Then came spring,
the great time of traveling,
and ever­y­body in the scat­te­red gang
was get­ting ready to take one trip or another.

Jack Kerouac | On the road

Sechs Uhr in der Früh. Das Rau­schen der Straße nehme ich wahr bevor ich die Augen öffne. Ich bli­cke neben mich. Du schlum­merst noch, doch ich ent­de­cke ein lächeln­des Zucken. Dann öff­nest du die Augen, schaust mich an. Zer­knit­tert gra­ben wir uns noch­mals in die Laken. Und Kis­sen. Und küs­sen. Ich stehe auf, setze Was­ser auf. Du schal­test unsere Musik an. Die erste Stro­phe unse­res Tages beginnt. Noch im Bett, schlaf­trun­ken und still trin­ken wir den ers­ten Kaf­fee. Tau­schen Gedan­ken aus. Über­le­gen was wir an die­sem neuen Tag erle­ben wol­len. Oder eben nicht.
Sodann folgt ein rou­ti­nier­ter Hand­griff dem nächs­ten. Ich wasche die Tas­sen aus. Du machst das Bett. Wir waschen uns. Ich fil­tere und fülle genug Was­ser für den Tag, packe unsere Tasche: Kar­ten, Was­ser, Blech­scha­len mit Proviant.

Die letzte Nacht war kurz, die Fahrt zuvor sehr lang. Erschöpft haben wir direkt an der von der Sonne auf­ge­heiz­ten Straße geparkt. Neben uns hören wir nun den ers­ten kal­ten Motor. Der Tag beginnt. Leich­ter Die­sel­ge­ruch kämpft sich durch das Fens­ter. Wir ste­hen inmit­ten vie­ler Trucks an einer rie­si­gen Tank­stelle. True Romance. Du gehst nach drau­ßen, checkst das Öl. Ich mach hin­ten alles dicht. Schrank­tü­ren ver­rie­geln, Fens­ter zu, Luken dicht, Tür ver­rie­geln, Lei­ter rauf. Ein­stei­gen. Ein Kuss. Motor star­ten. Freude! Glück! Ich freu mich auf einen wei­te­ren Tag mit dir. On the road. Und wäh­rend ich die Melo­die der Straße atme, dem Takt der Boden­wel­len fol­gend, sinne ich dar­über nach was ihn so gut macht … die­sen Roadtrip.

 

It’s time to leave this town, it’s time to steal away
Let’s go get lost any­where in the USA
Let’s go get lost, let’s go get lost …
Blue you sit so pretty west of the one
Sparkle light with yel­low icing just a mir­ror for the sun
Just a mir­ror for the sun
Just a mir­ror for the sun
These smi­ling eyes are just a mir­ror for …

Red Hot Chili Pep­pers | Road Trip­pin’

 

Es geht um die Frei­heit. Die Frei­heit auf­zu­ste­hen wenn die Vögel uns wecken. Die Frei­heit ein­zu­schla­fen wenn die Gril­len ihr lau­tes Kon­zert – oder die wil­den Hunde ihre Ode an die Nacht been­den. Die Frei­heit anzu­hal­ten, wo es uns gefällt. Anhal­ten. Abbie­gen. Umkeh­ren. Die Frei­heit wei­ter­zu­fah­ren, wenn das Fie­ber uns treibt. Die Frei­heit zu blei­ben bis wir nicht mehr wol­len, zu gehen sobald es genug ist. Ich schaue dich an und wir beide wis­sen im sel­ben Moment ob wir unser Lager auf­schla­gen. Oder eben nicht.

Es geht um die Frei­heit, genug Was­ser und Pro­vi­ant für mehr als zwei Wochen dabei zu haben. Es geht um die Frei­heit off the road! Frei sein von Laden­öff­nungs­zei­ten. Frei von Infra­struk­tur, von flie­ßend Was­ser und Strom aus der Leitung.
Wir sind frei von Fahr­plä­nen, von Abfahrts­zei­ten, von Zügen, von Bus­sen, von Hotel­zim­mern, von reser­vier­ten Plät­zen. Du zeigst mir die zer­knit­terte Karte und tippst mit dem Fin­ger auf das nächste Ziel. Die Route unse­rer Her­zen anstatt der Stamm­stre­cke. Manch­mal führt das zu nichts. Dann lachen wir.

 


Come in, come in
To this won­derful life
If you can find it
And if you find it
It’s a won­derful life that you bring
It’s a won­derful, won­derful thing
It’s a won­derful life

Nick Cave | Won­derful life

 

Es geht um das Leben. Wir (er)leben Voll­monde in der Prä­rie. Wir leben für kurze Zeit in einem Fluss­bett. Hin­ter die­sem Hügel. Dort in jenem Tal. Hier. Wir leben hier. Wir leben jetzt. Wir erle­ben den frü­hen Mor­gen inmit­ten die­ser erbar­mungs­los pul­sie­ren­den Stadt. Wir erle­ben unzäh­lige Ster­nen­him­mel über unse­rem Bett.

Wilde Apri­ko­sen pflü­cken. Balan­cie­ren auf Bam­bus­stan­gen. Stock­brot backen am Lager­feuer. Wäsche waschen mit der lächeln­den Bau­ers­frau am Fluss. Schla­fen auf dem Dach des Trucks. Baden in den Ster­nen. Baden in einer ver­steck­ten Höhle. Der Bach, der See, der Fluss, das Meer – nah, wahr, unmit­tel­bar. Schwim­men, kurz nach dem Erwa­chen des Tages. Schwim­men, des Nachts und nackt wie der Him­mel uns schuf.
Berge, Kälte, Wei­ten, Ebe­nen. Der Him­mel! Ein Erleb­nis! Wir leben. Wir leben, weil wir nicht wis­sen was mor­gen ist. Ich erlebe mich. Ich erlebe dich. Wir erle­ben uns. Zu zweit alleine. Mit­ein­an­der. Wir leben!

 


With these riches we walk & walk
We give to this time all that we got
We play it this way cuz this is how we feel
It means so much to me when the pre­tend beco­mes real

John Fru­sci­ante | Remain

 

Es geht um die Zeit. Die Zeit auf der Straße. Die Zeit mit dir. Mehr Zeit mit dir als es uns irgendwo sonst mög­lich wäre. Zeit. Die täg­li­che Unver­gäng­lich­keit. Wir fah­ren. Mono­tone doch so ein­dring­li­che, spür­bare Land­schaf­ten zie­hen an uns vor­bei. Ich habe Zeit für mich. Wir haben Zeit für uns. Die Zeit für das Nichts. Jetzt. Gera­de­wegs. Aus Wochen wer­den Monate. Aus heute wird mor­gen und mor­gen ist heute ges­tern. Aber jetzt ist heute. Jeden Tag ist heute. Die Zeit für das Inne­hal­ten. Die Zeit für die Lan­ge­weile – so ver­pönt und doch so ergrei­fend. Die Lan­ge­weile. Wie köst­lich wenn die Weile eine Schöne ist. Wir sind zeit­los. Wir sind die Zeit los. Nur wir. Und unser Zuhause. Ich bin. Du bist. Wir sind. Jetzt.

 


When it’s hot up there
And you got no air, slow down
You just need some time
To fall back in line, slow down

Slow Down | Mor­cheeba

 

Es geht um die Lang­sam­keit. Die Lang­sam­keit in Echt­zeit. Die Lang­sam­keit im eige­nen Tempo. Nicht vom Flie­ger in einer irrea­len Welt aus­ge­spuckt zu wer­den. Unser zur Lang­sam­keit ver­don­ner­tes Fahr­zeug wird noch in sei­ner Geschwin­dig­keit gedros­selt. Wir blät­tern die Sei­ten unse­rer Geschichte nur lang­sam um, damit wir län­ger etwas davon haben. Die Lang­sam­keit ver­än­dert die Kul­tur kaum spür­bar. Gesich­ter. Gebäude. Fahr­zeuge. Land­schaf­ten. Men­schen. Vom Okzi­dent zum Ori­ent. Ent­schleu­nigte Ver­än­de­rung. Slow motion in real time. Aus Kirch­tür­men wer­den Min­ne­rette, dann nahezu unmerk­lich bunte Tem­pel. Wüs­ten wer­den zu Wäl­dern, Sin Cities wer­den zu fried­li­chen Wüs­ten, Ein­öden zu bun­ten Oasen.
Du erzählst mir beim Fah­ren was du ent­deckst. Erklärst mir, was dich bewegt. Wir tau­schen uns aus über all das Erlebte. In Echt­zeit. Wäh­rend wir uns bewe­gen. Ich bewege mich. Du bewegst dich. Wir bewe­gen uns gemein­sam und den­noch blei­ben wir ste­hen auf eine ganz ver­zau­berte Weise.

 


Oh! Can any­body see the light
Where the morn meets the dew and the tide rises?
Did you rea­lize no one can see inside your view?
Did you rea­lize for why this sight belongs to you?

Port­is­head | Stran­gers

 

Es geht um das Dazwi­schen. Die große Moschee. Das alte Klos­ter. Oder das Dazwi­schen? Der höchste Pass. Das tiefste Tal. Oder das Dazwi­schen? Der Place-to-be. Das Must-See. Oder das Dazwi­schen? Dazwi­schen ist wahr­lich nicht alles schön – doch wahr­lich ist es ergrei­fend. Scho­nungs­los. Dazwi­schen sind unbe­kannte Dör­fer, dazwi­schen sind unbe­fah­rene Stra­ßen und wenn es schön ist, wer­den wir blei­ben. Irgendwo dazwi­schen. Wir schla­fen irgendwo dazwi­schen. Wir essen irgendwo dazwi­schen. Und dazwi­schen ver­fah­ren wir uns und fin­den Ivans Groß­mutter – die wun­der­volle Bau­ers­frau. Wir fin­den den ein­sa­men Hir­ten der uns mit einer alten Dose um einen Schluck Die­sel für seine Laterne bit­tet. Wir wer­den gefun­den von den Kin­dern des klei­nen Dor­fes. Und wir fin­den immer irgend­eine Straße die uns da hin bringt … irgendwo nach Dazwischen.

 


Let me sleep all night in your soul kitchen
Warm my mind near your gentle stove
Turn me out and I’ll wan­der baby
Stumb­lin‘ in the neon groves

Patti Smith | Soul Kit­chen

 

Es geht um das Zuhause. Zuhause ist es am Schöns­ten. Zuhause riecht es gut. Zuhause gibt es Plätze für Sachen. Zuhause sind meine Lieb­lings­dinge. Zuhause spüre ich Wärme. Zuhause gibt es selbst­ge­machte Ing­wer­suppe wenn du krank bist. Zuhause ist die letzte Tafel Scho­ko­lade gegen Sehn­sucht, tief ver­staut in irgend­ei­ner Kiste. Zuhause gibt es eine Wärm­fla­sche. Und ein Nest. Zuhause kann ich mich ver­krie­chen. Zuhause heilt meine Seele. Zuhause komme ich an.

Also haben wir es mit­ge­nom­men: unser Zuhause. Ich liebe unser Bett, unsere eigene Dusche, unsere klei­nen und weni­gen Hab­se­lig­kei­ten, die Fotos unse­rer Freunde am Kopf­ende des Bet­tes, meine Bücher, deine Bücher, dei­nen Geruch in mei­nem Kopf­kis­sen. Wenn wir irgendwo auf der Welt müde und erschöpft sind, sagst du „Lass uns nach Hause gehen!“ An einem Ort an dem ich mich fürchte, öff­nest du mir die Tür, wir stei­gen ein, schlie­ßen von innen zu. Und sind: zuhause.

 


 

When­ever I’m alone with you
You make me feel like I am home again
When­ever I’m alone with you
You make me feel like I am whole again

The Cure | Love­song

 

Es geht um die Liebe. Ich liebe die­ses Leben. Ich liebe die Straße. Ich liebe das end­lose Fah­ren. Weil es mit dir ist. Ich liebe unser Zusam­men­sein. Ich liebe die Musik die wir hören wäh­rend wir an der wei­ßen Linie ent­lang fah­ren. Ich liebe es, dir so nah zu sein. Ich liebe es, dies alles tei­len zu kön­nen. Ich liebe es, dies alles mit dir zu tei­len. Ich liebe das Unge­wisse. Ich liebe das Hier und das Jetzt. Ich liebe es nicht zu wis­sen, was mor­gen pas­siert. Ich liebe das Fremde und unser Zuhause. Wir sind kom­plett. Wir sind ganz. Ich liebe dich dafür.

 


But I miss you
But there’s no comin‘ home
There’s no comin‘ home
With a name like mine
I still think of you
But ever­yone knows
Yeah ever­yone knows
If you care then let it go

Radi­cal Face | Ghost Towns

 

Und es geht um Sehn­sucht. Die Sehn­sucht derer man sich nur gewahr wird beim Vor­bei­zie­hen der Land­schaft an einer war­men Fens­ter­scheibe im Auto. Sehn­sucht die man spürt beim zeit­lo­sen Gera­de­aus­fah­ren auf schein­bar end­lo­sen Stra­ßen. Die Gedan­ken und Gefühle fol­gen dem mono­to­nen Takt der dicken wei­ßen Stri­che auf dem High­way. Diese süß trau­rige, warm melan­cho­li­sche, immer­wäh­rende Sehn­sucht nach Weite, nach Fort­set­zung der lan­gen Reise namens Leben. Aber auch Sehn­sucht nach allem was man wäh­rend des Lebens on the road nur im Her­zen bei sich tra­gen kann. Sehn­sucht nach den Men­schen die man unend­lich liebt. Sehn­sucht nach den See­len denen man sich trotz der Ent­fer­nung so nahe oder gar noch näher fühlt. Sehn­sucht nach Wie­der­se­hen. Und dann darf man sich in die­ser süßen Sehn­sucht, in der man sich so unend­lich spürt erträn­ken und wei­nen – mit Pau­ken und Trom­pe­ten. Das Meer von Trä­nen ver­mischt sich mit dem Wind der durch das Fens­ter hin­ein­weht. Und dann darf man sich freuen und wei­nen vor Glück – mit Pau­ken und Trom­pe­ten – über alles was da ist und da sein wird und auf alles was folgt und auf das Ende die­ser Straße, das es doch eigent­lich gar nicht gibt.

 

 


Cate­go­riesWelt
Jennifer und Peter Glas

Ihr erstes gemeinsames Zuhause ist ein Unimog-Van. Jen und Peter kennen sich erst vier Monate, als sie beschließen, zusammen die Welt zu befahren – ihre Hochzeitsreise wird ein epischer Roadtrip.
Die abenteuerliche Hochzeitsreise von München über den Balkan, Iran, Oman, Indien und Südostasien bis nach Wladiwostok verfolgen tausende Fans auf ihrem Blog Glaarkshouse.
Jetzt auch als wunderschöner Lese-Bildband erhältlich: ROADTRIP - Eine Liebesgeschichte von Jen und Peter Glas. Überall wo es Bücher gibt und in unserem Online-Shop.

  1. Andi says:

    So ein gei­ler Bericht! Ganz anders als die meisten…
    Vol­ler Fee­ling und Poesie!
    Danke dafür…
    Jetzt häm­mert es wie­der in mir…
    die­ses… Fernweh!

    1. Jen says:

      Oh Andy, vie­len Dank für deine lie­ben Worte!
      Das ist ein schö­nes Feedback!
      Genieße es, dein Fernweh!
      Die Vor­freude auf die nächste Reise ist so schön!

  2. Susan says:

    Tol­ler Arti­kel, der Vor­freude auf unse­ren bal­di­gen Road­trip macht. Ihr habt einen Super-Musik­ge­schmack, näm­lich meinen! :-)
    Viele Grüße, Susan

    1. Danke, Susan!
      Wo soll es denn hin­ge­hen? Viel Freude auf eurem Road Trip …
      und ja … die rich­tige Musik dazu darf nie fehlen.
      Herz­lich, die Jen.

  3. Anja says:

    Was für ein Glück, das Zuhause mit auf Rei­sen neh­men zu können.
    Danke für den schö­nen Text und die wun­der­ba­ren Bil­der. Ihr habt mir den Mor­gen versüßt.

    1. Hi there, Anja.
      Die Idee, das Zuhause mit­zu­neh­men war eine unheim­lich Gute! Wir wis­sen es jeden Tag zu schät­zen, auch wenn man­che Dinge oder Rou­ten dadurch kom­pli­zier­ter werden.
      Einen wun­der­schö­nen süßen Mor­gen dir!

  4. Julia says:

    Wun­der­schön! Da sind bei mir doch tat­säch­lich ein paar Trä­nen gekul­lert, wäh­rend ich das in der Arbeit lese und mich auf Rei­sen wünsche…

    1. Liebe Julia,
      Ich finde, sehn­suchts­volle Trä­nen sind etwas sehr Kost­ba­res. Sind sie nicht auch ein Antrieb für jeg­li­che Rei­sen? Auch für die an Ort und Stelle …
      Schö­nes Reisen!

  5. Nina says:

    Was für ein schö­ner Arti­kel, ich habe grade rich­tig Gän­se­haut! Wun­der­schön geschrie­ben! Danke Euch für die schö­nen Worte!

    Liebe Grüße,

    Nina

  6. Susanne says:

    Wun­der­bar! Berüh­rend, ergrei­fend, zum Inne­hal­ten anre­gend und zum Träu­men. Zum Nach­den­ken über Gott und die Welt und über mich. Die eigene Sehn­sucht spü­ren und den Traum vom Frei sein, auf dem Weg sein…

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