Ein Wochen­ende nach Grie­chen­land zum Ultra­ma­ra­thon? Auf Ein­la­dung des grie­chi­schen Tou­ris­mus­ver­bands? Also bitte. Das lasse ich mir bestimmt nicht entgehen.

Wo liegt Paranesti überhaupt?

Ich über­fliege die Ein­la­dung: „Wochen­ende der beson­de­ren Art…für Sport­be­geis­terte und Naturliebhaber…10. Vir­gin Forest Ultra­ma­ra­thon Trail in Para­nesti.“ Para­nesti? Ich öffne Google Maps und mur­mele irgend­was von: „Ach stimmt, das da oben is‘ ja auch alles Grie­chen­land“, als die Nadel nah an der bul­ga­ri­schen Grenze herabfällt.

Um 5 Uhr mor­gens ver­lasse ich das Haus und erst im Mond­schein, über der Insel Tha­sos, lei­tet der Pilot den Lan­de­an­flug auf meine „Final Desti­na­tion“ Kavala ein. Und so stehe ich etwas müde im fah­len Neon­licht des Pro­vinz­flug­ha­fens am Gepäck­band, als ich sehe, wie eine Frau auf­ge­regt ein Schild mit mei­nem Namen gegen die Scheibe am Aus­gang drückt.

Pasta-Party!

Wir fah­ren nach Para­nesti, schließ­lich ist dort die „Pasta-Party“ bereits im Gange. Hier kom­men sämt­li­che (Ultra-)Marathonläufer zusam­men, um ihre Koh­len­hy­drat­spei­cher noch­mal ordent­lich auf­zu­fül­len. Am nächs­ten Mor­gen fällt näm­lich der Start­schuss für das 162km (!) lange und tau­sende Höhen­me­ter umfas­sende Ren­nen. Tags­über wer­den die Ath­le­ten zuse­hen, mög­lichst viel davon zurück­zu­le­gen, nachts bah­nen sie sich dann mit Stirn­lam­pen den Weg durch den kal­ten Frakto-Wald. Die Schnells­ten wer­den Zei­ten um die 25h errei­chen, andere sind gut 40h unterwegs.

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Die Bür­ger­meis­te­rin emp­fängt mich am Ein­gang. How was your trip? Very good, thank you!

Es wird kurz still als wir in den Saal ein­tre­ten. Sie erhebt die Stimme und stellt mich vor. Einige klat­schen höf­lich. Plas­tik­scha­len vol­ler Spa­ghetti wer­den durch­ge­reicht, mir wird ein Bier ange­bo­ten. Yes, why not!

Ich bin gefragt als Gesprächs­part­ner. Dass ein Rei­se­blog­ger aus Deutsch­land anreist und sich für die Gescheh­nisse in Para­nesti inter­es­siert, wird unge­mein geschätzt. Es scheint, als sei jeder Bewoh­ner des Dor­fes irgend­wie beim Mara­thon ein­ge­bun­den. Einer setzt sich neben mich und stellt sich als Dol­met­scher vor. Stim­men­ge­wirr, es ist laut in der kal­ten Halle. Jeder möchte mir etwas erzäh­len, jeder möchte mit­hel­fen, mei­nen Notiz­block zu füllen.

Eine Assis­ten­tin reicht mir einen Zet­tel mit dem geplan­ten Pro­gramm. Von 6:00 Uhr bis 23:00 Uhr sind an bei­den Tagen Akti­vi­tä­ten geplant, peni­bel bis auf einen 20 Minu­ten-Takt her­un­ter­ge­bro­chen. „Of course, we can change the pro­gram a little bit if you want“, fügt sie an. Man muss mir die Müdig­keit wohl anse­hen. Der Dol­met­scher lei­det unter­des­sen. Nun sitzt er zwi­schen mir und der Bür­ger­meis­te­rin und immer wie­der fal­len ihm die pas­sen­den Über­set­zun­gen nicht ein – er kann sich das kaum verzeihen.

Im Virgin Forest liegt das Besondere

Als wir am nächs­ten Mor­gen zur Wan­de­rung im Frakto-Wald auf­bre­chen, schei­nen die ers­ten Son­nen­strah­len auf das noch feuchte Gras. Der Herbst bie­tet der­weil farb­lich die gesamte Palette an, für die er geliebt wird. Ein Mann mit Saxo­phon und neon­gel­ber Jacke steht bereits im Tal. Er kommt jedes Jahr hier­her, um die Läu­fer mit sei­ner Musik zu moti­vie­ren. Selbst Kilo­me­ter ent­fernt sind seine schrof­fen Klänge in den Ber­gen hör­bar. Das Set­ting ist eines Ultra­ma­ra­thons wür­dig: Wo sol­len Höchst­leis­tun­gen mög­lich wer­den, wenn nicht hier? Wenn man schon immer mal über sich hin­aus wach­sen wollte, jetzt ist wohl der rich­tige Zeitpunkt.

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Ein Teil des Natio­nal­parks, der „jung­fräu­li­che Wald“, wird vor jeg­li­chen Ein­grif­fen sei­tens des Men­schen bewahrt. Sämt­li­che Vege­ta­ti­ons­zo­nen Euro­pas fin­den sich hier ver­eint, das wird immer wie­der betont. Auf knapp 2000 Metern Höhe kann man hier wan­dern, was sich wegen der Bli­cke in das bewal­dete Radopi-Gebirge lohnt. Kein Mensch begeg­net uns hier, ledig­lich eine Berg­zie­gen­fa­mi­lie spa­ziert tritt­si­cher den stei­len Hang ent­lang. Meh­rere Was­ser­fälle, wegen des tro­cke­nen Som­mers etwas dün­ner als sonst, plät­schern unauf­ge­regt in die men­schen­leere Stille. Und wie ich mich auf einen Stein setze und ein Sand­wich aus der Alu­fo­lie wickle, dünkt mir lang­sam: Para­nesti und ich, das könnte passen.

Eigent­lich hätte der zweite Tag gar nicht mehr statt­fin­den müs­sen. Wir gehen Raf­ten auf dem Nes­tos, ver­kos­ten hie­si­gen Wein und fei­ern den Ziel­ein­lauf des Ultra­ma­ra­thons. Doch im Vir­gin Forest lag das Beson­dere. Dort­hin würde ich zurück­keh­ren wol­len. Viel­leicht waren es die Zuver­sicht und die Kon­stanz des Wal­des, die so auf mich abstrahl­ten. Selbst wenn im Leben, die­sem fra­gi­len Kon­strukt aus Zie­len, Hoff­nun­gen und Hand­lun­gen, alle Stri­cke rei­ßen: die Was­ser­fälle im jung­fräu­li­chen Wald plät­schern ein­fach weiter.

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Paranesti im Praxis-Check

Kann ich Para­nesti also für Out­door­fans emp­feh­len? Nun, die Anreise ist tat­säch­lich etwas auf­wen­dig. Von Thes­sa­lo­niki dau­ert es ca. 2 Stun­den mit dem Auto. Busse gibt es, aller­dings nicht direkt und sehr sel­ten. Das ein­fachste ist wohl am Flug­ha­fen in Thes­sa­lo­niki oder Kavala ein Auto zu mie­ten und selbst zu fah­ren. Es gibt auch keine offi­zi­el­len Tou­ren­an­bie­ter für den Natio­nal­park oder eng­lisch­spra­chige Gui­des. In Para­nesti gibt es dafür zwei wun­der­bare Hotels und wer möchte, kann im Natio­nal­park in einer Hütte mit Feld­bet­ten über­nach­ten (es hieß, den Schlüs­sel bekomme man über den ‚Forest Ser­vice of Drama‘.)

Man merkt, die Infra­struk­tur für Tou­ris­ten befin­det sich noch im Auf­bau. Aber mir war das egal. Im Gegen­teil, ich fand die Stim­mung dadurch ganz beson­ders. Im Dorf herrscht gren­zen­lose Gast­freund­schaft, wie mit mir umge­gan­gen wurde war herz­zer­rei­ßend. Ich hätte jeden Wunsch äußern kön­nen, es hätte sich immer jemand gefun­den, der die Sache orga­ni­siert. So hat die­ses kleine unschein­bare Städt­chen mein Herz erobert. Wie könnte ich das nicht empfehlen?

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Vie­len Dank an Visit Greece für die Ein­la­dung nach Paranesti!

Cate­go­riesGrie­chen­land
Aylin & Stefan Krieger

Aylin & Stefan waren mal 1,5 Jahre auf Weltreise. Das reicht ihnen aber nicht. Stefan sucht Abenteuer. Aylin liebt die Freiheit unterwegs. Darum zieht es sie immer wieder raus in die weite und nahe Welt. Ihre Sicht der Dinge gibt es dann auf Today We Travel. In Wort & Bild. Subjektiv. Ehrlich.

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