Operation Phoenix

Aus der Asche steigt er empor, schö­ner denn je. Und was bereits ver­lo­ren schien, erstrahlt in neu­em Glan­ze.

Pas­sen­der hät­te er kaum gewählt wer­den kön­nen, der Code­na­me für eines der größ­ten und viel­leicht ver­rück­tes­ten Wild­life-Umsied­lungs- und Rena­tu­rie­rungs­pro­jek­te der Welt: Ope­ra­ti­on Phö­nix.

Wir befin­den uns im Nord­wes­ten Süd­afri­kas, nahe der Gren­ze zu Bots­wa­na und der Kala­ha­ri-Wüs­te. Es ist eine arme, abge­le­ge­ne, länd­li­che Regi­on, behei­ma­tet von Mais­bau­ern und Rin­der­züch­tern, die hier von der wei­ßen Apart­heids­re­gie­rung ange­sie­delt und im Stich gelas­sen wur­den. Die Ern­ten sind karg, denn der Boden ist unwirt­lich. 1991 neigt sich die dunk­le Pha­se der Apart­heid lang­sam dem Ende und es ent­ste­hen ers­te Pro­jek­te, wie der aus­ge­beu­te­ten Land­be­völ­ke­rung zu mehr Teil­ha­be ver­hol­fen wer­den kann und abge­häng­te Regio­nen wirt­schaft­lich erstar­ken kön­nen. Schnell wird klar, dass Acker­bau in die­ser Gegend kei­ne Zukunft hat. Über­le­gun­gen wer­den ange­stellt in den Berg­bau zu inves­tie­ren, denn Süd­afri­ka ist reich an Boden­schät­zen. Nach einer Mach­bar­keits­stu­die unab­hän­gi­ger Bera­ter ent­schei­det sich die Regie­rung jedoch für die drit­te gro­ße Kraft der Süd­afri­ka­ni­schen Wirt­schaft und setzt auf den Wild­life­tou­ris­mus. So beginnt der gan­ze wun­der­vol­le Wahn­sinn.

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75.000 Hekt­ar des mala­riafrei­en Farm­lands wer­den in den kom­men­den drei Jah­ren zu ursprüng­li­chem Busch­land auf­ge­fors­tet und mit einem 150 Kilo­me­ter lan­gem Elek­tro­zaun ein­ge­zäunt. Mehr als 8.000 Tie­re wer­den unter ande­rem in Nami­bia, Zim­bab­we und im Pila­nes­berg Natio­nal­park erwor­ben und im Madik­we Natur­park aus­ge­wil­dert. Im gigan­ti­schen Aus­maß wer­den gan­ze Her­den von Ele­fan­ten, Büf­feln, Nas­hör­nern, Giraf­fen, Zebras, Tüp­fel­hyä­nen, Löwen, War­zen­schwei­nen, Gepar­den, Anti­lo­pen und sogar sel­te­nen Wild­hun­de sowie ein paar Jagua­re in ihre neue Hei­mat ent­las­sen. 1997 ist die Ope­ra­ti­on Phoe­nix been­det.

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Heu­te tum­meln sich in dem Wild­re­ser­vat 86 Arten Säu­ge­tie­re, wobei sich deren Stück­zahl auf über 16.000 erhöht hat, sowie 420 Vogel­ar­ten. Auch die Flo­ra ist beein­dru­ckend. Dor­ni­ges Busch­land wech­selt mit saf­ti­ger Gras­sa­van­ne, aus der sich impo­san­te Insel­ber­ge erhe­ben. Es gibt über 104 ver­schie­de­ne Baum­sor­ten zu ent­de­cken. Das Jagen ist streng ver­bo­ten und so ver­meh­ren sich die Tie­re mun­ter wei­ter, vor allem die gro­ßen und gefähr­li­chen. Für die Safa­ri-Tou­ris­ten ist das beson­ders spek­ta­ku­lär, denn bei den Game Dri­ves bekom­men sie fast immer Groß­wild zu Gesicht. Für die süßen Impa­las und ande­res Klein­ge­tier ist es nicht ganz so spa­ßig. Seit fünf Jah­ren müs­sen Unmen­gen von Beu­te­tie­ren als Nah­rung zuge­kauft wer­den, damit all die hung­ri­gen Mägen gestopft wer­den kön­nen. Es wird sich zei­gen, ob sich mit der Zeit ein natür­li­ches Gleich­ge­wicht ein­stel­len wird. Das Madik­we Game Reser­ve ver­fügt auch über eine Nur­sery – ein Gebiet, wo Jung­tie­re und Neu­an­kömm­lin­ge sich in geschütz­ter Umge­bung an die Eigen­hei­ten des Reser­vats gewöh­nen kön­nen, bevor sie in die Wild­nis ent­las­sen wer­den.

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Sor­ge machen die Nas­horn­jä­ger. Schon seit Jah­ren stei­gen die Prei­se, die vor allem aus dem asia­ti­schen Schwarz­markt für die kost­ba­ren Hör­ner gezahlt wer­den ins schier uner­mess­li­che. Trotz mas­si­ver Auf­klä­rungs­kam­pa­gnen ist das sel­te­ne Nas­horn in aku­ter Gefahr. Aus der Luft grei­fen die Jäger mit schwe­rem Geschütz an. Oft sind es Ban­den, mit mili­tä­ri­scher Aus­bil­dung, gie­rig nach dem schnel­len Geld. Mit dem Hub­schrau­ber sind sie mobil und für die loka­len Nas­horn­pa­trouil­len fast unfass­bar. Zum Schutz wer­den bereits Nas­hör­ner aus dem Park nach Bots­wa­na gebracht. Hier erwar­tet einen gefass­ten Jäger die Todes­stra­fe. Das schreckt zumin­dest ein wenig ab.

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Das Game Reser­ve wird von einem Zusam­men­schluss von Staat, pri­va­ten Inves­to­ren und loka­len Gemein­den betrie­ben. Die Tou­ris­mus­be­hör­de küm­mert sich vor­ran­gig um Infra­struk­tur und das ope­ra­ti­ve Manage­ment, pri­va­te Inves­to­ren betrei­ben die 31 Game Lodges, die ört­li­che Bevöl­ke­rung arbei­tet für die Lodges im Manage­ment, Ser­vice, als Zulie­fe­rer, oder Ran­ger. Nach­hal­tig­keit ist ein gro­ßes The­ma. Die Dorf­be­woh­ner sol­len nicht nur als Ange­stell­te arbei­ten, sie sol­len wirk­lich teil­ha­ben.

Ein gutes Bei­spiel für die­se Ent­wick­lung ist die Buf­fa­lo Ridge Safa­ri Lodge, die ers­te Lodge Süd­afri­kas, die voll­stän­dig im Besitz einer Dorf­ge­mein­schaft ist. Jede Fami­lie aus Leko­phung hat zur Errich­tung der Lodge mit einer Abga­be von 100 Rand bei­getra­gen. Für man­che Fami­li­en ist das viel Geld und mehr als nur eine sym­bo­li­sche Ges­te. Men­schen, die wäh­rend der Apart­heid ent­eig­net wur­den, besit­zen jetzt eine Luxus-Lodge. Mit den Gewin­nen wer­den loka­le Pro­jek­te unter­stützt, wie die Kli­nik, eine Gärt­ne­rei oder auch die Schu­le.

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Momen­tan sind die Ergeb­nis­se die­ses Unter­fan­gens noch über­schau­bar, da erst der Kre­dit an den Haupt­in­ves­tor, The Natu­re Work­shop, zurück­ge­zahlt wer­den muss. Aber die Rich­tung stimmt. Bereits jetzt hat die Lodge posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Com­mu­ni­ty. Der Natur­park schafft vie­le neue Arbeits­plät­ze. So wer­den vie­le Dorf­be­woh­ner in der Lodge aus­ge­bil­det, fin­den dort eine Anstel­lung und kön­nen bei ihren Fami­li­en blei­ben, da sie nicht ins weit ent­fern­te Johan­nes­burg oder Rus­ten­burg pen­deln müs­sen. Die Lodges sind alle im Pre­mi­um­be­reich ange­sie­delt. Eine Aus­bil­dung in einer die­ser Betrie­be ist eine gute Reve­renz um sich über­all im Land und dar­über hin­aus zu bewer­ben. Der jun­ge, sym­pa­thi­sche Mana­ger der Buf­fa­lo Ridge Lodge ist das bes­te Bei­spiel. God­frey stammt selbst aus Leko­phung und lei­tet nun sou­ve­rän und welt­män­nisch die gesam­te Mann­schaft.

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Ein­mal im Jahr ist die Lodge nicht für zah­lungs­kräf­ti­ge Safa­ri­tou­ris­ten geöff­net. Statt­des­sen behei­ma­tet sie Schü­ler aus dem Dorf. Die Kin­der bekom­men so die Mög­lich­keit die Wild­tie­re zu sehen. Für die meis­ten zum ers­ten Mal in ihrem Leben. Ein deut­sches Klein­kind hat wahr­schein­lich schon mehr wil­de Tie­re im Zoo gese­hen als ein durch­schnitt­li­cher Süd­afri­ka­ner. Doch mit sol­chen klei­nen Pro­jek­ten kann viel bewegt wer­den. Die Kin­der wer­den an ihr natür­li­ches Erbe wie­der her­an­ge­führt und so ent­ste­hen Per­spek­ti­ven, wie zum Bei­spiel der Job des Ran­gers. Immer mehr Locals üben mitt­ler­wei­le die­sen Beruf in Süd­afri­ka aus.

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Mr. Rama­ru­la aus dem 900 See­len-Dorf Mola­te­di weiß eben­falls eine Erfolgs­sto­ry zu berich­ten. Sicht­bar stolz thront der alte Herr auf sei­nem Stuhl im Schat­ten und über­blickt sein Reich. Seit 15 Jah­ren arbei­tet er für den Natur­park. Alles begann mit Jaci und Jan, den Besit­zern von Jaci´s Safa­ri Lodge. Sie inves­tier­ten vor Ort in den agi­len Mann, kauf­ten ihm zwei Fahr­zeu­ge, schul­ten ihn und ver­trau­ten ihm die Wäsche ihrer Luxus­lodge an. Mr. Rama­ru­la bau­te sich über die Jah­re ein gan­zes Impe­ri­um auf und belie­fert nun über 30 Lodges mit fri­scher Wäsche, ent­sorgt ihren Müll und lie­fert Feu­er­holz. Er hat zudem noch einen ört­li­chen Tuck Shop und beschäf­tigt mehr als acht Ange­stell­te. Er kommt gera­de­zu ins Schwär­men über die bei­den hol­län­di­schen Inves­to­ren. Sie haben ihm bei­gebracht ein bes­se­rer Mensch zu sein und sich um die Armen und Bedürf­ti­gen zu küm­mern. Sie glaub­ten an ihn und gaben ihm eine Chan­ce, als er nichts hat­te. Jetzt besitzt er ein gro­ßes Haus, sei­ne Toch­ter konn­te stu­die­ren und macht Kar­rie­re in der Groß­stadt. Er ist geblie­ben, unter­stützt nun die Schu­le mit Mate­ri­al und schafft im Dorf immer neue Arbeits­plät­ze.

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Geschich­ten wie die­se gibt es hier vie­le zu erzäh­len. Das Madik­we Game Reser­ve hat das Leben vie­ler Bewoh­ner für immer ver­än­dert. Ich habe hier tol­le Men­schen getrof­fen, die alle an die­sem gro­ßen, schö­nen Traum arbei­ten. Jetzt schon ist Madik­we ein Vor­bild für ähn­li­che Pro­jek­te in Süd­afri­ka. Und wer ein­mal durch das atem­be­rau­bend schö­ne Busch­land gefah­ren ist und die Freund­lich­keit der Bewoh­ner erfah­ren durf­te, kann nicht anders als nur das Bes­te für die­ses Unter­fan­gen zu wün­schen. Und natür­lich wie­der­kom­men.

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Vie­len Dank an South Afri­can Tou­rism für die Ein­la­dung.

Erschienen am



Antworten

  1. Avatar von Rosa

    Dan­ke für den tol­len Arti­kel! Es ist schön auch mal etwas posi­ti­ves zu lesen. Ich weiß, dass auf der Welt vie­les im Argen liegt und es so unend­lich viel zu tun gibt, wenn man das Schlimms­te, wie das Aus­ster­ben wei­te­rer Arten, ver­hin­dern will. Da tut es gut, von einem sol­chen Pro­jekt zu lesen, dass so vie­len Men­schen und Tie­ren hilft!

    1. Avatar von Ricarda
      Ricarda

      Vie­len Dank Rosa 🙂

  2. Avatar von Daniel Azomji

    Hi Ricar­da,
    Tol­ler Bericht mit schö­nen Fotos!
    Inwie­fern sind die Nas­hör­ner vor Wil­de­rern in Bots­wa­na siche­rer als in dem Park. Nur weil dort die Todes­stra­fe auf’s Wil­dern steht sind sie in ihren Hub­schrau­bern doch wahr­schein­lich trotz­dem schwer fass­bar, oder?

    LG
    Dani­el

    1. Avatar von Ricarda
      Ricarda

      Dan­ke für Dein Lob.
      Die Nas­hör­ner sind über­all in Afri­ka stark gefähr­det, denn die Jäger sind schwer zu fas­sen.
      In der Not wird wohl alles unter­nom­men, was den Tie­ren zumin­dest eine bes­se­re Über­le­bens­chan­ce bie­tet.
      Man­cher­orts wer­den den Nas­hör­nern sogar pro­phy­lak­tisch die Hör­ner abge­schnit­ten, damit sie für die Jäger unin­ter­es­sant sind.
      Auf jeden Fall ein unglei­cher Kampf, den das Nas­horn ver­lie­ren wird, wenn nicht ein Umden­ken bei den »Kon­su­men­ten« die­ser Pro­duk­te ein­tritt.

  3. Avatar von Lynn

    Wow. Per­fek­tes Bei­spiel für Ein­be­zie­hung der Ein­hei­mi­schen und gelun­ge­nen Tou­ris­mus. Gefällt mir rich­tig gut. Das steht jetzt ganz oben auf mei­ner Lis­te für die nächs­te Rei­se ins süd­li­che Afri­ka.

    Dan­ke auch für den tol­len Bericht 🙂

    1. Avatar von Ricarda
      Ricarda

      Vie­len Dank Lynn!
      Madik­we ist auf jeden Fall eine Rei­se wert!

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