Weihnachten auf Samoa

Für mich ist eine Rei­se immer wie ein Spie­gel. Er ver­rät mir zwar nicht, wer der Schöns­te im Lan­de ist, dafür aber immer wie­der aufs Neue wie gut es mir eigent­lich in Deutsch­land geht. Inter­net­zu­gang, Strom­ver­sor­gung, eine Dusche oder ein­fach nur flies­sen­des Was­ser sind in so vie­len Län­dern kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit. Das ist natür­lich nichts Neu­es. Wirk­lich bewusst ist es mir meis­tens lei­der nicht so rich­tig. Wird mir erst ein­mal etwas zum Stan­dard, dann ver­schwen­de ich dar­über oft kei­nen Gedan­ken mehr. Dann gibt es die­se Momen­te, in denen die­ser Stan­dard auf ein­mal aus dem Leben geris­sen wird. Ein Pro­blem mit dem Inter­net-Pro­vi­der, ein Was­ser­rohr­bruch oder ein Strom­aus­fall und ich ver­mis­se sol­che Annehm­lich­kei­ten ziem­lich schnell. So wie auf Rei­sen in fer­ne Län­der. Ein Spie­gel­bild der eige­nen Rea­li­tät.

Weihnachten, Familie und Geschenke

Weih­nach­ten ist da auch so eine Sache. Für mich war das immer eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Fami­li­en­tref­fen, Stan­dard­ge­schen­ke von der Ama­zon-Wunsch­lis­te, kit­schi­ge Weih­nachts­lie­der und all das Stan­dard-Pro­ze­de­re wer­den irgend­wann zum jähr­lich grüs­sen­den Mur­mel­tier als Jah­res­ab­schluss­pro­gramm. Man geniesst die paar Tage der Völ­le­rei. Danach geht’s zur Syl­ves­ter­par­ty und anschlies­send wie­der zurück zum All­tag. Das Fest ver­liert sei­ne Beson­der­heit. Man fei­ert zusam­men mit der eige­nen Fami­lie und besucht am nächs­ten Tag die sei­ner Frau. Dann am letz­ten Fei­er­tag wie­der zur eige­nen Fami­lie. Ein­fach aus der Gewohn­heit her­aus. Es wird zum Stan­dard. Mein Bewusst­sein schwin­det.

Die­ses Jahr habe ich das ers­te mal Weih­nach­ten abseits vom Mas­sen­tru­bel und der Fami­lie gefei­ert. Genau genom­men im war­men Süd­pa­zi­fik auf Samoa.

Christentum und polynesische Tradition

Die Samo­aner, ein sehr tra­di­tio­nel­les Volk, haben den christ­li­chen Glau­ben seit der Kolo­nia­li­sie­rung stark in ihre Bräu­che und Tra­di­tio­nen inte­griert. Die Drei­ei­nig­keit hat die alten Göt­ter abge­löst. Strik­te Hier­ar­chien sind geblie­ben. Anstatt Men­schen zu opfern, geht man heu­te auf Samoa lie­ber in die Kir­che. Weih­nach­ten ist dem­nach ein wich­ti­ges Fest für die Insu­la­ner. Vie­le Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen aus Neu­see­land, Aus­tra­li­en und dem Rest der Welt kom­men über die Fest­ta­ge zurück auf die Insel. Weih­nach­ten wird dann zusam­men in der Fami­lie zele­briert. Als west­li­cher Tou­rist ist man immer Teil des Gan­zen, nie nur Aus­sen­ste­hen­der. Die Gast­freund­schaft und Offen­heit der Samo­aner scheint kei­ne Gren­zen zu ken­nen, was nicht nur an den Weih­nachts­ta­gen liegt.

Am mor­gen der Fei­er­ta­ge wird zusam­men zur Kir­che gegan­gen, nach­mit­tags isst man an einem Tisch gemein­sam samoani­sches Essen und Abends fei­ert man Fia­fia Näch­te – die Näch­te des Glück­lich seins. Auch hier gibt es natür­lich auch Geschen­ke. Selbst für die Gäs­te – eine Fla­sche Wein oder ein Essen. Die Stim­mung ist, noch weit mehr als sowie­so schon auf dem gemüt­li­che Insel­staat, aus­ge­las­sen. Es ist schon fast wie zuhau­se an Weih­nach­ten.

Wäre da nicht die Exo­tik. Rote Weih­nachts­müt­zen mit weis­sen Bom­meln bei 30°C im Schat­ten, am weis­sen Sand­strand unter Pal­men. Dazu eine Art Weih­nachts­tan­nen­baum­fake wir­ken auf mich selt­sam bizarr. An die­sen unge­wöhn­li­chen Zustand gewöh­ne ich mich aller­dings schnell. Genau­so wie an das Essen. Das hei­mi­sche Fest­mal mit Trut­hahn und Kar­tof­fel­knö­del weicht auf Samoa Span­fer­kel, Tarowur­zeln in Kokos­nuss­milch und gebra­te­nen Brot­früch­ten. Es riecht stän­dig nach Gegrill­tem, denn wo bes­ser könn­te man auf Samoa fei­ern als in einer Fale am Strand? Man wünscht sich stän­dig fro­he Weih­nach­ten. Eine Fami­lie besteht dar­auf, dass ich ihr frisch gegrill­tes BBQ-Chi­cken pro­bie­re. Einen Augen­blick spä­ter habe ich ein hal­bes Hähn­chen in der Hand.

Ein »Nein Dan­ke« wird hier nicht akzep­tiert.

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Eines ist den­noch gleich: die Men­schen put­zen sich für die Fest­ta­ge beson­ders her­aus. Aller­dings ist, dem Wet­ter ent­spre­chend, etwas luf­ti­ge­re Klei­dung ange­sagt. Ein weis­ser dress aus Lavala­vas (Sarongs) und Hem­den sind für Ein­hei­mi­sche in der Kir­che ange­sagt. Die Män­ner tra­gen dazu noch schwar­ze Kra­wat­ten und Frau­en einen Sonn­tags­hut. Ein unge­wöhn­li­ches Bild, für die sonst so läs­si­gen Samo­aner.

Abends zur Fia­fia-Nacht tau­schen sie die­se dann durch bun­te­re und läs­si­ge­re Tex­ti­li­en. Die typi­schen Blüm­chen-Hem­den, wie man sie sonst aus der Kari­bik kennt, erset­zen dabei das weis­se Fest­hemd.

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Familie für ein paar Stunden

Zur abend­li­chen Fia­fia Nacht fal­len dann auch noch die Hem­den. Nur Män­ner ver­steht sich, alles ande­re wäre unsitt­lich. Beim tra­di­tio­nel­len Tanz fällt so das klat­schen auf den eige­nen, volu­mi­nö­sen Kör­per wesent­lich leich­ter. Alte Sper­re und sons­ti­ge Waf­fen wur­den in Feu­er­stä­be umfunk­tio­niert. Anstatt ande­ren damit die Köp­fe ein­zu­schla­gen, sind sie nun Teil der Tän­ze und das High­light der Fia­fia Nacht. Ist das Feu­er­spek­ta­kel erst mal been­det, wird in der Grup­pe wei­ter getanzt. Im moder­nen Stil – zu House und Dance. Natür­lich mit den Gäs­ten.

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Fast ver­ges­se ich, dass es Dezem­ber und Weih­nach­ten ist. Ich habe Spass. Der Abend zieht im Freu­den­tau­mel dahin. Nur eines Fehlt: die eige­ne Fami­lie.

Das erscheint zwar logisch, ist aber genau eine die­se Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, die mir erst dann schmerz­lich bewusst wer­den, wenn sie mir feh­len. Am nächs­ten mor­gen kommt die Kater­stim­mung. Nicht wegen des Bie­res – wegen dem was fehlt. Es ist wie ein Loch, dass nicht ein­fach so gefüllt wer­den kann. Eines die­ser Din­ge, die ich auf mei­ner Rei­se gelernt habe. Letzt­lich sind Freun­de und Fami­lie für ein paar Stun­den, wie man sie auf Rei­sen so oft trifft, nur sel­ten fürs Leben.

Zuhau­se will ich das wie­der ein­mal alles anders machen. Ich ste­cke mir Vor­sät­ze, nicht nur wegen des neu­en Jah­res, zumin­dest das kom­men­de Weih­nach­ten in Zukunft bewuss­ter zu erle­ben. Mit mei­ner rich­ti­gen Fami­lie.

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Antworten

  1. Avatar von Julia
    Julia

    Schö­ner Bericht und noch schö­ne­re Bil­der-wir waren damals 4 Tage am sel­ben Strand! Da kom­men gleich Erin­ne­run­gen hoch! 🙂 Ich hof­fe die Bana­na Pan­ca­kes sind immer noch so gut!? 😉

    1. Avatar von Patrick

      Dank dir Julia!
      Der Lalo­ma­nu Beach ist auch wun­der­schön – viel­leicht sogar der schöns­te auf ganz Samoa.
      Bana­na Pan­ca­kes gab es lei­der kei­ne (mehr) 🙁

  2. Avatar von Ela

    Ein wun­der­schö­ner Bericht, sehr span­nend! Als Kul­tur- und Sozi­al­an­thro­po­lo­gin bin ich immer begeis­tert, von Fes­ten in ande­ren Kul­tu­ren zu lesen. Ich hat­te vor zwei Jah­ren das Glück, Hari Raya auf einer klei­nen Insel bei Bor­neo mit den Ein­hei­mi­schen fei­ern zu dür­fen, das war auch sehr span­nend!
    Lie­be Grü­ße,
    Ela

    1. Avatar von Patrick

      Mit Ein­hei­mi­schen fei­ern ist doch immer ein High­light auf Rei­sen 🙂

  3. […] Gan­zen Arti­kel auf ‚Rei­se­de­pe­schen‘ lesen […]

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