Der brennende Vulkan

Nach dem mich Samoa so posi­tiv geflasht hat­te, muss­te ich unbe­dingt eine wei­te­re Insel des Süd­pa­zi­fiks sehen. Bevor­zugt ein Insel­staat, von dem man sonst nie in Deutsch­land hört. Somit waren die Fijis auch gleich mal aus dem Ren­nen. Als ich vir­tu­ell mit Goog­le Maps über den Pazi­fik flog, stach mir ein Insel­reich gleich ins Auge: Vanua­tu. Allein der Name reich­te mir aus, um mich zum Buchen der Flug­ti­ckets zu bewe­gen.

Zwei Tage vor dem Wei­ter­flug von Samoa nach Vanua­tu warf ich dann das erst Mal einen Blick ins Welt­wei­te Netz um nach „Vanua­tu“ zu suchen. Ich war doch etwas neu­gie­rig, was mich dort wohl erwar­ten wür­de und was ich dort erle­ben könn­te. Denn bis auf den Namen wuss­te ich sonst über­haupt nichts von dem unbe­kann­ten Insel­reich.

Gleich der drit­te Tref­fer auf Goog­le macht mir Hoff­nung auf ein klei­nes Aben­teu­er. „Nir­gend­wo lau­ert der Unter­gang wie in Vanua­tu“ lau­te­te der Titel einer Zeit-Online Repor­ta­ge über Vanua­tu und der ver­hee­ren­den Zer­stö­rung des Zyklon Pam, der erst im März 2015 über die Inseln wüte­te.

Zu lesen bekam ich in besag­ter Repor­ta­ge dann Text-Pas­sa­gen wie „Vanua­tu war bereits 2012 im Welt-Risi­ko-Bericht als das am stärks­ten gefähr­de­te Land der Welt für Natur­ka­ta­stro­phen ein­ge­stuft wor­den.“ Na super! Was will der lebens­mü­de Rei­se-Aben­teu­rer mehr?
Nicht nur Zyklo­ne bedro­hen Vanua­tu immer wie­der – auch Vul­ka­ne, Erd­be­ben und Über­schwem­mun­gen sind dort ein The­ma. Also das vol­le Natur­ka­ta­stro­phen-Pro­gramm.

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Auf Vanua­tu sel­ber sieht man die Natur­ka­ta­stro­phen fast schon Gelas­sen. Viel­leicht haben sich die Men­schen Vanua­tus bereits an die Situa­ti­on gewöhnt oder sich ein­fach mit die­ser abge­fun­den. So ist es auch nicht ver­wun­der­lich, dass man auf der Insel Tan­na die Mög­lich­keit hat, einen akti­ven Vul­kan zu bestei­gen. Als ich davon las, muss­te ich dort ein­fach unbe­dingt hin und mir das Natur­spek­ta­kel mit eige­nen Augen aus nächs­ter Nähe anse­hen.

Bereits die Anrei­se zum Vul­kan war bereits ein klei­nes Aben­teu­er. Denn man soll­te wis­sen, obwohl Tan­na als eines der High­lights Vanua­tus gilt, gibt es kei­ne tou­ris­ti­sche Infra­struk­tur. Nur ein paar klei­ne Unter­künf­te sind auf der Insel vor­han­den – mehr nicht. Es gibt weder Geld­au­to­ma­ten, Restau­rants, geteer­te Stras­sen, ÖVs oder gar Taxis. Strom ist nur im klei­nen Haupt­dorf vor­han­den – der Rest der Insel Tan­na ist Strom­los oder hat bes­ten­falls einen Gene­ra­tor. Mit flies­send Was­ser siehts auf Tan­na ähn­lich aus – auch das ist kaum vor­han­den. Dem­entspre­chend durf­ten wir es uns auf der Lade­flä­che eines Pick­ups gemüt­lich machen, als wir vom Haupt­dorf abge­holt wur­den. Die Stras­se, wenn man sie denn so nen­nen kann, war eigent­lich mehr ein Matsch­weg mit Schlag­lö­chern, so tief, dass man ver­mut­lich den Vul­kan selbst dar­in ver­ste­cken hät­te kön­nen. Nicht mal in Afri­ka habe ich solch einen Weg erle­ben kön­nen.

Gleich nach Ankunft auf Tan­na bega­ben wir uns zu Fuss auf zum Vul­kan. Selbst der Weg zum Kra­ter war schon beein­dru­ckend. Er führ­te uns durch einen dschun­gel­ar­ti­gen, dich­ten Urwald.

Und je näher wir dem Vul­kan kamen, des­to wär­mer wur­de die Erde unter uns. Man konn­te die Hit­ze des Vul­kans förm­lich spü­ren, wenn man den Boden mit sei­nen Hän­den berühr­te.

Irgend­wann lich­te­te sich der Wald und wir erblick­ten Yasur, den Vul­kan in vol­ler Pracht, nur weni­ge Meter vor uns.
Die ers­te Explo­si­on – ein lau­ter Knall. Geröll flog durch die Luft. Mein Puls begann zu rasen. Ein paar Sekun­den erstarr­ten wir bei dem kriegs­ähn­li­chen Lärm.

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Phil­ipp, unser Gui­de, lach­te und sag­te, dass wir hier auch gern Zel­ten könn­ten. Von hier aus hät­ten wir auch Nachts einen tol­len Blick auf das Unge­tüm und sei­ner Wild­heit aus nächs­ter Nähe. Mit­ten drin statt nur dabei…

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Enthu­si­as­tisch errei­chen wir den Fus­se des Ber­ges, an dem uns ein klei­ner Pfad hin­auf auf den Grad des Vul­kans füh­ren soll­te. Als wäre es nicht bizarr genug, einen akti­ven Vul­kan bestei­gen zu kön­nen, haben die Ein­woh­ner Tan­nas einen Brief­kas­ten am Start des Pfa­des auf­ge­stellt. Und ja, er wird auch regel­mäs­sig geleert. Ver­mut­lich ist es eine iro­ni­sche Art und Wei­se mit den Natur­ge­wal­ten auf Vanua­tu umzu­ge­hen. Wer also schon immer mal eine Post­kar­te von einem Vul­kan ver­sen­den woll­te – auf Vanua­tu ist’s mög­lich!

Nach weni­gen Minu­ten errei­chen wir den Grad des Vul­kans. Wir machen eine kur­ze Pau­se. Unser Gui­de schau­te in die Luft und war­te­te die nächs­te Explo­si­on ab. Er erklärt uns, dass man hier oben auf die Wind­rich­tung ach­ten müs­se. Denn auch die Dämp­fe sei­en nicht son­der­lich unge­fähr­lich. Einen Moment war­ten wir, dann gibt er uns grü­nes Licht und wir lau­fen wei­ter zur ers­ten klei­nen Ebe­ne.

Der Weg dort­hin führt uns direkt ent­lang auf dem Grad. Links geht es meh­re­re Meter steil berg­ab. Rechts von uns direkt in den Schuld der Höl­le. Mei­ne Freu­de an Höhen mach­te sich bemerk­bar und ich stell­te mir ins­ge­heim die Fra­ge: Falls wir hin­ab­stür­zen soll­ten, wel­che von bei­den Sei­ten wohl in den ange­neh­me­ren Tod füh­ren wür­de? Ich ent­schei­de mich für den Tod in der Lava – ver­mut­lich gin­ge die Erlö­sung dort schnel­ler. Dann errei­chen wir end­lich die Ebe­ne. Einen kur­zen Augen­blick kann ich durch­at­men. Doch als ich mich gera­de wie­der am ent­span­nen bin, lässt der Vul­kan sei­ne bis dahin stärks­te Explo­si­on von sich. Ein unsäg­lich lau­ter Knall. Schwar­zer Rauch erhebt sich, glü­hen­de Lava schiesst in die Luft, die Erde bebt und es fällt mir unter den Umstän­den fast schon schwer mein Gleich­ge­wicht zu hal­ten. Es ist, als wol­le mich der Vul­kan war­nen.

Mei­ne Bei­ne wer­den weich wie Pud­ding. Die Hän­de sind feucht. Scheis­se – wel­cher Wahn­sinn hat mich hier hin­auf getrie­ben!

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Ich stel­le mir vor, wie ich wei­ter lau­fe und wie­der eine sol­che extre­me Explo­si­on das Gleich­ge­wicht raubt und ich den Abhang hin­un­ter pur­zel. Des­halb ent­schei­de ich mich dazu, an die­ser Ebe­ne zu blei­ben und kei­nen Meter mehr wei­ter um den Vul­kan her­um zu lau­fen.

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Lang­sam ver­ab­schie­det sich die Son­ne für die­sen Tag. Je mehr das Licht schwand, des­to inten­si­ver wirk­ten die Far­ben jeder neu­en Lava-Bom­be. Es war beein­dru­ckend – nein, es war viel mehr. Es ist nicht in Wor­te zu fas­sen. Mein abso­lu­tes High­light die­ser gesam­ten, lan­gen Rei­se.

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Nach eini­gen Stun­den bege­ben wir uns wie­der ins Tal zurück zu unse­rer Unter­kunft. Ich dach­te mir, wenn wir nun schon ver­rückt genug waren, uns auf einen akti­ven Vul­kan bege­ben, dann woll­ten wir auch gleich in des­sen Nähe schla­fen. Nicht im Zelt zu des­sen Fus­se, ver­steht sich – aber doch in sei­ner unmit­tel­ba­ren Nähe.

Wir ent­schie­den uns auf Tan­na für ein Baum­haus in einem Ban­y­an­baum, knapp 1km vom Vul­kan ent­fernt, mit direk­tem Blick auf das Natur­spek­ta­kel. Klingt span­nend? Ist es auch!

Vor allem dann, wenn der Vul­kan nachts wie wild sei­ne Lava in die Lüf­te schoss und das Baum­haus unter den klei­nen Erd­be­ben der Explo­sio­nen beginnt zu wackeln. Ich als Freund luf­ti­ger Höhen hat­te da so mei­nen Spass dar­an.
Die Aus­sicht auf Yasur und sei­ne gigan­ti­schen dunk­len Rauch­wol­ken mach­ten das alles mehr als wett!

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Antworten

  1. Avatar von Heinz Dewald
    Heinz Dewald

    Tol­ler Bericht. Wir wol­len nächs­tes Jahr im Mai nach Vanua­tu. Wie sind die Über­nach­tungs­prei­se dort? Auf was muss man ach­ten? Wo steht die­ses Baum­haus und was hat es pro Nacht gekos­tet?

    Vie­le Grü­ße
    Heinz

  2. […] Arti­kel lesen auf ‚Rei­se­de­pe­schen‘ lesen […]

  3. Avatar von Mel

    Oh ich bin ja auch so ein Vul­kan-Fan! Was für genia­le Fotos und was für ein tol­ler Bericht. Vanua­tu muss auf mei­ne Rei­se­lis­te 😀

    LG Mel

  4. Avatar von Birgit

    Hal­lo,
    dein Bericht ist super inter­es­sant, die Fotos sind sehr ein­drucks­voll! In dem Baum­haus wür­de ich auch ger­ne ein­mal über­nach­ten.
    Lie­be Grü­ße
    Bir­git

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