UNESCO-Welterbe: Von Koggen, Krämern und Kontoren – unterwegs in Europas Hansestädten (2)

Teil 2: Fjorde und Fischmärkte

Von den Ufern der Weich­sel bis zu Nor­we­gens Fjor­den – in die­sem Blog fol­gen wir der Han­se dort­hin, wo die Som­mer hel­ler, die Häu­ser bun­ter sind – zu den Gie­bel­häu­sern in Bryg­gen, den Tür­men in Tal­linn und den Rosen­mau­ern in Vis­by.

Zu Teil 1 des Bei­trags

Toruń – Backstein, Bernstein und ein Blick zu den Sternen

Es war schon Nach­mit­tag, als ich auf der gro­ßen Brü­cke über die Weich­sel stand. Die Son­ne mal­te gol­de­ne Licht­strei­fen auf das Was­ser, und jen­seits des Flus­ses tauch­ten die roten Dächer von Toruń auf. Die mit­tel­al­ter­li­che Alt­stadt wirk­te wie eine Thea­ter­ku­lis­se – kom­plett mit Tür­men, Stadt­to­ren und einer beein­dru­ckend dicken Stadt­mau­er.

Ich schlen­der­te durch das his­to­ri­sche Zen­trum, vor­bei an Stän­den mit den berühm­ten Thor­ner Leb­ku­chen und Bern­stein. Die Sta­tue von Niko­laus Koper­ni­kus begrüß­te mich mit erho­be­nem Arm, als woll­te sie mich in Bewe­gung hal­ten. Ein paar Stra­ßen wei­ter fand ich sein Geburts­haus – ein wun­der­schö­nes goti­sches Back­stein­haus mit viel Lie­be zum Detail.

Und über­all in der Stadt: Sta­tu­en. Eini­ge ernst, ande­re ver­spielt. Ich ließ mich trei­ben, spür­te den Rhyth­mus die­ser klei­nen, gro­ßen Stadt – und ver­stand, war­um man sie zu den schöns­ten Polens zählt.

Riga & Tallinn

Wei­ter im Osten pul­siert die Han­se auf ganz eige­ne Wei­se: In Riga tref­fen Jugend­stil­fas­sa­den auf mit­tel­al­ter­li­ches Markt­trei­ben, in Tal­linn durch­zieht noch immer die Stadt­mau­er mit Wehr­tür­men das Kopf­stein­pflas­ter – und auf dem Rat­haus­platz wirkt die ältes­te Apo­the­ke Euro­pas wie ein leben­di­ges Relikt ver­gan­ge­ner Zei­ten.


Riga – Fassaden, Fabeln und Flair

Schwarz­häup­ter­haus in Riga

Riga emp­fing mich mit son­nen­glän­zen­den Gie­bel­häu­sern und einer Alt­stadt wie aus einem Aqua­rell. Hier erlebt man einen Spa­gat der Epo­chen. Zwi­schen Kopf­stein­pflas­ter, goti­schen Gie­beln und Jugend­stil­fas­sa­den liegt ein Rhyth­mus, der die Stadt vibrie­ren lässt.

Ich stand vor dem Schwarz­häup­ter­haus – einst pracht­vol­ler Treff­punkt der unver­hei­ra­te­ten Kauf­leu­te – und kam spä­ter zu den Drei Schwes­tern, die­sen stil­len, schie­fen Zeit­zeu­gen han­sea­ti­scher Archi­tek­tur. Dann wei­ter zur nächs­ten Fas­sa­de, vor­bei am berühm­ten Kat­zen­haus, des­sen zwei kecke Gie­bel­kat­zen bis heu­te für Gesprächs­stoff sor­gen.

Am Abend saß ich in einer Bar unter Gewöl­be­de­cken, trank einen Kwas zum Essen, pro­bier­te zum Abschluss einen Black Bal­sam und hör­te dem Stim­men­ge­wirr aus allen Rich­tun­gen der Welt zu.

Drei Schwes­tern

Tallinn – Türme, Tore und Turmblicke

Tal­linn war wie ein Sprung ins Mit­tel­al­ter. Wehr­tür­me rah­men die Alt­stadt ein, Gas­sen füh­ren wie ver­wun­sche­ne Pfa­de über Kopf­stein­pflas­ter, und auf dem Rat­haus­platz flat­tern Fah­nen zwi­schen Gil­de­häu­sern. Zwi­schen Markt­stän­den posier­ten Gauk­ler für Fotos, der Markt­schrei­er rief und ein Möch gab mir ein Ticket für den Turm.

Ich stieg die alte Wen­del­trep­pe hin­auf und blick­te über die Stadt: zie­gel­ro­te Dächer, goti­sche Tür­me, die Ost­see im Hin­ter­grund – ein Pan­ora­ma wie gemalt.

In der his­to­ri­schen Apo­the­ke aus dem Jahr 1422 erzäh­len die klei­nen Fla­schen und Rezep­tu­ren noch immer Geschich­ten von Hei­lung und All­tag.

Ich pro­bier­te eine Elch­sup­pe und schau­te vom ältes­ten Café am Platz auf das bun­ter Trei­ben.

Am Rand der Stadt­mau­er ent­deck­te ich eine klei­ne Gale­rie mit alten Druck­stö­cken, dane­ben ein Stand mit hand­ge­mach­ten Sei­fen.

Tal­linn war leben­dig und doch ent­schleu­nigt. Ich setz­te mich auf die Stu­fen eines Brun­nens und hör­te einem Gei­ger zu, der unter einem Tor­bo­gen spiel­te. Es war einer die­ser Momen­te, in denen sich alles rund anfühl­te.

Visby – Rosenduft, Ruinen und das leise Flüstern der Hanse

Die Fäh­re leg­te an und schon beim ers­ten Schritt spür­te ich: Hier ticken die Uhren anders. Vis­by, die alte Han­se­stadt auf Got­land, emp­fing mich mit Stil­le. Kei­ne Schif­fe mehr, kei­ne Händ­ler, kei­ne Hek­tik – nur das sanf­te Schla­gen der Ost­see­wel­len und das lei­se Knir­schen von Kies unter den Schu­hen.

Die Stadt­mau­er mit ihren 27 Tür­men umschließt das Zen­trum wie ein Gür­tel aus Stein. Dahin­ter: Kopf­stein­pflas­ter, Rosen an den Haus­wän­den, und ver­wit­ter­te Kir­chen­rui­nen, die wir­ken, als wären sie mit­ten aus einem Mär­chen gefal­len.

Ich ließ mich trei­ben, besuch­te eine der Rui­nen und setz­te mich auf eine Bank. Vis­by spricht lei­se – mit Mau­er­flüs­tern, Rosen­duft und Som­mer­licht.

Ich ging durch enge Gas­sen, sah Gar­ten­pfor­ten aus Holz, klei­ne Läden und immer wie­der: Rosen. Auf Mau­ern. Zwi­schen Pflas­ter­stei­nen. Über Fens­tern. Der gan­ze Ort war wie mit einem Fil­ter der Sanft­heit über­zo­gen.

Vis­by

Am Abend fuhr ich mit Dob­by hin­auf auf den Stell­platz ober­halb der Stadt. Ich blick­te über die Dächer, sah das Licht der unter­ge­hen­den Son­ne auf den Zie­geln tan­zen – und das Meer dahin­ter, ruhig und weit. Am Hori­zont begann schon das nächs­te Kapi­tel.

Bryggen – Farben, Fisch und das Knarren der Zeit

Bryg­gen

Als ich um die letz­te Kur­ve kam und die schma­len Gie­bel von Bryg­gen in der Mor­gen­son­ne auf­leuch­te­ten, blieb ich einen Moment ein­fach ste­hen. Rot, Ocker, Senf und Zimt – ein Farb­fä­cher ver­gan­ge­ner Jahr­hun­der­te, direkt am Kai auf­ge­reiht. Und dahin­ter: eine Welt aus Holz, Gän­gen und Geschich­te.

Ich ging hin­ein, vor­sich­tig über knar­ren­de Boh­len, durch enge Durch­gän­ge zwi­schen den Häu­ser­zei­len. Alte Schöt­stu­ben lagen still da – Ver­samm­lungs­räu­me der Han­se­zeit, wo frü­her Han­del betrie­ben, Ver­trä­ge geschlos­sen und Fisch­prei­se ver­han­delt wur­den. Alles roch nach Holz und Wind.

Heu­te ist in die bun­ten Häu­ser neu­es Leben ein­ge­zo­gen, doch zwi­schen Werk­stät­ten, klei­nen Cafés und Gale­rien liegt immer noch die­ser ruhi­ge Atem ver­gan­ge­ner Zeit.

Auch ich ließ mir Zeit, lief die Gän­ge auf und ab, schau­te durch Fens­ter mit ihren unre­gel­mä­ßi­gen Schei­ben, griff nach einem Tür­griff aus Eisen.


Spä­ter ging ich zum nahen Fisch­markt, wo der fang­fri­sche Lachs glänz­te und Möwen über dem Kai kreis­ten.

Bryg­gen ist kein Frei­licht­mu­se­um – son­dern ein Stadt­teil, der wei­ter­lebt, lei­se, in sei­nem eige­nen Rhyth­mus.

Im nächs­ten Bei­trag neh­me ich euch mit zu beson­de­ren Indus­trie­stand­or­ten der ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te, die von den Ideen der Auf­klä­rung und tech­ni­schen Erfin­dun­gen erzäh­len. Bleibt gespannt!


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