechs­lung zu den gro­ßen Rei­se­grup­pen, mit denen sie nor­ma­ler­weise unter­wegs sind und sie nut­zen die Frei­zeit, um alte Kon­takte zu pfle­gen und neue zu knüpfen. 

Kris­tin: Nach einer Woche wan­dern in ruhi­gem Ein­klang nähern wir uns dem so genann­ten Ever­est High­way, der Haupt­route, die Lukla mit dem Mount Ever­est Base­camp ver­bin­det. Auf die­ser Stre­cke wan­dern nicht nur Berg­stei­ger und Yaks mit Ver­pfle­gung zum Base­camp, es ist auch die belieb­teste Trek­king­route Nepals, bei der Wan­de­rer direkt ins 2860m-hohe Lukla flie­gen und von dort aus in etwa 10 Tagen zum Base­camp und zurück laufen. 

Val: Es ist unge­wohnt in Pha­k­ding (2610m) plötz­lich von so vie­len Men­schen umge­ben zu sein, die zum Teil erst heute oder ges­tern von Kath­mandu ein­ge­flo­gen sind. Es liegt Auf­re­gung in der Luft und wäh­rend wir seit einer Woche weder uns, noch unsere spär­li­che Rei­se­gar­de­robe gewa­schen haben, sehen hier viele ganz frisch und sau­ber aus, mit nagel­neuen Ruck­sä­cken und blit­zen­den Wanderschuhen. 

Kris­tin: Mit dem Über­schrei­ten der Hil­lary Bridge füh­len wir uns ange­kom­men im Hoch­ge­birge. Wir sind nun im Sag­ar­ma­tha Natio­nal Park, der Hei­mat des Mount Ever­est. In Nam­che Bazaar (3440m) genie­ßen wir eine kurze Aus­zeit vom ziel­ge­rich­te­ten Wan­dern und schlen­dern gemüt­lich durch die schma­len Gas­sen. Nam­che ist das Han­dels­zen­trum des Natio­nal­parks und obwohl hier alles mit Yaks, Trä­gern oder per Heli hin­auf trans­por­tiert wird, fühlt man sich wie in einer rich­ti­gen klei­nen Stadt. Es gibt Wan­der­klei­dung und Aus­rüs­tung aller Art zu kau­fen und wir gön­nen uns einen ganz west­li­chen Espresso im Hima­la­yan Java Cof­fee. Der kleine Cof­fee­shop könnte ganz genauso in Ham­burg  ste­hen. So befremd­lich das auf uns hier oben zunächst wirkt (wir erfah­ren, dass die ita­lie­ni­sche Espresso Maschine in seine Ein­zel­teile zer­legt per Yak hier hoch getra­gen wurde), ist es auch schön etwas so ver­trau­tes so weit weg von Zuhause zu fin­den. Irgend­wie wir­ken Cof­fee­shops beim Rei­sen auf mich immer auch ein biss­chen ent­span­nend, für einen Moment ver­ges­sen wir, auf wel­chem Kon­ti­nent wir sind.

Val: Thame (3820m), Maru­lung (4210m), Lung­den (4370m). Seit Nam­che wan­dern wir auf dem Three Pas­ses Trek, der uns im Uhr­zei­ger­sinn in ca 15 Tagen wie­der zurück nach Nam­che füh­ren wird. Abseits der Base­camp Route wan­dern wir nun wie­der allein und die Ruhe kehrt zurück. Wir haben unse­ren Takt gefun­den, wan­dern im Ein­klang mit­ein­an­der und mit unse­rer Umge­bung. Unsere Ruck­sä­cke sind zu einem Teil unse­res Kör­pers gewor­den und unsere Schuhe tra­gen uns wie von selbst den Berg hin­auf. Wir haben nun seit über zwei Wochen nicht geduscht, weil es abends ein­fach zu kalt ist, um sich mit kal­tem Was­ser aus der Schüs­sel zu waschen. Aber das macht uns auch nicht wirk­lich etwas, wir schla­fen, essen und lau­fen neben­ein­an­der. Bestimmt haben unsere Kör­per längst ange­fan­gen gleich zu rie­chen und unsere Nasen kön­nen den Geruch des einen längst nicht mehr vom ande­ren unter­schei­den. Zumin­dest unsere Klei­dung konn­ten wir, wenn es Zeit genug zum Trock­nen gab, per Hand mit kal­tem Was­ser waschen. 

Kris­tin: Vor die­ser Reise haben uns einige Bekannte oder Kol­le­gen gefragt, ob wir nicht Angst um unsere Freund­schaft haben – davor dass wir uns auf die Ner­ven gehen und es nicht aus­hal­ten über einen Monat lang 24 Stun­den am Tag zusam­men zu sein. Aber wir genie­ßen das Wan­dern zu zweit. Wir lau­fen in der glei­chen Har­mo­nie in der wir zu Hause zusam­men woh­nen. Wir haben noch nie viel gestrit­ten. Ganz am Anfang, frisch von Zuhause aus­ge­zo­gen und hin­ein in die erste gemein­same WG, da gab es schon mal unkon­struk­ti­ven Stress. Ich kann mich an eine Situa­tion erin­nern, ich weiß gar nicht mehr worum es ging, aber ich weiß noch, dass ich geheult und Türen geknallt habe, wäh­rend Val so getan hat, als ob es gar kei­nen Streit gäbe. Aber wir haben uns von Anfang an sehr respek­tiert und ein­an­der wert­ge­schätzt. Und waren beide an einer tie­fen Freund­schaft inter­es­siert. Wir woll­ten das so wie bei ‘Fri­ends’. 

Val: Im Laufe der Zeit haben wir gelernt, unser eige­nes Ver­hal­ten zu reflek­tie­ren und mit­ein­an­der zu reden. Aber es hat mit Sicher­heit auch gehol­fen zusam­men zu woh­nen. Wir konn­ten Kon­flik­ten nicht so ein­fach aus dem Weg gehen. Wir haben gelernt, uns die Zeit zu neh­men den ande­ren zu ver­ste­hen und andere Sicht­wei­sen als genauso berech­tigt zu akzep­tie­ren. Das klingt abge­grif­fen, aber das Anders­sein des Ande­ren nicht mit Falsch­sein gleich­zu­set­zen, son­dern Offen­heit bewusst zu leben, den Unter­schied als Inspi­ra­tion zu zele­brie­ren und die Chance zu sehen, etwas Neues zu ler­nen – das ist viel­leicht ist die Basis unse­rer Freundschaft. 

Kris­tin: Nach einem Rast­tag geht es auf den ers­ten Pass. Wir star­ten in Lung­den (4370m) vor Son­nen­auf­gang. Der höchste Punkt des Renjo La Pas­ses liegt auf 5360m und wir ver­su­chen dort gegen Mit­tag anzu­kom­men. Die Höhe strengt an. Nach unse­rem Ruhe­tag hat­ten wir uns fit gefühlt und an die Höhe, zumin­dest die in Lung­den, waren wir gut akkli­ma­ti­siert. Aber mit jedem Meter wei­ter nach oben atmen wir schnel­ler, die Beine sind schwer und wir kom­men nur schlep­pend voran. Trotz­dem sind wir guter Dinge und freuen uns auf die Aus­sicht und die ver­diente Pause. 

Val: Nach 6 Stun­den sind wir oben. Wie immer hat das Kamera Auf­bauen, Fil­men, Stre­cke dop­pelt Lau­fen und wie­der Ein­pa­cken dazu geführt, dass wir etwas län­ger gebraucht haben. Aber das ist in Ord­nung, wir genie­ßen den Moment und den beein­dru­cken­den Aus­blick hin­un­ter auf den Ort Gokyo, den tür­kis strah­len­den Gokyo Lake und den Mount Ever­est der so nah und gar nicht so viel höher als wir zu sein scheint. 

Kris­tin: Nach­dem wir den ers­ten Höhen­pass bezwun­gen haben, fällt eini­ges an Anspan­nung von mir ab. Ohne viel Wan­der­erfah­rung hatte ich mir schon Gedan­ken gemacht ob ich das so ein­fach schaf­fen wurde, ein Anstieg von über 1000m in 6 Stun­den und dann der Abstieg nach Gokyo der noch ein­mal ca 2 Stun­den dau­ern würde. Ins­ge­samt mehr als 8 Stun­den wan­dern und dann in Gokyo auf 4790m schla­fen. Aber ich ste­cke das Ganze im Moment sogar bes­ser weg als Val, die ziem­li­che Kopf­schmer­zen bekommt. Ich bin stolz und und freue mich, dass ich mir diese Reise zuge­traut habe. Und ich bin froh, die Freude und die Glücks­ge­fühle mit Val tei­len zu können.

Val: Wir blei­ben ein paar Tage in Gokyo. Die Höhe macht mir zu schaf­fen und es dau­ert etwas, bis meine Kopf­schmer­zen ganz abklin­gen. Auf Kris­tin wirkt sich die Hohe anders, aber eben­falls inten­siv aus. Sie hat Pro­bleme zu schla­fen und wacht jede Nacht mehr­fach nach Luft schnap­pend auf, das Gefühl nicht genug Luft zu bekom­men ist all­ge­gen­wär­tig. Am befremd­lichs­ten fin­den wir aller­dings unsere anhal­tende Appe­tit­lo­sig­keit. Nach 10-stün­di­gen Wan­der­ta­gen zwän­gen wir uns am Abend lust­los einen klei­nen Tel­ler Daal Baht rein. Wir müs­sen uns gegen­sei­tig daran erin­nern genug zu essen. Es ist, als ob die Höhe dem Kör­per das eige­nen Emp­fin­den dafür nimmt, was er gerade braucht. Als ob man in den Selbst­zer­stö­rungs­mo­dus gewech­selt hatte. Das ein­zige, wor­auf wir über­haupt noch Appe­tit haben, ist ein Sni­ckers zum Nach­tisch (und zum Früh­stück und zum Mit­tag und zwischendurch).

Kris­tin: Trin­ken geht da bes­ser, wir ach­ten dar­auf pro Tag min­des­tens 5 Liter Was­ser zu trin­ken, manch­mal eher 8. Und Gin­ger Tea, der hier als All­heil­mit­tel gehan­delt wird. So schön der Ort Gokyo auch ist, für uns ist der Auf­ent­halt von Anstren­gung gezeich­net und wir sind froh, als wir uns fit genug füh­len wei­ter­zu­zie­hen. Es geht wei­ter nach Drag­nag (4830m) und über den Cho La Pass (5420m) nach Dzon­gla. Die Land­schaft ist beein­dru­ckend, Berge mit male­risch ver­schnei­ten Gip­feln so weit das Auge reicht, beein­dru­ckende Glet­scher, deren Was­ser in kris­tall­klare Berg­seen fließt, strah­len­der Son­nen­schein und blauer Himmel. 

Val: Ich genieße die Reise, ver­misse nichts. Ich denke an mei­nen ers­ten gro­ßen Trip, ich war 19, das Ziel: Thai­land. Ich wollte unbe­dingt alleine los, ich glaube ich wollte mir bewei­sen, dass ich auf eige­nen Bei­nen ste­hen kann. Das hat auch gut geklappt, ich fühlte mich alleine sicher und das Rei­sen war span­nend. Aber ich hab dann irgend­wann den Punkt erreicht, an dem ich mir wünschte, die Freude und den Moment mit jeman­dem tei­len zu kön­nen. Ich hab zwar viele andere Rei­sende getrof­fen, aber der Spaß blieb oft so ober­fläch­lich wie die Unter­hal­tun­gen: woher kommt man, wohin geht man als nächs­tes, was hat man schon wo erlebt, was viel­leicht ver­passt. Ich hab mich dann sehr nach ech­ten, tie­fen Begeg­nun­gen gesehnt. Ich glaube im Nach­hin­ein, dass die­ses Erleb­nis unheim­lich prä­gend für mich war. Ich weiß, dass ich alleine gut zurecht komme aber ich weiß auch, wie schön es ist, Erleb­nisse zu teilen. 

Kris­tin: Ich glaube, dass es wich­tig ist zu ler­nen, mit sich selbst allein zu sein. Sein eige­nes Glück nicht von ande­ren abhän­gig zu machen. Wirk­lich für sich selbst und das eigene Leben ver­ant­wort­lich zu sein. Aber wenn man das ver­stan­den hat, wenn man vom ande­ren nichts ver­langt oder erwar­tet, dann schafft man Raum für Wachs­tum, für eine Syn­er­gie, bei der die Gemein­schaft wahr­lich mehr als die Summe ihrer Teile ist. 

Val: In Lobu­che (4910m) sto­ßen wir wie­der auf den Ever­est High­way, der uns nach Gorak Shep (5140m) führt, dem höchst­ge­le­ge­nen Ort im Natio­nal­park. Selbst Was­ser muss hier per Yak hoch­ge­tra­gen wer­den und das Land scheint jeg­li­chem Leben gegen­über feind­lich gesinnt. Es wach­sen nur noch kleine Grä­ser und Flech­ten, die Sonne ist grell und der Wind beißt. Uns beein­druckt diese Land­schaft, die so anders ist als alles, was wir auf unse­ren bis­he­ri­gen Rei­sen gese­hen haben. Ich bin froh, diese Erfah­rung tei­len zu kön­nen. Wir zele­brie­ren einen Moment der Besinn­lich­keit im Ever­est Base­camp (5364m) als leich­ter Schnee ein­setzt und wir etwas von der Ener­gie ver­spü­ren, die die vie­len gel­ben Zelte aus­strah­len. So viele Ziele und Träume, so viel Ener­gie, die in Pla­nung und Vor­be­rei­tung gesteckt wurde, die Ent­täu­schung wenn die eigene Gesund­heit oder das Wet­ter nicht mit­spielt. Berg­stei­gen in die­ser Höhe hat viele Varia­blen und nur wenige ste­hen unter mensch­li­chem Einfluss. 

Kris­tin: Vom Base­camp geht es wei­ter zum Kongma La Pass (5535m), dem letz­ten und höchs­ten Pass unse­rer Reise. Aber der Auf­stieg ist nicht beson­ders lang und wir sind nach 4 Wochen des Wan­derns selbst­si­cher und rou­ti­niert. Oben ange­kom­men fan­gen wir einen epi­schen Shot ein und wis­sen in die­sem Moment, dass dies die Ope­ning Szene für den Film sein wird. Wir spü­ren zum ers­ten Mal, dass aus der wag­hal­si­gen Idee vom Wan­der­film nun tat­säch­lich Rea­li­tät wer­den kann. Auf dem Pass ankom­men bedeu­tet auch, dass es von nun an nur noch bergab geht, zurück in Rich­tung Lukla. Alle Sor­gen lösen sich in Luft auf, alle Stra­pa­zen sind über­stan­den. Ab hier wer­den die Wan­der­tage leicht und kurz. Wir sind erleich­tert und stolz – aber auch jetzt schon ein wenig trau­rig, dass sich der Trip nun bald dem Ende nähert. 

Val: Auf dem Weg nach Lukla zie­hen die Orte an uns vor­bei, wir schwe­ben nur so den Berg hin­un­ter. Nach Wochen in dün­ner Höhen­luft füh­len wir uns feder­leicht und alle Ener­gie kehrt in unsere Kör­per zurück wie sie auch in unsere Umge­bung zurück­kehrt. Mit jedem Schritt wird die Land­schaft rei­cher an Farbe und Leben.

Kris­tin: Am Ende der Reise wis­sen wir nicht was Zukunft für uns bringt. Aber was wir sicher wis­sen ist, dass nur wir sel­ber für uns und unsere Leben ver­ant­wort­lich sind. Wir sind die Ein­zi­gen, die die Ver­ant­wor­tung dafür tra­gen, was aus unse­rer Freund­schaft wird und genauso, wie wir uns damals, mit Anfang zwan­zig für­ein­an­der und für eine Freund­schaft wie bei ‘Fri­ends’ ent­schie­den haben, kön­nen wir das jetzt wie­der tun. 

Val: Nicht weil wir jeman­den brau­chen, son­dern weil wir jeman­den möch­ten. Weil wir wis­sen, wie wert­voll echte, tiefe Bezie­hun­gen sind. Weil zusam­men schö­ner ist als allein. Und weil zusam­men mit Kris­tin sowieso am schöns­ten ist. 

Wenn ihr mehr über uns, unsere Reise oder unser klei­nes Film­pro­jekt erfah­ren möch­tet freuen wir uns, wenn ihr bei Insta­gram oder auf unse­rer Web­seite togetherfree.de vor­bei schaut. Es nimmt lang­sam Form an!

Cate­go­riesNepal
Valerie Menke & Kristin Hollmann

Eigentlich aus einem kleinen Dörflein im Wald in der Mitte Deutschlands, zog es Valerie zum Studieren in die große Stadt. Das Studium in Hamburg ließ sich wunderbar mit dem Reisen vereinbaren und so ziemlich jede Minute der vorlesungsfreien Zeit wurde in der Ferne verbracht. Nach der Promotion entschloss sich Val ihr Fernweh nicht mehr nur im Urlaub zu stillen und zog ins sonnige California.

Tief verwurzelt in Norddeutschland ist Kristin heute in der Welt Zuhause. Anfangs floh Sie nur dem Hamburger Winter, mittlerweile verbringt sie mehr Zeit unterwegs als in der Heimat. Das Thema Freiheit hat schon immer eine große Rolle in Ihrem Leben gespielt, ob im Studium als Thema der Masterarbeit oder beim Reisen ins unbekannte.

Gemeinsam arbeiten sie an Ideen und Kunstprojekten zu alternativen Lebenskonzepten: mit ihrem aktuellen Filmprojekt Together Free möchten sie zur Reflektion über Freundschaft, Freiheit und Commitment einladen.

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