Boli­vien, August 2011.

Eine lange Reise liegt vor mir. Ich will von der Stadt, wo sich Boli­vi­ens Regie­rungs­sitz befin­det, in den Süden zum gro­ßen Salz­see. Ich habe dazu ein Bus­ti­cket gekauft. Die ganze Nacht über soll­ten wir durch­fah­ren, um unser Ziel früh­mor­gens zu erreichen.

Es herrscht Win­ter auf die­ser Seite der Erd­ku­gel, die Tem­pe­ra­tu­ren kön­nen in der Nacht auf unter zehn Grad sin­ken. „Eh nicht so kalt“, wird jetzt man­cher West­eu­ro­päer den­ken. Wenn man aber weiß, dass es in Boli­vien unüb­lich ist, im Win­ter zu hei­zen, sind zehn Grad dann doch irgend­wie zum frieren.

Kurz vor Mit­ter­nacht stehe ich am Bus­bahn­hof, von wo aus meine Reise star­ten sollte. Ich habe nicht viel bei mir, den Kof­fer habe ich im Hos­tel gelas­sen – warum unnö­tig Gepäck mit­schlep­pen. Nach einer hal­ben Stunde War­te­zeit dür­fen wir in den Bus ein­stei­gen und es uns dort bequem machen. Ich hatte beim Ticket­kauf einen Sitz­platz neben dem Fens­ter gewählt, da ich dort bes­ser schla­fen kann. Immer­hin habe ich so zwei Sei­ten, an die ich mich anleh­nen kann und muss mei­nen Kopf nicht stän­dig gerade hal­ten, damit er nicht auf die Schul­ter des Sitz­nach­bars knallt. Dass ich kaum zum Schla­fen kom­men werde, ahne ich im Moment der Abfahrt noch nicht.

Ich glaubte eigent­lich, dass man zumin­dest im Bus die Hei­zung ein­schal­ten würde, wenn drau­ßen ein kal­ter Wind über die Fel­der zieht und die Pas­sa­giere in ihre Sitze gezwängt vor sich hin­schlum­mern. Doch bald merke ich, dass die Hei­zung wenig bringt. Schon am Bus­bahn­hof wur­den uns Lama­de­cken aus­ge­teilt, die ich mir bequem um die Beine gewi­ckelt hatte. Die erste Stunde der lan­gen Fahrt schaue ich noch aus dem Fens­ter, sehe, wie sich die Häu­ser der Stadt immer rarer machen und schließ­lich kom­plett aus mei­nem Blick­feld verschwinden.

Nach­dem wir die Stadt hin­ter uns gelas­sen haben, nimmt der Bus an Geschwin­dig­keit zu. Die Nacht ist dun­kel, die weite Flä­che ent­lang der Straße, die uns zum Salz­see führt, ist offen­bar kaum besie­delt. Ein paar Schat­ten von Bäu­men rasen vor­bei, sonst ist nichts zu sehen. Ich lehne mei­nen Kopf gegen die Fens­ter­scheibe und schließe meine Augen, schlum­mere weg.

Doch schon wenig spä­ter werde ich aus dem Schlaf geris­sen. Ein schar­fer Wind­stoß hat mein Gesicht gestreift. Erst jetzt bemerke ich, dass das Fens­ter, bei dem ich sitze, einen Spalt weit geöff­net ist. Ich ver­su­che es zuzu­sto­ßen, merke aber schnell, dass es nicht wirk­lich schließt. Der gesamte Bus ist voll, keine Chance, den Platz zu wech­seln. So bleibt mir also nichts ande­res über, als meine Haube auf­zu­set­zen und über die Augen und mir die Lama­de­cke bis zur Nase zu ziehen.

Die Nacht ist lang. Neun Stun­den rat­tert der Bus über holp­rige Schot­ter­stra­ßen. Irgendwo hal­ten wir für eine halbe Stunde an, fah­ren dann wei­ter. Als wir um neun Uhr mor­gens in der klei­nen Stadt nahe dem Salz­see ankom­men, bin ich aus­ge­laugt und ver­fro­ren. Ich begebe mich ins Hos­tel und will Luft­sprünge machen, als ich das Zim­mer betrete, in dem ich über­nach­ten werde. Zwi­schen den vier Hoch­bet­ten steht ein klei­ner Heiz­strah­ler. Außer mir ist nie­mand im Zim­mer. Also kuschle ich mich ins Bett, drehe den Strah­ler in meine Rich­tung und schlafe ein. Endlich.

Cate­go­riesBoli­vien
Hanna Silbermayr

Oft sind es die kleinen Dinge, die uns zum Staunen bringen. Begegnungen und Gespräche, die zum Nachdenken anregen, uns einen Moment innehalten lassen in einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, uns ein Lächeln entlocken.

Solche Momente möchte ich nicht für mich behalten, sondern mit Euch teilen. Ich, das ist eine ausgebildete Grafikdesignerin, studierte Romanistin und Politikwissenschaftlerin, die im Namen des Journalismus immer wieder in Lateinamerika unterwegs ist. Demnächst wohnungslos und in stetiger Bewegung.

    1. Ja, die Reise lohnt sich auf alle Fälle! Ich denke, dass es auch nicht immer so kalt im Bus ist, ich war halt mit einem unter­wegs, in dem sich sonst keine Tou­ris­ten befan­den. Ich bin mir sicher, dass es für Aus­län­der kom­for­ta­blere Rei­se­mög­lich­kei­ten gibt (sofern man das denn will). Mir hat übri­gens ein Bekann­ter auch erzählt, dass man­che Ein­hei­mi­sche für noch weni­ger Geld im Gepäcks­raum unten mit­fah­ren. Dort muss es dann wirk­lich kalt und unge­müt­lich sein!!

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