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Wimmernd lag unser Schaf auf der Tragefläche des Vans. Wir hatten ihm die Beine zusammengebunden. Aber es auch zu knebeln hatten wir uns nicht getraut. Es war früh am Morgen und wir waren auf dem Rückweg nach Kashgar, wo wir unser Schaf auf dem sonntäglichen Viehmarkt verkaufen wollten. Yaks, Esel, Pferde, Ochsen, Schafe und ab und zu auch Kamele – all das wird jeden Sonntag hier zum Verkauf angeboten. Seit es die Seidenstrasse gibt, ist Kashgar eines der wichtigsten Handelszentren in Zentralasien und mit unserem Schaf wollten wir an dieser Tradition teilhaben.
Das Gewimmel und Gewusel ist scheinbar undurchdringlich. Es mäht, muht, gackert von allen Seiten. Die Luft ist dich gefüllt mit Staub und warmem Dunggeruch. Wo aber ist die Schafecke? Wir bahnen uns durch säuberlich aneinandergereihte Ziegenherden, vorbei an unruhigen Pferden und an viel zu potenten Ochsen. Wie an der Börse schreien die Verkäufer mit wilden und wichtigen Gesten in ihre Mobiltelefone und versuchen, den Preis ihrer herausgeputzten Herde in die Höhe zu treiben. Hier und dort werden letzte Schönheitskorrekturen vorgenommen, das Schwanzfell zurechtgestutzt, die Pferdemähne gekämmt.
Um die Hauptattraktion des heutigen Tages hat sich bereits eine Menschentraube gebildet. Ich drängle mich vorsichtig in die vorderste Reihe und vor mir steht der mächtigste Ochse, der mir je vor die Augen gekommen ist. Alle um mich herum starren auf die unglaubliche Potenz, die sich zwischen seinen Beinen präsentiert. Ich lasse mich aufklären: der Prachtochse ist bereits verkauft, aber der Käufer unbekannt und nun wird wild spekuliert über den Kaufpreis. Meine uigurischen Sprachkenntnisse reichen leider nicht aus, um die Diskussionen weiter zu verfolgen. Überhaupt fällt mir auf, dass sich keine Chinesen unter den Verkäufern befinden und natürlich ebenso keine Frauen.
Ich überlasse also das Schafsgeschäft getrost meinen männlichen Reisebegleitern und streife auf der Suche nach etwas Essbarem allein durch das Tierdickicht. Ich finde schließlich die Schlachtsektion, aber was ich hier sehe, entspricht leider nichtwirklich meinen Bedürfnissen: Schafskopfsuppe und Innereien erscheinen mir am frühen Morgen nicht sonderlich verlockend, besonders nicht wenn sie direkt neben einem abgetrennten Pferdekopf angeboten werden. Und so entscheide ich mich für das wunderbare, noch warme uigurische Brot, das überall verkauft wird. Ich nage an meinem Bagel und immer weniger habe ich das Gefühl, dass ich noch in China bin, sondern irgendwo im Mittleren Osten oder Zentralasien.
Als ich meinem Brotbäcker auf chinesisch verrate, woher ich komme, bricht er in Begeisterung aus. Deutschland sei ein enger Freund der Türkei und die Türkei habe die Uiguren immer schon unterstützt, also seien wir uns nun auch freundschaftlich verbunden. Tatsächlich hat ein Kommentar Erdogans für große Verärgerung bei der chinesischen Regierung gesorgt, als er die Unruhen, die hier 2009 ausbrachen, öffentlich als Genozid bezeichnete. Ich kaufe also noch ein paar Bagels und mache mich auf die Suche nach unserem Schaf. Tatsächlich finde ich es, aber es ist bereits in den Händen des neuen Besitzers. Nach anstrengender Feilscherei haben meine Freunde es tatsächlich geschafft, mit Gewinn das Geschäft zu beenden. Zwar haben sie nur 10 Yuan Profit machen können, aber immerhin!
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Leider bin ich auch keine Viehspezialistin. Ein Schaf kostete uns um die 300 Kuai. Aber das ist natürlich alles Verhandlungssache. Ein Esel wird um einiges mehr kosten…
Das Schaf jedenfalls hatten wir in der Nähe von Kashgar bei einem Viehhirten aufgetrieben. Alles ganz zufällig…Ok. Danke dir!
Wieviel kostet denn so ein Schaf? Und ein Esel?
Und wo hattet ihr denn eurer Schaf überhaupt her?
Bin neugierig. LG
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