Rio Dulce – Tor zu Guatemalas Karibikküste

Rio Dulce

Das knapp 8000-See­len-Dorf Rio Dul­ce am gleich­na­mi­gen Fluss in Gua­te­ma­la ist einer der skur­rils­ten Orte, die mir bis­her unter­ge­kom­men sind. Lau­tes Tro­pen­kaff, ehe­ma­li­ges Pira­ten­nest, gleich­zei­tig Rei­se­blog­ger-Hoch­burg und Alters­wohn­sitz für Rei­che samt Yacht. Erwar­tet hat­te ich nach mei­ner beschei­de­nen Recher­che ein abge­schie­de­nes, ruhi­ges Dorf mit­ten in der Natur.

Gulasch im Dschungel von Rio Dulce

Als uns der muf­fi­ge, klapp­ri­ge Toyo­ta-Klein­bus in Creme­weiß nach acht Stun­den rasan­ter Fahrt end­lich in Rio Dul­ce aus­spuckt, trifft mich die feuch­te Hit­ze – nach der küh­len Berg­luft Anti­gu­as – wie ein Schlag ins Gesicht. Jeder Atem­zug scheint um ein Viel­fa­ches anstren­gen­der. Unse­re Klei­dung fühlt sich im Nu klamm und feucht an, der Schweiß rinnt uns aus allen Poren. Der Him­mel über Rio Dul­ce ist von schwe­ren, grau­en Wol­ken ver­han­gen. Es hat die letz­ten Tage durch­ge­hend gereg­net.

Mit meh­re­ren Dut­zend ande­ren Back­pa­ckern wer­den wir in ein klei­nes Café gescheucht, dort benach­rich­tigt man unse­re Unter­kunft – die Casa Per­i­co. Ein gro­ßer Teil des Ver­kehrs von und nach Rio Dul­ce läuft über moto­ri­sier­te Kanus auf dem gleich­na­mi­gen Fluss. Die meis­ten Unter­künf­te sind nur per Boot zu errei­chen. Wir beob­ach­ten, wie nach und nach ein­zel­ne Grüpp­chen von Back­pa­ckern hin­un­ter an einen klei­nen Holz­steg geführt wer­den, um dort ihr Boot zur Unter­kunft zu bestei­gen.

Kurs auf die Casa Per­i­co – der Kapi­tän hat alles im Griff

Uns irri­tie­ren die vie­len älte­ren, zumeist stark über­ge­wich­ti­gen Herr­schaf­ten, die dort eben­falls anle­gen und die Regen­pau­se zum Ein­kau­fen im angren­zen­den, moder­nen Super­markt „La Tor­re“ nut­zen. „Wer zum Feu­del sucht sich denn das Kaff hier als Alters­wohn­sitz aus?“, brüllt Yan­nik über den Lärm des Ver­kehrs auf der löch­ri­gen Haupt­stra­ße Rio Dul­ces hin­weg. Spä­ter soll­ten wir erfah­ren, dass Rio Dul­ce vor allem bei gut betuch­ten Ame­ri­ka­nern mit Yacht ein belieb­tes Domi­zil ist, da der Fluss von der ame­ri­ka­ni­schen Regie­rung als tor­na­do- und hur­ri­ca­ne­si­che­rer Anker­platz in der Kari­bik beti­telt wur­de.

End­lich wer­den auch wir zu unse­rem Boot geschickt, gemein­sam mit einem wei­te­ren deut­schen Pär­chen in unse­rem Alter, das sich nicht zu einem „Hal­lo“ hin­rei­ßen las­sen kann. Die moto­ri­sier­te Nuss­scha­le hüpft über­mü­tig über das schlamm­brau­ne Was­ser des brei­ten Stroms, der sei­nem Namen kei­ne Ehre macht. Der „süße Fluss“ gleicht einer Haupt­ver­kehrs­stra­ße, deren dschun­gel­grü­ne Buch­ten gesäumt sind von schnee­wei­ßen Vil­len und Yach­ten. Über ihm streckt sich todes­mu­tig die Brü­cke nach Petén, auf der röh­rend und schnau­fend ros­ti­ge Last­wa­gen schwar­ze Abgas­wol­ken in den Him­mel bla­sen.

Nach weni­gen Minu­ten ver­las­sen wir den Haupt­arm des Flus­ses, bie­gen an einem klei­nen Yacht­ha­fen vor einem schi­cken Hotel nach links ins Grü­ne ein. Schnell ver­siegt der Lärm, wäh­rend sich links und rechts von uns hohe, von Moos und Bro­me­li­en bewach­se­ne Bäu­me erhe­ben. Wir tuckern um eine Kur­ve und vor uns liegt die Casa Per­i­co. Über einen Steg betre­ten wir das auf Stel­zen erbau­te offe­ne Haupt­haus und wer­den auf Deutsch begrüßt. Den Schwei­zer Besit­zer hat es vor gut zehn Jah­ren hier­her ver­schla­gen.

In der Luft liegt der unver­kenn­ba­re Hos­tel-Back­pa­cker-Vibe, für den wir uns mit Ende zwan­zig bzw. Anfang drei­ßig eigent­lich schon zu alt füh­len. Zwei Gemein­schafts­bä­der und meh­re­re Schlaf­hüt­ten auf Stel­zen wer­den für die nächs­ten fünf Tage unser Zuhau­se sein. Ent­kom­men nur übers Was­ser. Im Restau­rant gibt es Bier, Gulasch mit Spätz­le und Lasa­gne. Leicht beschwipst träu­men wir mit ande­ren deut­schen Back­pa­ckern vom eige­nen Bau­ern­hof, wäh­rend uns die schwü­le Luft noch immer den Atem nimmt und die Man­nig­fal­tig­keit des Dschun­gels sein all­abend­li­ches Kon­zert beginnt. Eine Situa­ti­on ad absur­dum.

Die Casa Per­i­co liegt kom­plett auf Stel­zen erbaut ver­steckt im Regen­wald

Mit dem Minibus zur Piratenburg

Es schüt­tet, als wir am nächs­ten Mor­gen mit dem Boot in die Stadt auf­bre­chen. Die Bewoh­ner Rio Dul­ces gehen davon unbe­ein­druckt ihren Geschäf­ten nach, wei­chen geschickt den Pfüt­zen und Rinn­sa­len aus, die sich auf der löch­ri­gen Stra­ße und den schlam­mi­gen Sei­ten­strei­fen gebil­det haben. Wir sind die Ein­zi­gen mit Regen­ja­cke und fes­ten Schu­hen. Typisch West­ler. Doch wie so oft sind die Locals unse­rer High­tech-Gear vor­aus, und wir seh­nen uns danach, die durch­näss­ten Schu­he gegen ihre Gum­mi-Lat­schen zu tau­schen.

Mit dem Coll­ec­tivo – den gua­te­mal­te­ki­schen Mini­bus­sen – fah­ren wir zum Cas­til­lo de San Feli­pe de Lara. Ganz geheu­er scheint das den Locals, die mit Kind und Kegel jeden Zen­ti­me­ter des Bus­ses aus­fül­len, nicht zu sein. Anschei­nend bevor­zu­gen die ansäs­si­gen Wei­ßen eher ihre eige­nen Fort­be­we­gungs­mit­tel. Wir beob­ach­ten, wie der Ticket­ver­käu­fer von sei­nem Steh­platz an der Tür aus ver­stoh­len ein Sel­fie mit uns im Hin­ter­grund knipst und es per Whats­App ver­sen­det.

Eine Fahrt mit dem Coll­ec­tivo ist immer ein Aben­teu­er

Es ist ein selt­sa­mes Gefühl. Wir Euro­pä­er maßen es uns ja ganz ger­ne an, uns über­all wie zu Hau­se zu füh­len, ver­ges­sen schnell, dass auch wir mal nur Gast sind, dass wir mal „die Ande­ren“ sind. Was den­ken unse­re Sitz­nach­barn in die­sem Bus über uns? Fin­den sie es gut, dass wir hier sind? Dass wir „ihren“ Bus nut­zen? Ich wage einen Ver­such und läch­le den klei­nen Jun­gen auf dem Sitz neben mir freund­lich an. Sei­ne Mut­ter hat­te ihn zuvor auf ihren Schoß genom­men, damit ich einen Sitz­platz im Bus bekom­me. Er schaut kurz fra­gend zu ihr auf, dann schen­ken mir bei­de ein strah­len­des Lächeln.

Ich bewun­de­re die Schön­heit der Gua­te­mal­te­kin­nen. Ihre Haut hat die Far­be von dunk­lem Honig, die sanf­ten Gesichts­zü­ge und die dunk­len, man­del­för­mi­gen Augen wer­den von lan­gem, schwar­zem Haar umrahmt. Kurz­haar­schnit­te sind hier nicht in Mode. Auch die älte­ren, oft zahn­lo­sen Müt­ter­chen tra­gen ihre von grau­en Sträh­nen durch­zo­ge­nen Haa­re in einem lan­gen gefloch­te­nen Zopf oder einem peni­blen Kno­ten am Hin­ter­kopf. Die kan­ti­ger gewor­de­nen Züge der Älte­ren spre­chen von Erfah­rung und Stolz.

Das Fort San Feli­pe de Lara befin­det sich eini­ge Kilo­me­ter außer­halb der Stadt auf einer Land­zun­ge am Lago Izabal, bezie­hungs­wei­se am Beginn des Rio Dul­ce. Im 17. Jahr­hun­dert erhoff­ten sich die spa­ni­schen Kolo­ni­al­her­ren, so ihre Schif­fe und Häfen vor ein­drin­gen­den Pira­ten zu schüt­zen. Wie Hol­ly­wood uns gelehrt hat, waren Pira­ten lis­tig und skru­pel­los und konn­ten das klei­ne Fort ab 1604 immer wie­der ein­neh­men und teil­wei­se zer­stö­ren. In den 1650ern sol­len dort sogar kurz­zei­tig die „Her­ma­nos de la Cos­ta“ – „Die Brü­der der Küs­te“, eine inter­na­tio­na­le Pira­ten­ge­mein­schaft, gehaust haben. Erst im spä­ten 18. Jahr­hun­dert gelang es den Spa­ni­ern, die Anla­ge aus­rei­chend zu sichern und die bis ins frü­he 19. Jahr­hun­dert statt­fin­den­den Pira­ten­an­grif­fe abzu­weh­ren.

Aus­blick aus dem Cas­til­lo San Feli­pe de Lara in Rio Dul­ce

Durch einen hübsch ange­leg­ten Park inklu­si­ve Strand­bad und Pool mit See­blick schlen­dern wir auf die Anla­ge zu, die heu­te restau­riert zwi­schen Pal­men steht. Mit der Zug­brü­cke über den mit Was­ser gefüll­ten Ver­tei­di­gungs­gra­ben könn­te es glatt eine Film­ku­lis­se sein. Wir schlen­dern durch die Mau­ern, beu­gen uns über die schwe­ren Kano­nen, die noch immer in den Schieß­schar­ten ste­hen, und zwän­gen uns durch enge Durch­gän­ge über schma­le Trep­pen­stu­fen nach unten in das ehe­ma­li­ge Ver­lies. Es ist stock­fins­ter, das Was­ser steht knö­chel­hoch. Der mod­ri­ge Atem der Geschich­te hängt in der Luft.

Wir sind uns nicht sicher, ob wir hier sein dür­fen. Tas­tend zwän­gen wir uns durch einen wei­te­ren Schacht und ent­de­cken schließ­lich eine höl­zer­ne Lei­ter, die wie­der nach oben ans Licht führt. Mit einem lau­ten Prus­ten stre­cke ich mei­nen Kopf durch die klei­ne Öff­nung im Boden, quet­sche mich hin­durch und ern­te sehr ver­dutz­te und leicht alar­mier­te Bli­cke einer gua­te­mal­te­ki­schen Groß­fa­mi­lie. Ich möch­te mir lie­ber nicht aus­ma­len, wel­ches Grau­en die Pira­ten dort unten erlebt haben moch­ten. Dage­gen wir­ken die Zel­len Port Royals, in denen Jack Spar­row in „Fluch der Kari­bik“ ein­sitzt, regel­recht luxu­ri­ös.

Cas­til­lo San Feli­pe de Lara in Rio Dul­ce

Unterwegs auf dem Rio Dulce

Regen und Gischt peit­schen uns unbarm­her­zig ins Gesicht. Auf der blau­en Pla­ne, in die wir uns gewi­ckelt haben, bil­den sich bereits Pfüt­zen, die uns in dün­nen Rinn­sa­len die Bei­ne hin­ab in die Schu­he lau­fen. War­um muss­ten wir uns auch ganz vor­ne an den Bug der über­dach­ten Lan­cha set­zen? Zusam­men mit einem Pär­chen aus den Nie­der­lan­den und einer Back­pa­cke­rin aus der Schweiz unter­neh­men wir heu­te die legen­dä­re Fahrt den Rio Dul­ce hin­un­ter, bis hin­aus aufs kari­bi­sche Meer zu dem klei­nen, unter Back­pa­ckern sehr belieb­ten Ort Living­ston. Der Küs­ten­ort ist bekannt für sei­ne unge­wöhn­li­che Mischung an Eth­ni­en. Vor allem die Gari­fu­na, eine afro­ka­ri­bi­sche Volks­grup­pe, prä­gen ihn. Sie kamen 1802 als Flücht­lin­ge von der Kari­bik­in­sel Roa­tán und blie­ben. Die alt­ein­ge­ses­se­nen Pira­ten­fa­mi­li­en zogen sich ins Umland zurück und grün­de­ten ihre eige­nen Sied­lun­gen, die noch heu­te ihren Namen tra­gen.

Wir hat­ten den Trip vor allem wegen der Fahrt über den Rio Dul­ce gebucht, die spek­ta­ku­lä­re Aus­sich­ten auf unbe­rühr­te Natur ver­sprach. Alles, was wir wäh­rend der ers­ten ein­ein­halb Stun­den sehen, ist eine graue Wand aus Regen. Erst als wir den See El Gol­fe­te ver­las­sen, wo der Rio Dul­ce an sei­ner brei­tes­ten Stel­le etwa fünf Kilo­me­ter misst, klart der Him­mel schlag­ar­tig auf.

Die Schön­heit Rio Dul­ces ver­steckt sich hin­ter einem dich­ten Regen­schlei­er

Das Was­ser – kurz zuvor nur als grau-brau­ne Brü­he erkenn­bar – strahlt in allen Grün­tö­nen, das tie­fe Grün des Regen­wal­des hebt sich schil­lernd von den wei­ßen Klip­pen des Can­yons Rio Dul­ce ab. Der Gesang aber­tau­sen­der, für unse­re unge­üb­ten Augen unsicht­ba­rer Vögel über­tönt das trä­ge Brum­men unse­res moto­ri­sier­ten Boo­tes. Wie aus dem Nichts tau­chen unter den tief hän­gen­den Ästen der Bäu­me am Ufer klei­ne höl­zer­ne Kanus auf. Gera­de so groß, dass ein Mann hin­ein­passt. Sie müs­sen die gan­ze Zeit schon dort in Ufer­nä­he nach Fischen Aus­schau gehal­ten haben, denn ihre ent­blöß­ten Ober­kör­per glän­zen nass im Schein der Son­ne. Von jetzt auf gleich fin­den wir uns in einer ande­ren Welt wie­der. Einer Welt, in der die moder­ne Zivi­li­sa­ti­on noch nicht ange­kom­men zu sein scheint (abge­se­hen von uns und unse­rem moto­ri­sier­ten Boot).

Schein­bar unbe­rühr­te Natur am Rio Dul­ce

Livingston – von vergangenem Glanz und heutigem Verfall

Immer höher wer­den die Klip­pen, immer schmä­ler der Fluss. Bis sich der Rio Dul­ce schließ­lich in den Golf von Hon­du­ras und damit in das Kari­bi­sche Meer ergießt. Der Urwald weicht Pal­men, und auf der lin­ken Ufer­sei­te kommt das auf den ers­ten Blick far­ben­fro­he, auf den zwei­ten Blick ziem­lich her­un­ter­ge­kom­me­ne Living­ston in Sicht. Boo­te ros­ten an den Anle­ge­stel­len vor sich hin, ein Gewirr aus tief hän­gen­den Strom­lei­tun­gen umgibt die Well­blech­dä­cher der bun­ten Häu­ser, von denen die Far­be bereits abblät­tert. Ver­wahr­los­te Stra­ßen­hun­de dösen in der Son­ne, ihrem Schick­sal erge­ben.

Living­ston ent­wi­ckel­te sich über die Jahr­hun­der­te vom Han­dels­zen­trum zum Pira­ten­nest, vom wich­tigs­ten See­ha­fen der Kari­bik­küs­te Gua­te­ma­las zum Ver­samm­lungs­ort der nord­ame­ri­ka­ni­schen Hip­pie­be­we­gung und schließ­lich zum Back­pa­cker-Rei­se­ziel. Jedoch pro­fi­tie­ren vom Tou­ris­mus nur eini­ge weni­ge Busi­ness­men. Der Groß­teil der Ein­woh­ner lebt in Sub­sis­tenz­wirt­schaft oder von Gele­gen­heits­jobs. Es ist wie über­all auf der Welt: Die Rei­chen wer­den rei­cher, die Armen blei­ben arm. Da wun­dert es nicht, dass sich die Pira­te­rie auf dem Rio Dul­ce und im Golf von Hon­du­ras erhal­ten hat. Auch heu­te, im 21. Jahr­hun­dert, kommt es dort immer noch zu teils fata­len Über­fäl­len durch Pira­ten.

Wir gehen an Land. Abnei­gung gegen die­sen Ort über­kommt mich. Um einen jäm­mer­li­chen Plas­tik­weih­nachts­baum auf dem Dorf­platz hin­ter den Anle­gern lun­gert man her­um – Män­ner wie Frau­en, jung wie alt. Müll sam­melt sich in Ecken. Wei­te­re bemit­lei­dens­wer­te Hun­de suchen in ihrem nicht mehr vor­han­de­nen Fell nach Flö­hen und bei­ßen sich blu­tig. Das, was von außen noch bunt wirkt, wird beton­grau. Was von außen fröh­lich und aus­ge­las­sen wirkt, scheint nun hoff­nungs­los und resi­gniert.

Ver­fall ist in Living­ston all­ge­gen­wär­tig

Wir haben nur eine Stun­de in Living­ston – Gott sei Dank – schlen­dern etwas ziel­los die Haupt­stra­ße ent­lang, wei­chen fest­ge­fah­re­nem Hun­de­kot aus. Es riecht nach Gras, Abga­sen und eben jenen Exkre­men­ten. An wack­li­gen Stän­den am Stra­ßen­rand wer­den Feu­er­werks­kör­per in allen Grö­ßen ver­kauft. Wir pas­sie­ren Grup­pen von Frau­en in ihren tra­di­tio­nel­len bun­ten Röcken, aber vor allem begeg­nen wir Män­nern, vie­le von ihnen mit Ras­ta­lo­cken. Rechts geht es wie­der Rich­tung Meer. An einer Art her­un­ter­ge­kom­me­nem Strand­bad posiert ein Pär­chen vor einem löch­ri­gen „Livingston“-Schild. Im Sand dahin­ter sam­melt sich Plas­tik­müll. Das Meer wirkt braun und trau­rig. Direkt neben dem Strand­bad befin­det sich mili­tä­ri­sches Sperr­ge­biet, betre­ten ver­bo­ten. Von wegen Kari­bik-Flair.

Wir zäh­len die Minu­ten, bis es end­lich zurück aufs Boot geht. Am Anle­ger gesel­len wir uns zu unse­rem Kapi­tän – er schaut Cham­pi­ons League auf dem Han­dy. Real Madrid ist sei­ne Lieb­lings­mann­schaft. Ich ver­ste­he indes nicht, war­um Living­ston der­art beliebt bei Rei­sen­den ist. Füh­le mich dort fehl am Platz, nicht will­kom­men, beschämt.

Trost­los wirkt das Strand­bad in Living­ston

Mit dem Kanu auf dem Rio Dulce – pures Leben

Inspi­riert vom Fort San Feli­pe de Lara und der Geschich­te Living­stons machen wir uns am fol­gen­den, son­ni­gen Tag dar­an, den Rio Dul­ce selbst auf dem Was­ser zu erkun­den. Zwei unbe­waff­ne­te Pira­ten im höl­zer­nen Kana­di­er. „Vol­le Kraft vor­aus!“, damit sto­ße ich uns kräf­tig mit dem Pad­del von der klei­nen Anle­ge­stel­le der Casa Per­i­co ab. Laut­los glei­ten wir über das Was­ser des schma­len Fluss­arms unter dem dich­ten Blät­ter­dach des Regen­wal­des hin­durch. Ein dicker, oran­ge-roter Waran genießt auf einem Ast über unse­ren Köp­fen die wär­men­den Strah­len der Son­ne nach all den Regen­ta­gen.

Unter­wegs auf den Stra­ßen von Living­ston

Kurz vor der Mün­dung auf den Rio Dul­ce biegt ein voll besetz­tes Motor­boot auf unse­ren Fluss­arm ein. Wir ver­su­chen ver­zwei­felt, unser Kanu an den Rand zu bewe­gen, doch statt­des­sen dre­hen wir uns ein­mal im Kreis und ent­ge­hen um Haa­res­brei­te einer Kol­li­si­on. Die gua­te­mal­te­ki­schen Pas­sa­gie­re des Motor­boo­tes amü­sie­ren sich köst­lich. „Klar machen zum Entern!“, rufe ich scherz­haft, als wir uns end­lich wie­der in Fahrt­rich­tung gebracht haben. Auf dem Haupt­fluss steu­ern wir einen klei­nen höl­zer­nen Steg an, der die Ein­fahrt zur Casa Per­i­co mar­kiert.

Hin­ter uns der Dschun­gel, vor uns der brei­te Fluss – die Lebens­ader die­ser Regi­on, deren Facet­ten wir die letz­ten Tage erle­ben durf­ten. Män­ner in klei­nen Kanus fischen, moto­ri­sier­te Fluss-Taxis fah­ren im Akkord, grö­ße­re Käh­ne trans­por­tie­ren Waren, Last­wa­gen an Last­wa­gen schnau­fen über die schma­le Brü­cke hoch über dem Was­ser ins Dorf, des­sen Lich­ter sich lang­sam im Rio Dul­ce zu spie­geln begin­nen. Vögel sin­gen ihre Abend­me­lo­die, wäh­rend sich die Son­ne gemäch­lich auf den Hori­zont her­ab­senkt. Pures Leben.

Schö­ner Abschluss: Mit dem Kanu auf dem Rio Dul­ce


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