UNESCO-Welterbe: Von Koggen, Krämern und Kontoren – unterwegs in Europas Hansestädten (1)

Teil 1: Backsteinträume und Glockenspiele

Stellt euch vor: ein Netz von Städ­ten, ver­bun­den durch den Geruch von Teer, das Klap­pern von Holz­plan­ken und das Rufen der Kauf­leu­te, die auf Kog­gen ihre Waren ver­lu­den.

Kei­ne Nati­on, kein Staat, son­dern ein Bünd­nis von Kauf­leu­ten – sie wur­den gemein­sam mäch­ti­ger als Fürs­ten und Köni­ge. Das war die Han­se.

Ab dem 12. Jahr­hun­dert wuch­sen Han­dels­ge­mein­schaf­ten wie in Lübeck. Ers­te Ver­trä­ge wur­den geschlos­sen. Und schließ­lich brei­te­te sich das Netz der Han­se wie ein fei­nes Spinn­ge­we­be über Nord- und Ost­see aus.

In ihrer Blü­te­zeit zähl­te der Bund über 70 akti­ve Städ­te und mehr als 100 wei­te­re, die sich lose anschlos­sen. Von Köln im Süden bis Ber­gen im hohen Nor­den, von Brüg­ge im Wes­ten bis Tal­linn im Osten: Die Han­se ver­band Wel­ten.

Und auch wenn der letz­te Han­se­tag 1669 statt­fand, sind die Spu­ren geblie­ben – in mäch­ti­gen Back­stein­bau­ten, ehr­wür­di­gen Kauf­manns­hö­fen und im lei­sen Knar­zen von Holz­boh­len in alten Spei­cher­häu­sern.

Heu­te bewah­ren die UNESCO‑Welterbestädte die­sen Geist. Sie sind aus­ge­wähl­te und beson­ders ein­drucks­vol­le Ver­tre­ter die­ser ver­gan­ge­nen Epo­che.

Ich habe sie alle besucht – die gro­ßen Namen Ham­burg und Lübeck, glän­zend, selbst­be­wusst und doch ganz unter­schied­lich. Ham­burg mit sei­ner Spei­cher­stadt. Lübeck als „Köni­gin der Han­se“, mit Hols­ten­tor und Mar­zi­pan­ge­ruch in den Gas­sen.

Doch mein Weg führ­te mich auch zu den klei­ne­ren Han­se­städ­ten, deren Charme lei­ser ist – aber umso ein­dring­li­cher.

Bremen – Rathaus, Roland und hanseatische Gelassenheit

Bre­mer Rat­haus

Wer Bre­men besucht, kann kaum anders, als auf dem Markt­platz ste­hen zu blei­ben – umringt von Geschich­te und mit Blick auf eines der schöns­ten Rat­häu­ser Deutsch­lands.

Der Roland steht davor. Seit 1404 trotzt er Wind und Wet­ter. Mit Schwert in der Hand und einem Gesichts­aus­druck, der Gelas­sen­heit und Ent­schlos­sen­heit zugleich aus­strahlt.

Ich erin­ne­re mich an die­sen Som­mer­mor­gen. Die Stra­ßen waren noch still, der Markt­platz fast men­schen­leer. Die Pflas­ter­stei­ne glänz­ten feucht vom nächt­li­chen Regen. Über dem Rat­haus lag ein war­mes Licht, das die fili­gra­nen Fas­sa­den­or­na­men­te fast gol­den erschei­nen ließ.

Das Gebäu­de erzählt Geschich­ten aus einer Zeit, in der Bre­men als Han­se­stadt stolz und selbst­be­wusst sei­ne Unab­hän­gig­keit zeig­te.

Nur weni­ge Schrit­te ent­fernt – fast ver­steckt hin­ter dem Rat­haus – ste­hen die Bre­mer Stadt­mu­si­kan­ten.

Jeder kennt sie aus dem Mär­chen der Brü­der Grimm. Ich muss­te etwas suchen, bevor ich die schlich­te Sta­tue mit dem Esel und den ande­ren Tie­ren auf dem Rücken ent­deck­te.

Und wie so vie­le Besu­cher leg­te auch ich mei­ne Hand an sei­ne Vor­der­bei­ne – für das sprich­wört­li­che Quänt­chen Glück.



Unweit beginnt das Schnoor­vier­tel – ein Gas­sen­la­by­rinth, so eng, dass man­cher­orts kaum zwei Men­schen anein­an­der vor­bei­kom­men.

Ich ließ mich trei­ben, schau­te in klei­ne Läden mit Kunst­hand­werk, atme­te den Duft von frisch geba­cke­nem But­ter­ku­chen und gerös­te­tem Kaf­fee ein. Die­ser beson­de­re Mix aus Geschich­te und Bohè­me lag in der Luft.

Vom Turm des St.-Petri-Doms bot sich eine fan­tas­ti­sche Aus­sicht. Dächer, Wind­rä­der am Hori­zont, und die Weser, die trä­ge vor­bei­zog.

Wismar & Stralsund – Backsteinpracht zwischen Meer und Mauern


Ich war mit Dob­by unter­wegs an die Ost­see – zu Städ­ten, in denen die Ver­gan­gen­heit in jedem Zie­gel­stein mit­schwingt.

Die Rou­te führ­te vor­bei an wei­ßen Sand­strän­den und durch Kie­fern­wäl­der, deren Harz­duft sich mit dem sal­zi­gen Atem des nahen Mee­res misch­te. Ein Vor­ge­schmack auf das, was mich erwar­te­te.

Wis­mar und Stral­sund, zwei Schwes­tern­städ­te der Back­stein­go­tik, waren im 13. bis 15. Jahr­hun­dert bedeu­ten­de Zen­tren des wen­di­schen Han­se-Bun­des.

Ihre Alt­städ­te blie­ben fast unver­än­dert. Mit­tel­al­ter­li­che Hafen­be­cken, pracht­vol­le Kir­chen und kunst­voll ver­zier­te Back­stein­fas­sa­den erzäh­len bis heu­te vom Rhyth­mus der han­sea­ti­schen Blü­te­zeit.

Wismar

In Wis­mar zog es mich zuerst auf den rie­si­gen Markt­platz.

Fast zen­tral steht dort die Was­ser­kunst – ein fili­gra­nes Brun­nen­haus aus dem 17. Jahr­hun­dert, das einst die Was­ser­ver­sor­gung sicher­te. Über höl­zer­ne Lei­tun­gen floss das Was­ser vor allem in die vie­len Brau­häu­ser – ein ech­tes han­sea­ti­sches Lebens­eli­xier.

Jetzt am Mor­gen duf­te­te es über den Platz nach fri­schem Kaf­fee und die ers­ten Bäcke­rei­en füll­ten sich mit Leben.

Markt­platz und Was­ser­kunst in Wis­mar



Ich ging durch die Krä­mer­stra­ße, vor­bei an klei­nen Läden. Das Kopf­stein­pflas­ter knirsch­te lei­se unter mei­nen Schrit­ten.

Die gewal­ti­ge St.-Nikolai-Kirche rag­te wie ein roter Back­stein­rie­se über die Dächer und kurz dar­auf erreich­te ich den Alten Hafen.

Rote Spei­cher­häu­ser spie­gel­ten sich im Was­ser, Möwen kreisch­ten in der Luft. Das his­to­ri­sche Was­ser­tor – das letz­te sei­ner Art an der Ost­see – stand wie ein stil­ler Zeu­ge zwi­schen Stadt und Meer.

Stralsund

Stral­sund emp­fängt mit einer kla­ren, recht­wink­lig ange­leg­ten Alt­stadt – ein Erbe der mit­tel­al­ter­li­chen Insel­la­ge.

Die Stadt­mau­er mit ihren Toren rahmt das Zen­trum noch immer ein. Sie ver­stärkt das Gefühl, durch das Tor in eine ande­re Zeit zu tre­ten.

Auf dem Alten Markt erhebt sich das Rat­haus mit sei­ner far­bi­gen Schau­fas­sa­de. Je nach Licht wirkt sie anders – mal leuch­tend, mal gedämpft.

Unter den Arka­den waren schon zu Han­se­zei­ten klei­ne Läden unter­ge­bracht.

das Rat­haus von Stral­sund



Ich trat in die mäch­ti­ge St.-Nikolaikirche ein und ent­deck­te im Chor die astro­no­mi­sche Uhr. Sie zeigt seit 1394 zuver­läs­sig noch immer die Zeit und die Bewe­gung von Son­ne und Mond an.

Über mehr als 300 Stu­fen sind es auf den Turm der Mari­en­kir­che und man wird mit einem wei­ten Blick belohnt.

Blick über Stral­sund


Im Hafen liegt die Gorch Fock I, das stol­ze Segel­schiff, das heu­te als Muse­um Besu­cher emp­fängt.

Für die Nacht fuhr ich auf die Insel Dän­holm und sah, wie die Stadt im war­men Licht der unter­ge­hen­den Son­ne zu leuch­ten begann. Was für ein wun­der­ba­rer Aus­klang.

Brügge – Hanseflair zwischen Grachten, Glockenspiel und Giebeln

Brüg­ge emp­fängt mit Grach­ten, über die sich schmie­de­ei­ser­ne Brü­cken span­nen, und Kopf­stein­pflas­ter, das in der Mor­gen­son­ne schim­mert.

Die Gie­bel­häu­ser mit ihren ver­spiel­ten Dächern rei­hen sich wie ein Bil­der­buch ent­lang der Kanä­le.

Es war noch früh am Mor­gen – mei­ne liebs­te Zeit, um Städ­te zu durch­strei­fen.

Ich ging durch schma­le Stra­ßen, vor­bei an Cho­co­la­te­ri­en und klei­nen Werk­stät­ten. Der Duft von Kakao­boh­nen und hei­ßem Wachs erfüll­te die Luft. Pfer­de­kut­schen klap­per­ten über das Pflas­ter und es fühl­te sich an, als wäre ich mit­ten in einem His­to­ri­en­film gelan­det.

Im Begi­nen­hof mit sei­nen wei­ßen Häu­sern und stil­len Innen­hö­fen scheint die Zeit still­zu­ste­hen.

Nicht weit ent­fernt erzählt das Sint-Jans-Hos­pi­taal mit sei­nen hohen Hal­len und alten Apo­the­ken von Jahr­hun­der­ten der Pfle­ge und Gast­freund­schaft.

Auf dem Gro­te Markt dreh­te ich mich lang­sam zum Klang des Caril­lons, des­sen Melo­die aus dem Bel­fried über die Stadt weh­te. Dabei dach­te ich, dass es kaum einen schö­ne­ren Ort geben kann.

Es war mein ers­ter bel­gi­scher Gro­te Markt – ein Gefühl, das selbst in der Erin­ne­rung noch ver­zau­bert.



Spä­ter durch­streif­te ich die Gas­sen und lief ent­lang der Kanä­le.

An den alten Kon­to­ren und Lager­häu­sern wehen noch immer Erin­ne­run­gen an Han­se­zei­ten. Damals ent­lu­den Schif­fe aus dem Nor­den hier Salz, Tücher und Fisch.

Heu­te Mor­gen lagen die Aus­flugs­boo­te noch ruhig im Was­ser, wäh­rend Möwen über den Häu­sern kreis­ten.

In der nächs­ten Fol­ge geht es zu Fjor­den, Fisch­märk­ten und Fes­tungs­mau­ern – bleibt gespannt.


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