Schäfchen zählen in Neuseeland

Ein Grund für unse­re Aus­zeit “Out of Office” war der Wunsch, die inne­re Work-Life-Balan­ce wie­der ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen. Frei nach dem Mot­to: Weni­ger Stress gleich mehr Lebens­qua­li­tät. In Neu­see­land muss­ten wir nun aber erfah­ren, dass zuwei­len neben dem Phä­no­men “Burn-Out” noch eine ande­re Gefahr droht: Being “Bored-out”.

TIME IS RUNNING… NOT

In Ber­lin fie­len wir nach zu vie­len Stun­den im Office und anschlie­ßen­der Fei­er­abend-Action (Bier­chen mit Freun­den, Sport, Kon­zert­be­su­che, …) doch eher spät und erschöpft ins Bett. Jeden Mor­gen drück­ten wir die Nicker­chen-Tas­te des Weckers wie­der und wie­der und kamen eher schwer aus dem Bett.

In Neu­see­land stell­ten wir nun fest, dass die Uhren auch ganz anders ticken kön­nen! Denn wie bereits berich­tet: Hier ist Herbst. Die Land­schaft ist gold­gelb gefärbt, die Stra­ßen wer­den lee­rer, die Luft ist klar und die Tage wer­den kür­zer. Man könn­te auch sagen: die Näch­te sind lang – see­ehhhhhr lang.

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17:00

Der Tag neigt sich lang­sam sei­nem Ende zu. Zeit, einen Stell­platz für die Nacht auf­zu­su­chen.

Schließ­lich wol­len wir heu­te noch im Hel­len was in die Pfan­ne hau­en.

 

18:30

Es ist schon jetzt stock­fins­ter. Also die Head­light raus­su­chen und schnell noch den Abwasch erle­di­gen. Wie es sich für ech­te Cam­per gehört: unter kal­tem Was­ser, um Gas zu spa­ren – ist klar.

 

19:00

Die Zäh­ne sind geputzt (geduscht wird hof­fent­lich mor­gen) und wir lie­gen ein­gemuckelt im Schlaf­sack mit extra dicker Zusatz­de­cke neben­ein­an­der. Lei­der ist das Buch bereits ges­tern als »done!« im Kof­fer­raum ver­schwun­den und Katha­ri­nas aktu­el­len Kri­mi habe schon vor ihr ver­schlun­gen. Hhmm. Der Lap­top Akku ist bereits seit drei Tagen am Ende. Und WiFi? Sowie­so Fehl­an­zei­ge! Also bleibt mir nichts ande­res übrig als noch ne Run­de “4 gewinnt” auf dem iPho­ne zu spie­len.

 

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19:30

Schein­wer­fer­licht – der ein oder ande­re Cam­per kommt also doch noch spä­ter an. Viel­leicht soll­ten wir auch noch abends Kilo­me­ter machen? Rechts von mir wer­den Jus­tus Jonas und sei­ne bei­den Kol­le­gen im Hör­spiel von gleich­mä­ßi­gem Atmen über­tönt. Der blö­de “4 gewinnt”-Computer fällt immer auf den glei­chen finis­hing­mo­ve rein. Zeit, das Spiel zu been­den und in der Media­thek nach einer Play­list zu suchen, die noch kei­ne 20 mal auf unse­rer Rei­se gespielt wur­de – und hof­fen, dass die­se Nacht schnel­ler vor­bei geht als die letz­te. Durch­schla­fen wäre auch mal nicht schlecht.

00:30

Die Wol­ken haben sich ver­zo­gen und der per­fek­te Ster­nen­him­mel schim­mert durch unser Pan­ora­ma­fens­ter. Ich pfriem­le mir den Knopf aus dem Ohr – wo ist denn nur das iPho­ne? Ach, ich lie­ge dar­auf… Ein Blick auf das Dis­play (natür­lich unter dem Schlaf­sack, nicht das ich jeman­den wecke…). Ahhh, erst halb eins. War­um bin ich denn jetzt wach? Und nun? Schäf­chen eins, Schäf­chen zwei, Schäf­chen drei, …

 

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04:05

Kurz die Lage che­cken – alles beim alten. Nur, dass lang­sam der Rücken schmerzt. Wo ist das Han­dy schon wie­der? Bit­te, bit­te lass es schon… Oh no! Erst vier. War­um kann Katha­ri­na eigent­lich jede Nacht zufrie­den zwölf Stun­den (und mehr) schla­fen?

04:30

Was raschelt denn da an der Front­schei­be unse­rer Kar­re? Ver­sucht da einer, den Schei­ben­wi­scher abzu­rei­ßen? Ein Park­ran­ger? Ups, haben wir heu­te Nacht die Stell­platz­ge­bühr in die Dona­ti­onbox gewor­fen? Der Ran­ger wür­de jawohl klop­fen – so wie die Cops im Frank­reich Urlaub. Wie­der das Rascheln! Katha­ri­na ist auch auf­ge­wacht und nuschelt was von “Nach­schau­en”. Ich ver­su­che, mich im Schlaf­sack um 180 Grad zu dre­hen, um durch den Vor­hang nach Vor­ne zu spä­hen. Unfass­bar! Ein Pferd! Nein, zwei Pfer­de, die unse­ren Sei­ten­spie­gel anknab­bern. Dann eine rie­si­ge Nase, die gegen die Heck­schei­be drückt. Das muss ein Traum sein – wie schön, dann schla­fe ich also doch! Fühlt sich nur so echt und wach an!

05:20

Der Mond scheint durch die Heck­schei­be. Die Bla­se drückt, doch der Blick aufs Han­dy bringt die ernüch­tern­de Erkennt­nis, dass ich min­des­tens noch eine hal­be Stun­de lie­gen blei­ben muss, bevor sich das Auf­ste­hen lohnt. Wenn ich näm­lich um sechs Uhr auf­ste­he sind es nur noch 1,5 Stun­den bis Son­nen­auf­gang – also 45 Minu­ten am Strand one way – und die Kame­ra mit­neh­men. So wird’s gemacht.

05:50

Ok, jetzt reicht es. Ich muss hier raus. So lei­se wie es ein 140 x 220 cm gro­ßer Innen­raum zulässt, pel­le ich mich aus dem Schlaf­sack. Katha­ri­na fragt, was los ist. »Hey, wei­ter­schla­fen, ich ähhh geh mal den Son­nen­auf­gang foto­gra­fie­ren. Wie spät? Noch zu früh. Also bis gleich.«

 

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07:15

Der ers­te Son­nen­strahl kommt durch die Wol­ken am Hori­zont. Zeit, zurück zum Auto zu gehen – Zeit für einen Kaf­fee. Katha­ri­na lacht mich an und fragt, wie ver­rückt denn der Besuch der Pfer­de heu­te Nacht war. Doch kein Traum!

Viel­leicht soll­te ich es heu­te Abend mal mit Bal­dri­an Tee oder Rot­wein zum Abend­brot? Oder ein­fach wei­ter Schäf­chen zäh­len.

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Antworten

  1. Avatar von Seiya

    Oh da bin ich aber mal gespannt ob mir sowas auch noch pas­siert.
    Bin erst vor zwei Wochen hier in Neu­see­land gelan­det und des­halb ist noch alles neu und auf­re­gend, sodass ich gut abends ein­schla­fen kann 🙂
    Ich habe momen­tan eher damit zu kämp­fen, dass ich zwar kei­nen wirk­li­chen Jet­lag habe, aber durch die gan­zen auf­re­gen­den Sachen immer spä­tes­tens um 9 Uhr schon total müde bin und ins Bett fal­len könn­te.
    Aber naja viel­leicht wirds ja mit der Zeit bes­ser.

  2. Avatar von Ingi
    Ingi

    Sehr inter­es­sant… Ich lie­be Neu­see­land!

  3. Avatar von Mah

    lach. und zu hau­se fragt man sich ann wie­der, wie man eigent­lich so doof sein konn­te und das nicht rich­tig zu schät­zen wuss­te 😀

    1. Avatar von Henryk

      Du sagst es. Mir graut es auch schon davor in zwei Wochen zurück in Deutsch­land zu sein – zurück im All­tag …und über­mü­det im Office.

  4. Avatar von Annika

    Ok – Bored-Out Schlaf­lo­sig­keit ist auch nicht super, aber in so traum­haf­ter Umge­bung und mit dem Wis­sen dass es gar nicht schlimm ist wenn man am nächs­ten Tag viel­leicht ein biss­chen müde ist, ist es doch nur halb so schlimm oder? Ich bin ganz oft schlaf­los weil ich an viel zu viel den­ke und dann dar­an dass es schon so spät ist und dass ich eigent­lich schla­fen müss­te und dann an den nächs­ten Tag an dem ich im Büro irgend­wie wie­der voll fit sein muss.… Ach – ich wäre auch ger­ne schlaf­los in Neu­see­land
    Lie­be Grü­ße
    Anni­ka

    1. Avatar von Katharina

      Ach­ja, Recht habt ihr… Das ist /​ war schon ein ech­tes »Luxus­pro­blem«! War ja auch mit einem Augen­zwin­kern geschrie­ben. Im Moment in Lha­sa auf über 3.000 Metern ist die Schlaf­lo­sig­keit noch ein­mal eine ganz ande­re. Aber auch an die­ser Stel­le wie­der… Ich bin lie­ber still, denn natür­lich ist es hun­dert mal schö­ner, als wenn am Mon­tag mor­gen der Wecker klin­gelt und das Büro war­tet. In die­sem Sinne…Öfter in die Fer­ne schwei­fen!

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