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Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Das Darien Gap (9)

Das berühm­te Dari­en Gap bezeich­net die ein­zi­ge Lücke der Pan­ame­ri­ca­na. Wer also denkt, man könn­te von Alas­ka nach Chi­le auf einer durch­ge­hen­den Stra­ße fah­ren, der spä­tes­tens hier des­il­lu­sio­niert. Die Regi­on ist in jeder Hin­sicht spe­zi­ell. Und einer der schwers­ten zu durch­que­ren­den Orte auf die­ser Welt. Mei­ne Tram­p­rou­te führ­te direkt hin­durch.

Die Grün­de, wes­halb in die­ser Regi­on zwi­schen Pana­ma und Kolum­bi­en kei­ne Stra­ße ist, sind umstrit­ten. Eini­ge sagen, es sei zum Schutz der Natur und des Lebens­rau­mes der indi­ge­nen Völ­ker, Ande­re sagen, es sei zu teu­er, eine Stra­ße dort zu bau­en. Dro­gen­han­del mag eine Rol­le spie­len. Wiki­pe­dia sagt, dies sei ein natür­li­cher Schutz­wall gegen die Ver­brei­tung der Maul- und Klau­en­seu­che. Vie­le sehen den Ein­fluß der Ame­ri­ka­ner, wel­che die Immi­gra­ti­on aus Süd­ame­ri­ka ver­hin­dern wol­len. Was auch immer der Grund sein mag, es exis­tiert kein Weg. Das ist Fakt.

Was aber exis­tiert, ist Dschun­gel. 160 km ber­gi­ge Sumpf­land­schaft, wel­che eine der größ­ten Arten­viel­fal­ten unse­res Pla­ne­ten beher­bergt. Voll­ge­stopft mit Schlan­gen, Pumas, Skor­pio­nen und aller­lei ande­rer Freun­de, die euch ent­we­der auf der Spei­se­kar­te, aber zumin­dest auf der „Töten-wenn-sie-mir-zu-nahe-kommen“-Liste haben.

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Neben den natür­li­chen Bedro­hun­gen soll­te man nicht ver­ges­sen, dass das Gebiet größ­ten­teils von der FARC kon­trol­liert wird. Die FARC ist eine Gue­ril­la Grup­pe im kolum­bia­ni­schen Nor­den. Eini­ge von euch ver­fol­gen viel­leicht die aktu­el­len Frie­dens­ver­hand­lun­gen mit der kolum­bia­ni­schen Regie­rung. Neben Dro­gen­schmug­gel und Zer­stö­rung von staat­li­cher Infra­struk­tur, hat sich die FARC noch auf ein wei­te­res „Busi­ness“ spe­zia­li­siert: Ent­füh­run­gen. Der Höhe­punkt die­ser Akti­vi­tät liegt schon ein paar Jah­re zurück. Aller­dings kommt es immer wie­der zu Zwi­schen­fäl­len. Das letz­te mal 2013, als ein schwe­di­scher Back­pa­cker durch das Dari­en Gap lau­fen woll­te, für einen Spi­on gehal­ten wur­de und einem Kopf­schuß zum Opfer gefal­len ist.

Ich hab mona­te­lang recher­chiert, bevor ich mich an die Über­win­dung des Dari­en Gaps mach­te. Das soll­te gut vor­be­rei­tet sein. Ich bin nicht durch­ge­lau­fen, um das mal vor­weg zu neh­men. So Hard­core bin ich dann doch nicht. Es war sehr schwie­rig dazu gute Infor­ma­tio­nen zu fin­den. Vie­le Blog­ger schrei­ben zwar, dass sie „durch“ das Dari­en Gap hin­durch sind, bei nähe­rer Betrach­tung stellt man aber fest, dass sie nur mal „rein“ und „wie­der raus“ sind. Vie­le mit gebuch­ten Tou­ren. Das war etwas ent­täu­schend. Es hat mich tat­säch­lich fast ein hal­bes Jahr gebraucht, bis ich end­lich einen wirk­lich guten Bei­trag fin­den konn­te, von einem Fran­zo­sen, der 1,5 Mona­te in die­ser Regi­on ver­bracht hat.

Prin­zi­pi­ell muss man sich das Innen­le­ben die­ser Todes­zo­ne fol­gen­der­ma­ßen vor­stel­len: Der Dschun­gel ist durch ein dich­tes Wege­netz begeh­bar und es exis­tie­ren meh­re­re Dör­fer mit indi­ge­ner Bevöl­ke­rung. Ohne Mache­te ist da aller­dings kein Durch­kom­men. Außer­dem kann die Regi­on nicht ohne Boo­te durch­quert wer­den, da unzäh­li­ge Flüs­se im Weg lie­gen. Zwi­schen den Dör­fern herrscht reger Ver­kehr. Haupt­ein­nah­me­quel­le stellt Dro­gen­schmug­gel dar, der oft von der loka­len Bevöl­ke­rung durch­ge­führt wird. Die ken­nen die Regi­on, sind gewis­ser­ma­ßen die Post­bo­ten und haben so eine gute Ein­nah­me­quel­le. Dane­ben, und das hat mich wirk­lich über­rascht, gibt es wohl vie­le ille­ga­le Ein­wan­de­rer, die ver­su­chen nach Nor­den durch­zu­drin­gen. Muss also recht busy sein im Dschun­gel. Aber es geht vor­wie­gend ums Geschäft.

Ansons­ten kann ich aus eige­ner Erfah­rung sagen, dass wan­dern, lau­fen, eigent­lich jeg­li­che Art der Bewe­gung durch die­sen Dschun­gel, unglaub­lich anstren­gend ist. Vor­al­lem die Luft­feuch­tig­keit fickt einen rich­tig. Ich bin eigent­lich ein recht geüb­ter Läu­fer gewe­sen und mein Ruck­sack war schon so ver­wach­sen mit mei­nem Rücken, dass es für mich kei­nen Unter­schied mehr macht, ob ich mit oder ohne lau­fe. Aber da… Ich war nur weni­ge Stun­den im Dari­en Gap, um mich zwi­schen eini­gen Ort­schaf­ten fort­zu­be­we­gen. Nach 10 Minu­ten waren mei­ne Hosen vom Schweiß voll­stän­dig durch­tränkt. Leich­ter Schwin­del stell­te sich ein. Die Wege waren mit beson­ders rut­schi­gem Schlamm aus­ge­stat­tet. Alles war müh­se­lig. Man sag­te es dau­ert 10–14 Tage, um durch das Dari­en Gap zu lau­fen. Kei­ne Ahnung, wie das gehen soll für Nor­mal­sterb­li­che.

Um so mehr weiß ich die Leis­tung des Eng­län­ders Karl Bush­by nun zu schät­zen. Karl ist nicht nur einer der ers­ten Men­schen der Moder­ne, wel­cher die Bering Stra­ße zu Fuß über­quert haben, son­dern er ist auch durch das Dari­en Gap gelau­fen, wur­de dort von der Gue­ril­la fest­ge­hal­ten, hat eine Cola spen­diert bekom­men und ist wie­der frei­ge­las­sen wor­den. Seit 1998 ist er unter­wegs auf sei­ner Goli­ath Expe­di­ti­on, ohne geo­gra­phi­sche Unter­bre­chun­gen die Erde zu umlau­fen. Von Chi­le nach Eng­land. Er hat mehr als 58.000 km zu Fuß zurück­ge­legt. Karl war defi­ni­tiv eine star­ke Inspi­ra­ti­ons­quel­le für mei­ne eige­ne Expe­di­ti­on. Gera­de steckt er irgend­wo in Ruß­land. Grü­ße an die­ser Stel­le. Viel­leicht tref­fe ich ihn nächs­tes Jahr.

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Ich per­sön­lich habe mich, mit einem Boot und etwas Lau­fen, bis zum Küs­ten­dorf an der kolum­bia­ni­schen Gren­ze durch­ge­kämpft und hat­te unglaub­li­ches Glück am sel­ben Tag ein klei­nes Car­go-Boot zu fin­den, dass sich bereit erklärt hat, mich mit­zu­neh­men. Letzt­end­lich habe ich eine Woche auf die­sem Boot gear­bei­tet, gegen Trans­port und Unter­kunft. Das Boot trans­por­tier­te aller­lei Sachen: Gas, Kühl­schrän­ke, Geträn­ke, Essen und han­del­te damit an ver­schie­de­nen Orten in der Küs­ten­re­gi­on zwi­schen Pana­ma und Kolum­bi­en. Die Crew bestand größ­ten­teils aus Ein­ge­bo­re­nen Kunas von den San Blas Inseln. Wir stopp­ten für drei Tage auf einer der Inseln, damit alle ihre Fami­li­en besu­chen konn­ten.

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Das war eine ziem­lich tol­le Erfah­rung. Nicht nur, weil wir auf vie­len der Inseln anleg­te, ich mir das geschäf­ti­ge trei­ben in Ruhe anschau­en konn­te und die Crew wirk­lich nett war. Auch weil ein Besuch auf den San Blas Inseln noma­ler­wei­se ziem­lich teu­er ist. Und die Kuna haben sich auf das Aus­neh­men von Tou­ris­ten spe­zia­li­siert. Ver­damm­te Blut­sauger. Ich hat­te da natür­lich einen ganz ande­ren Zugang, als ich drei Tage auf der Insel abhing und mich als Crew des Car­go-Boo­tes vor­stel­len konn­te. Ich konn­te einer Ver­samm­lun­gen der Dorf­be­woh­ner bei­woh­nen, bin in eine son­der­ba­re Zere­mo­nie rein­ge­lau­fen, wo ich fast raus­ge­schmis­sen wur­de, weil ich ein Foto gemacht habe (moch­ten die nicht so, hab mich dafür auch auf­rich­tig ent­schul­digt und mich danach geär­gert, als das Foto-Reco­very-Tool es nicht mehr her­stel­len konn­te) und war dabei, als sich unse­re Crew kol­lek­tiv besof­fen und danach auf die Schnau­ze gehau­en hat. Ist etwas eska­liert.

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Als die Füße end­lich auf dem nörd­li­chen Teil des ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nen­tes auf­setz­ten, war ich über­glück­lich. Ein wich­ti­ger Schritt mei­ner Rou­te war hier­mit geschafft. Pana­ma begrüß­te mich mit mei­nem ers­ten Auto­un­fall. Zum Glück nichts pas­siert und bei ca. 40 000 km, die ich bis dato zurück­ge­legt hat­te, war sowas, rein sta­tis­tisch gese­hen, ja auch nur eine Fra­ge der Zeit gewe­sen. Tja und dann bin ich mehr oder weni­ger direkt nach Texas durch­ge­trampt. Ein paar Tage Auf­ent­halt in Gua­te­ma­la, was mir sehr gut gefal­len hat, aber ansons­ten hab ich mir einen schö­nen Road Trip durch Zen­tral­ame­ri­ka gegönnt. 12 Tage oder so, von Pana­ma nach Aus­tin, Texas. Und dann kam, end­lich, der Kul­tur­schock…

 

Leipzig-Alaska-Karte

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Antworten

  1. Avatar von Patricia

    Hal­lo 🙂
    Habe gra­de bei BBC das ers­te mal von die­sem gap gehört und bin dann beim Goog­len auf dei­nen Bei­trag gesto­ßen! Liest sich mega inter­es­sant, aber ich glau­be so eine Durch­que­rung wäre nichts für mich! Trotz­dem hut ab, dass du es geschafft hast!

    Lie­be Grü­ße von Patri­cia von pat­ni­tra­vels 🙂

  2. Avatar von Tommy

    Sieht ja alles ganz »harm­los« aus. Ste­fan, ich woll­te hier nen ech­ten Agen­ten-Thril­ler lesen 😉

  3. Avatar von Francis

    Ich den­ke, dass jetzt mehr fort­schritt­li­che Tech­no­lo­gie, das Flug­zeug ist in der Lage, die­se Stö­rung zu lösen

  4. Avatar von Stefan

    Dan­ke Anton. Der Flie­ger ist der Weg des gerings­ten Wider­stan­des und es muss ja nicht immer spek­ta­ku­lär und gefähr­lich sein. Wenn du dir Karl Bush­by anschaust, dann war mei­ne Tour auch nur ein Well­ness-Wochen­end-Trip. 🙂

    1. Avatar von Uta
      Uta

      Hal­lo Ste­fan,

      ein Bei­trag der Tages­schau hat mich heu­te auf den Darién Gap auf­merk­sam gemacht. Ich habe mir dazu noch auf You­Tube eine Doku­men­ta­ti­on von Thi­lo Misch­ke (For­mat »unco­ver­ed«) ange­se­hen und bin nun über Dei­nen Bericht gestol­pert. Hut ab! Eine Fra­ge habe ich aller­dings dazu. Hast Du Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zu den merk­wür­di­gen Haken­kreuz­fah­nen auf dem einen Bild?

    2. Avatar von Johannes Klaus

      Hal­lo Uta,

      Wiki­pe­dia sagt dazu: Die Flag­ge, die San Blas bzw. Kuna Yala von 1925 bis 2010 führ­te, bil­det ein Swas­tika (Haken­kreuz) mit nach links zei­gen­den Haken ab. Die­se stellt einen sym­bo­li­sier­ten Okto­pus dar, der nach der loka­len Über­lie­fe­rung die Welt erschaf­fen hat. Seit 2010 führt das nun­mehr in Guna Yala umbe­nann­te Gebiet eine neue Flag­ge, auf der zwei gekreuz­te Arme mit Pfeil und Bogen dar­ge­stellt sind. Die bis­he­ri­ge Flag­ge wird für Zwe­cke bei­be­hal­ten, die den Wider­stand und die Dule-Revo­lu­ti­on von 1925 dar­stel­len.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Guna_Yala
      https://de.wikipedia.org/wiki/Kuna_(Ethnie)

  5. Avatar von Anton

    Wow, jetzt bin ich beein­druckt. Ich bin vor einer Woche selbst am Dari­en-Gap vor­bei gereist, habe aller­dings den deut­lich weni­ger aben­teu­er­li­chen Weg gewählt, da mir eine Yacht zu teu­er war: mit dem Flie­ger von Pana­ma City nach Medel­lín.

    Hut ab auf jeden Fall! – Da kommt einem die eige­ne gro­ße Rei­se recht unspek­ta­ku­lär vor (und etwas weni­ger gefähr­lich… 😉 ).

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