Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Straßensperren und andere Katastrophen (8)

Es war ein sehr son­ni­ger Tag, als ich gera­de die perua­ni­sche Gren­ze über­quer­te und auf der leer­ge­feg­ten Stra­ße ins ers­te Dorf lief. Da war eine Grup­pe Taxi-Fah­rer, die mich ange­spro­chen hat­ten. Wo ich denn hin will? Ah, Puno, okay. No traf­fi­co – kein Ver­kehr. Fasel­ten irgend­was von sozia­len Pro­tes­ten und einer Blo­cka­de. Ich dach­te mir nur: „Jungs, euer Geschäft könnt ihr mit einem ande­ren Dep­pen machen, ich werd bestimmt kein Taxi neh­men. Und Blo­cka­de, pah. Tramp ich halt hin und lau­fe auf die ande­re Sei­te.“ Ich hielt das alles für Geschwätz und hat­te mich auf einen ent­spann­ten Tramp­tag in der Son­ne ein­ge­stellt. Waren ja nur 150km, was soll­te da schief gehen? Und dann ging der Wahn­sinn los.

Ich wuss­te nicht, dass die Regie­rung kurz zuvor den Not­stand http://www.aljazeera.com/news/2015/05/peru-state-emergency-mining-protests-150523064735256.html aus­ge­ru­fen hat­te. Ich wuss­te auch nicht, dass schon vier Men­schen, bei den Pro­tes­ten gegen den geplan­ten Bau einer Kup­fer­mi­ne, ums Leben gekom­men sind. Die Situa­ti­on war also ange­spannt, um es mal gelin­de aus­zu­drü­cken. Die Blo­cka­de von der alle gere­det hat­ten, war kei­ne ein­zel­ne Stra­ßen­sper­re, son­dern der gesam­te perua­ni­sche Süden war qua­si gesperrt. Für 48 Stun­den soll­te die Haupt­ver­kehrs­stra­ße aus Boli­vi­en kom­plett dicht sein. Das war genau mei­ne Rou­te. Ich hielt natür­lich an mei­ner Tak­tik fest, dass ich die Stra­ßen­sper­re mit Lau­fen über­win­de. Wur­den dann aller­dings ein paar mehr Stra­ßen­sper­ren und ein recht lan­ger Tag. Mit sehr viel Lau­fen.

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Tram­pen gestal­te­te sich äußerst schwie­rig. Irgend­wie arbei­te­te ich mich aber Schritt für Schritt durch das Cha­os. Die Men­schen an den Blo­cka­den waren meist sehr nett. Es war etwas Volk­fest­stim­mung. Mir wur­de essen ange­bo­ten. Alle waren immer sehr inter­es­siert, wie­so da die­ser Typ im gel­ben Anzug in die 100km ent­fern­te Stadt Puno läuft. Ich konn­te einer über­mo­ti­vier­ten Dorf­ge­mein­schaft beim Van­da­lis­mus zuschau­en, sah ver­schie­de­ne Metho­den den Ver­kehr zu blo­ckie­ren (meis­tens waren Glas­scher­ben und Spit­ze Gegen­stän­de invol­viert), ne Men­ge Motor­rad­lifts und hat­te rück­bli­ckend einen „Super Day“. Habs geschafft am Ende, war aber ne abso­lut ver­rück­te Tour.

Aber eigent­lich woll­te ich ja Tra­in­hop­pen gehen. Mein ers­ter Ver­such einen Güter­zug zu hop­pen ging gründ­lich schief. Im Nach­hin­ein nicht so schlimm, weil das wahr­schein­lich eine dum­me Idee gewe­sen war. Nicht die Idee ansich, Nachts auf einen fah­ren­den Güter­zug auf­zu­sprin­gen. Das ver­sprach Aben­teu­er. Aber dies im perua­ni­schen Hoch­land, mit­ten im kal­ten Herbst und mit Som­me­r­e­quip­ment zu tun, war eher sub­op­ti­mal. Und ich soll­te die­ses Aben­teu­er zu einem spä­te­ren Zeit­punkt mei­ner Rei­se sowie­so nach­ho­len.

Ich tramp­te wei­ter nach Cus­co. Ihr wisst schon, das tou­ris­ti­sche Eip­zen­trum von Süd­ame­ri­ka. Hei­mat der Blut­sauger und rei­chen Amis, die mal für ein Wochen­en­de run­ter­flie­gen. Da wo alle Men­schen lan­den, die Machu Pic­chu sehen woll­ten. Wahr­schein­lich hat jeder in der Stadt die alten Rui­nen besucht. Außer mir. Ich woll­te eigent­lich nur ent­span­nen und lecke­re Käse-Ei Sand­wi­ches vom ört­li­chen Markt essen, ein Bier im höchst gele­ge­nen Irish Pub der Welt trin­ken und mei­ne dre­cki­gen Sachen waschen. Ich muss­te mich aus­ru­hen, weil die letz­te Tram­pe­tap­pe von Süd­ame­ri­ka vor mir lag. Ein­mal durch Peru und Ecua­dor durch und rein nach Kolum­bi­en. Bogo­ta war mein nächs­tes Ziel.

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Die­se Tour hat­te es in sich. 4000 km Lang­stre­cke. Zum Genies­sen. Der Süden Perus lief ziem­lich gut. Das Nacht­tram­pen funk­tio­nier­te wie geplant. Dann kam irgend­wann Lima. So leben­dig wie ein Amei­sen­hau­fen auf einem Kada­ver. Sowas hab ich noch nie erlebt. Es war Cha­os in Per­fek­ti­on. Lima. Aggres­siv, non­kon­for­mis­tisch und illu­si­ons­los. Der Anarcho-Punk unter den Städ­ten Süd­ame­ri­kas.

In Peru und Boli­vi­en hat­te ich auch die bes­ten Tram­p­er­fah­run­gen. Und das mei­ne ich eher hin­sicht­lich all der komi­schen Sachen und dem son­der­ba­ren Leben, was ich dort beob­ach­ten durf­te. Außer­dem muss­te ich mir dort um Geld kei­ne Gedan­ken machen. Für 2,20€ gab es immer ein bil­li­ges Zim­mer in den loka­len Abstei­gen und für 1,50€ das pas­sen­de Essen dazu. Der Spaß war je zuen­de, als ich nach Nor­den kam. Und da mei­ne Rei­se noch lang ist und ich Details bes­ten­falls nur andeu­ten kann, wer­de ich den wei­te­ren Weg nach Pana­ma in den nächs­ten Absät­zen zusam­men­fas­sen, damit die­se Arti­kel­se­rie nicht zu sehr aus­ar­tet.

Ecua­dor war total lang­wei­lig und ich bin dort zügig durch getrampt. Dann kam ich nach Kolum­bi­en.  Kolum­bi­en ist zum tram­pen unge­fähr so gut geeig­net, wie ein Hund zum Posau­ne spie­len. Ich hat­te dort 17 Lifts auf die ich durch­schnitt­lich jeweils 48 Minu­ten gewar­tet habe. Aus die­sem Grund war ich auch ganz froh, mir in Bogo­ta ein Fahr­rad zu kau­fen, mit wel­chem ich die letz­ten 800 km zur Küs­te fah­ren woll­te.

Mein Ers­tes mal mit einem Fahr­rad rei­sen. Eine Erfah­rung die ich defi­ni­tiv nicht mis­sen möch­te. Wenn ich sowas noch­mal machen soll­te, dann nur ent­lang der Donau und defi­ni­tiv nicht über die bei­den Haupt­ge­birgs­käm­me von Kolum­bi­en, auf einem Fahr­rad das alle 50 km mit Ein­zel­tei­len um sich wirft, als wären es Bonus­punk­te an der Super­markt­kas­se. Hin­zu kam auch noch, dass ich ein­fach kei­nen Modus des ent­spann­ten Bewe­gens fin­den kann. Wenn ich auf ein Ziel zusteue­re, dann immer in vol­lem Tem­po.

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Das Fahr­rad war mei­ne letz­te Hoff­nung, dass ich viel­leicht doch irgend­wo anhal­ten kann und für ein paar Tage blei­ben wür­de, wenn es mir dort gefällt. Hat nicht so ganz geklappt. Es war auch der Moment, wo ich mir die­se Art des Bewe­gens, als einen natür­li­chen Teil mei­nes Wesens ein­ge­ste­hen muss­te. Ich hat­te eine Mis­si­on und einen Weg vor mir. Und die Bewe­gung war der Kern mei­nes Stre­bens. Alles Ande­re zähl­te unter die Kate­go­rie: Extras und Über­ra­schun­gen. Spä­tes­tens jetzt hat­te ich mich mit die­sem Fakt abge­fun­den und nicht mehr dar­über nach­ge­dacht.

Irgend­wann kam ich in Tur­bo an. Süd­ame­ri­ka hat­te ich nun zwei­mal von Nord nach Süd durch­ge­trampt. Vor mir lag nun die nächs­te gro­ße Her­aus­for­de­run­gen mei­ner gan­zen Rei­se: Das berühm­te Dari­en Gap. Die ein­zi­ge Unter­bre­chung der Pan­ame­ri­ca­na. Kei­ne Stra­ße. Ich muss­te aber irgend­wie da durch tram­pen. Streng nach den Regu­la­ri­en mei­ner Expe­di­ti­on. Ich find es ein biß­chen geil, das ich die­sen Teil wenigs­tens geschafft habe, auch wenn mei­ne Alas­ka-Ruß­land Pas­sa­ge letzt­end­lich nicht geklappt hat. Dari­en Gap Über­win­dung mit Tram­pen, das kann nicht jeder von sich behaup­ten.

 

Leipzig-Alaska-Karte

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