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Warum ich auf Bali nicht beim Handleser war

Ketut lacht. Er wirft den Kopf in den Nacken, legt die rechte Hand mit den klo­bi­gen Rin­gen vor seine Augen. Mit der ande­ren hält er sich den Bauch. Ich stehe ihm an der Rezep­tion gegen­über und möchte mich in Luft auf­lö­sen. Denn Ketut lacht über mich.

„Kannst du einen Hand­le­ser emp­feh­len?“ Das war die Frage, die seine Schul­tern wild auf und ab hüp­fen lässt. Seit wir in der Bun­ga­low-Anlage in Ubud seine Gäste sind, hatte Ketut für jedes Pro­blem eine Lösung. Einen net­ten Fah­rer hat er uns beschafft (sei­nen Bru­der) und Tickets für die Über­fahrt zu den Gili-Inseln (viel güns­ti­ger). Selbst beim Aus­ku­rie­ren mei­ner Lebens­mit­tel­ver­gif­tung stand er mir mit Rat und Tat zur Seite („Schwar­zen Tee trin­ken und erst ein­mal nichts essen“).

Und nun das. „Glaubst du etwa an so einen Quatsch?“ fragt er, als er sich end­lich wie­der beru­higt hat. Nein. Ja. Weiß nicht. Ich spüre, wie ich rot werde. Die Idee ist jeden­falls nicht neu. Schon zu Hause habe ich mir in den Kopf gesetzt, mir auf Bali aus der Hand lesen zu las­sen und per E‑Mail zu einem Hand­le­ser namens Agus Kon­takt auf­ge­nom­men. „YOU CAN JUSH COME TO MY HOUSE ANYTIME YOU WANT, BUT EVERYDAY MANY PEOPLE COME TO ME FOR HAVE ANY SESSION, SO IF YOU JUSH COME,THEN I AM NOT VERY SURE IF YOU CAN MEET ME. OR YOU MUSH WAIT FOR LONG TIME“, hatte der mir geant­wor­tet. Ich wollte das Risiko, ihn zu ver­pas­sen, nicht ein­ge­hen. Und dachte, Ketut kennt bestimmt eine Alter­na­tive. „Wozu brauchst DU denn einen Hand­le­ser? Was erhoffst du dir davon?“ fragt er mich stattdessen.

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Tja, was eigentlich?

Ant­wor­ten. Ant­wor­ten auf Fra­gen, die mich lange schon beschäf­ti­gen. Warum habe ich so oft das Gefühl, ich gehöre dort nicht hin, wo ich bin? Wo ist mein Platz? Wann komme ich da an? Was muss ich dafür tun? Und ganz kon­kret: Soll ich einen Schnitt machen, alles zurück­las­sen, die Arbeit, die Stadt, die Freunde, die Fami­lie, und ins Aus­land gehen? Oder kehre ich von dort genau so rat- und ruhe­los zurück? Ich wollte Hilfe bei mei­ner Ent­schei­dung. Weni­ger zwei­feln, mehr ver­trauen. Dar­auf, dass am Ende alles gut wird. Frie­den schlie­ßen mit allem, was schief gegan­gen ist. Fer­tig wer­den mit allem, was weh­ge­tan hat. Spä­ter ein­mal sagen kön­nen: Das war alles ganz rich­tig so, es musste alles genau so sein, ein bali­ne­si­scher Hand­le­ser hat es mir prophezeit.

Sei ehrlich zu dir selbst

All das sage ich Ketut nicht. Ich druckse herum, dass ich es lus­tig fin­den würde. Dass ich neu­gie­rig sei. Und dann bekomme ich meine Ant­wor­ten. Nicht von Agus, dem Hand­le­ser, son­dern von Ketut, dem Rezep­tio­nis­ten. Der mich jetzt sehr ernst ansieht. „Finde her­aus, was dir fehlt in Dei­nem Leben. Frage es dich ganz genau, sei ehr­lich zu dir selbst dabei. Ganz egal, was es ist – Liebe, mehr Geld, ein ande­rer Job, Abwechs­lung, weni­ger Stress, was auch immer – krieg dei­nen Arsch hoch, arbeite an dir, tu all das, was not­wen­dig ist, um dein Ziel zu errei­chen. So ein­fach ist das. Kein Hand­le­ser kann dir dabei hel­fen. Da musst du ganz allein durch“, sagt er. Und grinst.

„Und gegen die Unruhe hilft Medi­ta­tion“, fügt er hinzu, bevor er sich umdreht und mich allein lässt mit mei­nen Gedan­ken. Noch am sel­ben Tag treffe ich eine Entscheidung.

Cate­go­riesIndo­ne­sien
Susanne Helmer

Journalistin aus Hamburg, die es immer wieder in die Welt hinauszieht. Gern auch für etwas länger. Am Ende jeder Reise stand bislang immer dasselbe Fazit: Kaum etwas im Leben euphorisiert und bereichert sie so sehr wie das Anderswosein. Und: Reisen verändert.

  1. Stefanie says:

    Hallo Susanne,

    ich fliege bald nach Bali. In wel­cher Anlage finde ich Ketut? Ich reise allein und würde mich freuen, wenn es da jemand gibt auf den man sich ver­las­sen kann. :-)

    Danke und liebe Grüsse,
    Stefanie

    1. Liebe Ste­fa­nie,
      Ent­schul­dige die späte Ant­wort. Das waren die Han Snel Bun­ga­lows in Ubud. Sehr schlicht, aber im tro­pi­schen Gar­ten gelegen.
      Liebe Grüße und eine tolle Zeit auf Bali!

  2. westwards says:

    Ich hab in Japan mal für jeman­den über­setzt bei einer Hand­le­se­rin; die Kun­din war ganz zufrie­den damit. Es war eine gute Kom­bi­na­tion aus Men­schen­kennt­nis, Lebens­weis­heit, Kopf-Hoch und Humor, so dass man’s auch ein­fach als inter­es­san­tes Erleb­nis neh­men konnte. 1000 Yen oder so, war erschwinglich.

  3. Norah says:

    Hi Susanne, sehr schön erzählt! Ketut klingt toll! Wir soll­ten alle mehr lachen – mit­ein­an­der, über­ein­an­der und vor allem über uns selbst :-) 

    Ich kann deine Beweg­gründe, einen Hand­le­ser auf­su­chen zu wol­len, gut ver­ste­hen. Es ist ein­fa­cher Ant­wor­ten bei Ande­ren zu suchen, anstatt sich inten­siv mit sich selbst aus­ein­an­der zu set­zen. Meist braucht man dazu etwas Start­hilfe, einen Aus­lö­ser. Eine ehr­li­che Mei­nung ist so wert­voll und kann im rich­ti­gen Zeit­punkt vie­les bewir­ken. Im ers­ten Moment fühle ich mich manch­mal etwas bedrängt, „auf die Füße getre­ten“, doch spä­ter erkenne ich, wie dank­bar ich dafür bin.

    PS: Gute Entscheidung ;-)

    1. Hallo Norah,
      vie­len Dank! Ja, der war in der Tat ziem­lich wit­zig. Selt­sa­mer­weise reizt es mich immer noch, mir mal aus der Hand lesen zu las­sen, aus rei­ner Neu­gier. Hat jemand hier das mal pro­biert und war viel­leicht, auf wel­che Art und Weise auch immer, überrascht?

      Ja, rich­tige Ent­schei­dung, auf alle Fälle. :)

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