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Abseits der Touristenpfade findet in Morne Vert, im Nordwesten der Insel Martinique, immer Samstags ein altes Ritual statt: Lasotè. Es ist eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert, ein System der gegenseitigen Hilfe, das bis in die 60iger Jahre gepflegt und seit der Wirtschaftskrise 2008 wiederbelebt wurde.
Jetzt im November, zum Ende der Regenzeit, sind die Berge rundum grün. Auf einem Acker, der so steil ist, dass ich es kaum schaffe hochzukraxeln, stehen etwa 15 Arbeiter mit ihren Spitzhacken in einer Reihe und hacken im Rhythmus der Trommeln auf die Erde ein. Später sollen hier Möhren, Zwiebeln und Rüben angebaut werden. In der Mitte des Feldes befinden sich die Glücklichen, die „nur“ für die munter machende Musik sorgen. Drei Männer sitzen hier an ihren Trommeln, den Bélé, weitere drei schlagen die ti-bwa, ein dickes, hohles Zuckerrohr auf das mit Holzstücken eingeschlagen wird und andere blasen die Kòn Lambi, ein Blasinstrument das aussieht wie eine Muschel. Ist aber eine Riesenschnecke, die in Seegraswiesen und im Sand lebt. Kleine Sprechchöre feuern die Arbeiter mit den Worten „Lèvè!“ Hebt die Spitzhacken an. Schwitzend und unermüdlich dreschen sie auf den Boden ein. Mir läuft schon beim Zusehen der Schweiß in Strömen. Es sind über 30 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit.
Fabian, bunte Strickmütze auf Rastalocken, lebt seit 8 Jahren auf Martinique. Geboren und aufgewachsen ist er in der „Metropole“ wie man hier das Mutterland Frankreich nennt. Er wollte die Insel des Vaters kennenlernen und ist hier geblieben. Ob es sich hier besser lebe will ich wissen. Es sei anders, sagt er. Es gebe nicht nur die guten Seiten. Das Leben sein teuer, sehr teuer. Ungefähr 40% teurer als in Frankreich. Und wie sieht es mit dem Rassismus aus, frage ich ihn.
Fabian: „Das ist gleich. Ich glaube es gibt keinen Ort wo man vor dieser Art Ressentiment gefeit ist. Es gibt hier zwar mehr Leute, die meine Hautfarbe haben aber das bewirkt nicht unbedingt mehr Bruderschaft.“
Irgendwie, erzählt Fabian, ist Martinique eben doch Frankreich. Trotzdem fühlt er sich hier wohler und will bleiben so lange es geht. Mit Aktionen wie Lasotè hofft er auf ein besseres Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt.
Inzwischen ist die erste Hälfte des Feldes umgegraben. Die Band zieht weiter nach oben damit der Rest noch gepflügt werden kann. Die Arbeiter haben kleine Kalabassen umhängen aus denen sie trinken, um sich zu stärken. Rum natürlich, was sonst.
Am Abend, wenn die Arbeit getan ist, werden sie von der Gemeinde zum traditionellen „Ti-nain“ einem kreolischen Gericht eingeladen. Dazu gibt es Gurkensalat und – Rum. Was sonst. Zu anderen Lasotès wird direkt auf dem Feld gegessen, Fisch und Fleisch in einer gigantischen Pfanne auf dem offenen Feuer geschmort und in ausgehöhlten Kalabassen serviert. Gastgeber ist traditionell der Landwirt, dessen Feld gemeinsam bestellt wurde.
Eine schöne Tradition, die ich in ähnlicher Form auch in den Anden erlebt habe. „Ayni“ wie die gegenseitige Hilfe dort heißt, ist ein intelligentes System, das auf die Unterstützung der Gemeinschaft setzt. Anders wäre Landwirtschaft in diesen Regionen nicht möglich, wo die Arbeit aufgrund der Topografie ohne Traktor und andere Hilfsmittel auskommen muss.
Ich bewundere die Männer für ihre Ausdauer und mache mich wieder auf den Weg. Eine Rumverkostung am Strand wartet.
Diese Reise wurde von Atout France und Condor unterstützt.
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