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Sag‘ beim Abschied leise Servus

 Tja, also dies­mal ist es wirk­lich soweit,
sehen Sie, jede Stadt hat Ihr eige­nes Abschieds­lied, Ihr eige­nes Abschiedswort,
in Paris zum Bei­spiel singt man, ‚Bon­soir, Bon­soir, Paris‘ 
oder in Rom sagt man ‚Ciao‘ oder musi­ka­lisch ‚Arri­ve­derci Roma‘ 
und bei uns in Wien, da sagt man ganz ein­fach ‚Ser­vus‘.

Es gibt ka‘ Musi‘ ewig, 
und ka‘ Glück für ewig,
so ist’s halt im Leben.

Und in Ber­lin? Da sagt man wohl leise ‚Tschüss‘.

Erwin Bolt mit sei­ner Tanz-Kapelle, 1937

 
Lon­don Eye. Sin­ga­pur-Flyer. Das Größte jetzt in Las Vegas. Und der Klas­si­ker im Pra­ter Wien – jede Stadt von Welt braucht ihr Rie­sen­rad. Ber­lin auch! Auch wenn hier neue Pro­jekte nicht ganz so gut klap­pen ist es gar nicht schlimm: Das Ber­li­ner Rie­sen­rad ist schon längst da.

Wenn der Wind etwas stär­ker aus dem Osten weht, und man spa­ziert an der Spree ent­lang im Plän­ter­wald, dann ist es das trau­rige Sin­gen, wel­ches man zuerst ver­nimmt. Es ist kein gemei­nes Quiet­schen, son­dern ein weh­mü­ti­ges Lied, anschwel­lend und abeb­bend; Tritt man dann aus den Bäu­men her­aus sieht man es sich dre­hen, das Rie­sen­rad von Ber­lin, von Geis­ter­hand lang­sam bewegt.
Kein fröh­li­cher Pas­sa­gier winkt von oben. Kein Rie­sen­rad­meis­ter lenkt die Geschwin­dig­keit von sei­nem klei­nen wei­ßen Häus­chen, dort wo das Rad ver­an­kert ist. Ein­sam dreht es sich im Wind, seit vie­len Jahren.

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Seit vie­len Jah­ren näm­lich ist der Spree­park ver­waist, die­ser Ver­gnü­gungs­park mit­ten in Ber­lin, der nach der Wende nach „west­li­chem Vor­bild“ aus einem Rum­mel­platz ent­stand. Über die geblie­be­nen Attrak­tio­nen, die foto­gen ver­fal­len, wurde schon viel berich­tet. Seit eini­gen Jah­ren kann man hier auch bezahlte Füh­run­gen mit­ma­chen, wenn man nicht ein­bre­chen und vor der Secu­rity flüch­ten will. 

Mil­lio­nen Fotos wur­den gemacht, von der Wild­was­ser­bahn, den klei­nen Kios­ken und den Loo­pings der Ach­ter­bahn, und natür­lich dem mäch­ti­gen Rie­sen­rad. So oft wurde sich über die unglaub­li­che Gangs­ter­ge­schichte der Betrei­ber­fa­mi­lie gewun­dert, deren Sohn im perua­ni­schen Knast sitzt, weil der Vater kilo­weise Kokain nach Deutsch­land schmug­geln wollte, in einem Rohr eines Fahr­ge­schäfts. So oft gelacht über die Unfä­hig­keit und den Wahn­witz der Ber­li­ner Behör­den, die mit schild­bür­ger­haf­ten Bestim­mun­gen und Ent­schei­dun­gen jeg­li­chen Erfolg unmög­lich machten. 

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Und unzäh­lige Male foto­gra­fier­ten sich die Besu­cher neben den gestürz­ten Dino­sau­ri­er­fi­gu­ren, der Alle­go­rie des ver­fal­le­nen Parks.
Doch damit ist nun bald ver­mut­lich Schluss. In einem inter­es­san­ten Ver­fah­ren hat sich die Stadt Ber­lin das Nut­zungs­recht auf das Grund­stück zurück erwor­ben, und ob nach dem April 2014 noch wei­ter­hin Besu­cher in den apo­ka­lyp­ti­schen Sze­nen spa­zie­ren kön­nen ist sehr fraglich. 

Was wohl dort pas­sie­ren wird, in die­ser unver­schämt guten Lage direkt an der Spree?

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Cate­go­riesDeutsch­land
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Johannes Klaus

Johannes Klaus hängte seinen Job als Grafikdesigner an den Nagel, um 14 Monate um die Welt zu reisen. Seine Website Reisedepesche wurde 2011 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. In unbeobachteten Momenten streichelt er den Preis zärtlich, besteht ansonsten aber darauf, dass ihm so was völlig egal sei.

  1. Torsten says:

    Habe vor kur­zem auch eine Füh­rung dort mit­ge­macht, eine der letz­ten. Bin echt gespannt ob die Ber­li­ner nun wirk­lich etwas ver­nünf­ti­ges dort auf die Beine stel­len, bin aber sehr skeptisch.

  2. Marco says:

    Tja, schade ist es in der Tat. Aber die Hoff­nung besteht, dass etwas Coo­les mit dem Areal pas­sie­ren wird. Es gab eine Menge sehr span­nen­der Initia­ti­ven, die nun hof­fent­lich berück­sich­tigt wer­den. Du hast die Atmo­sphäre jeden­falls schön eingefangen!

  3. Pingback:Der Blogger-Wochenrückblick | Luxushotel Tester Magazin

  4. suse says:

    oh ich weiß noch ganz genau wiei ch dort Pony­rei­ten war im Kreis. Ich war 8 oder so. Lang lang ist´s her. Und die Pom­mes waren lecker!! So ganz dick geschnit­ten, schön knusp­rig, rot weiß. Ins Rie­sen­rad wollte ich aller­dings damals nicht ein­stei­gen, ich hatte viel zu viel Angst. Wie schade das es bald nicht mehr ste­hen wird.

  5. Jeremy Kunz says:

    Sehr schöne Bil­der, die du da geschos­sen hast. Ich fand die Geschichte total span­nend, wie es damals zum Ende des Parks gekom­men ist. Inkl. Dro­gen im flie­gen­den Tep­pich über die Grenze geschmug­gelt und allem, was es als Zuta­ten für einen guten Krimi braucht.

    Schade, scheint nun wirk­lich das Ende des Parks auch als Ruhe­städte für die Fahr­ge­schäfte gekom­men zu sein…

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