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Kan­ga­roo Island – die wilde Schönheit

„Ama­zing!“ Ich bli­cke in leuch­tende Augen. „Beau­tiful!“ So in etwa sind die Reak­tio­nen der Locals, als sie von mei­nem Rei­se­ziel erfah­ren: Kan­ga­roo Island.

Die Insel, 112 Kilo­me­ter süd­west­lich von Ade­laide, der Haupt­stadt des Bun­des­staats South Aus­tra­lia, gele­gen, scheint der Knal­ler zu sein. Meine Erwar­tun­gen sind haus­hoch, bevor ich auch nur einen Fuß auf das Eiland setze.

Nach Kan­ga­roo Island gelangt man von Ade­laide ent­we­der mit einer 45-minü­ti­gen Fähr­fahrt vom 100 Kilo­me­ter ent­fern­ten Cape Jer­vis, oder mit einem 20 Minu­ten Flug mit REX, einer aus­tra­li­schen Regionalfluglinie.

Ein wenig mul­mig ist mir schon zu Mute, als ich in den Flie­ger sehe. Keine 20 Meter ist die Saab 340 lang. Mit mir flie­gen noch 9 wei­tere Pas­sa­giere. Gemein­sam mit dem Kapi­tän und der Flug­be­glei­te­rin lau­fen wir über das Flug­feld zu der win­zi­gen Maschine. Nach einem wack­li­gem Start, bei dem ich jeden Wind­stoß zu spü­ren glaube, einem irr­wit­zig kur­zem Flug samt Bord­ser­vice – bestehend aus einer Packung Was­ser sowie einem ein­zeln ein­ge­schweiß­tem Mentos – und einem ebenso wack­li­gem Sink­flug, lan­den wir nur wenige Augen­bli­cke spä­ter in King­s­cote, der „Haupt­stadt“ der 4405 Qua­drat­me­ter gro­ßen Insel.

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Nach Tas­ma­nien und der Mel­ville-Insel ist Kan­ga­roo Island die dritt­größte Insel des aus­tra­li­schen Kon­ti­nents. Ursprüng­li­ches Busch­land bewächst dank Heri­tage Agree­ment über die Hälfte der Flä­che, mehr als ein Drit­tel der Insel steht als Natur­park unter Schutz. Gerade ein­mal 4250 Men­schen leben auf dem Ein­land, das macht pro Qua­drat­ki­lo­me­ter unge­fähr einen Bewohner.

Die Insel dient als Schon­ge­biet für viele ein­hei­mi­sche Tier­ar­ten. Dank Abge­le­gen­heit und Iso­la­tion der Insel sind die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen der euro­päi­schen Besied­lung nicht so stark aus­ge­prägt, wie auf dem Fest­land. Strenge Ein­reise- und Ein­fuhr­be­stim­mun­gen haben Kan­ga­roo Island bis­her vor der Popu­la­tion frem­der Tier­ar­ten ver­schont und sor­gen dafür, dass das natür­li­che Gleich­ge­wicht von Flora und Fauna wei­test­ge­hend intakt bleibt.

Am Flug­ha­fen patrouil­liert die Bio-Secu­rity, put­zige Bea­gles, die mit ihrem emp­find­li­chen Geruchs­sinn Lebens­mit­tel, Saat­gut, Holz und wei­tere ver­bo­tene Arti­kel erschnup­pern. Nie habe ich ein bezau­bern­de­res Ermitt­ler­team gese­hen. Sie zu Foto­gra­fie­ren traue ich mich aber nicht, am Air­port herrscht ein rauer Ton, Han­dys und Kame­ras sind im Sicher­heits­be­reich streng ver­bo­ten. Die strik­ten Auf­la­gen zah­len sich aus. So gibt es etwa keine Füchse oder Kanin­chen und nur wenige art­fremde Fauna auf Kan­ga­roo Island. Die ein­hei­mi­schen Tier‑, Vogel- und Pflan­zen­ar­ten ver­meh­ren sich und gedei­hen sorglos.

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Zwei Tage lang will ich die Insel erkun­den. Zur Seite steht mir und mei­ner klei­nen Rei­se­gruppe Gary, ein Guide von Kan­ga­roo Island Odys­seys, einem Wild­life-Tou­ren-Anbie­ter. Gary ist ein ech­ter Insu­la­ner und Natur­bur­sche. Stäm­mig, im Ran­ger-Out­fit, samt Safari-Hut und mit brei­tem Aus­sie-Dia­lekt, ent­spricht er ziem­lich genau dem Bild, das ich von aus­tra­li­schen Män­nern habe.

Bevor er 2008 als Guide anheu­erte, bewirt­schaf­tete er die Farm, die ihm von sei­nem Vater ver­macht wurde. Doch die Zei­ten für Land­wirte sind hart. Die Dürre, die ganz Süd­aus­tra­lien im Griff hat, macht auch vor der Insel nicht halt. Nur noch ganz große Far­men kön­nen wirt­schaft­lich arbei­ten. Gary musste sich ent­schei­den. Ent­we­der Kre­dite auf­neh­men und ver­su­chen mit den ganz Gro­ßen mit­zu­spie­len, oder das Land ver­kau­fen und noch mal von vorne anfan­gen. Gary trennte sich von sei­nem Besitz und ist jetzt glück­li­cher Wild­life-Guide und Schulbus-Fahrer.

Neben Land­wirt­schaft und Fische­rei ist Tou­ris­mus, vor allem Öko­tou­ris­mus, die Haupt­ein­nah­me­quelle der Insel. Die Insel ist in Sachen Umwelt­schutz vor­bild­lich. Solar­zel­len fin­den sich auf den Dächern der Häu­ser, Was­ser wird nur spar­sam ver­wen­det und Müll so gut wie mög­lich ver­mie­den und recycelt.

Wir stei­gen in den mons­trö­sen All­rad-Bus, eine Spe­zi­al­an­fer­ti­gung für Kan­ga­roo Island Odys­seys. Bis zu 12 Per­so­nen pas­sen in den Gelän­de­wa­gen, mit dem auch off­road gefah­ren wer­den kann und der für wirk­lich jedes denk­bare Manö­ver gefer­tigt zu sein scheint.

Wer die Insel auf eigene Faust erkun­den will, kann mit sei­nem Auto per Fähre über­set­zen oder auf der Insel einen Wagen mie­ten. Man­che Stra­ßen sind jedoch eher Schot­ter­pis­ten und für unge­übte Fah­rer eine große Her­aus­for­de­rung. Einige Auto­ver­lei­her auf dem Fest­land ver­bie­ten gar das Fah­ren auf der Insel. Auch die wil­den Tiere stel­len ein gro­ßes Risiko dar. Die men­schen­lee­ren Wege laden zum Rasen ein. Die­sem Leicht­sinn fal­len lei­der viel zu oft die pel­zi­gen und stach­li­gen Insel­be­woh­ner zum Opfer. Kada­ver auf der Weg­stre­cke erzählt solch eine trau­rige Geschichte.

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Unsere Tour geht los. Wir fah­ren gen Süden durch das Lan­des­in­nere zur Küste. Beson­ders gespannt bin ich auf die man­nig­fal­tige Tier­welt. In Aus­tra­lien ist gerade Win­ter­zeit. Zum Tiere-Beob­ach­ten ist das opti­mal, denn in den hei­ßen Som­mer­mo­na­ten suchen Kän­guru, Wal­laby und Co. meist Zuflucht im schat­ti­gen Busch­land und zei­gen sich erst zur Dämmerung.

Wie der Name schon ver­rät, gibt es auf Kan­ga­roo Island natür­lich jede Menge Kän­gu­rus. Als der bri­ti­sche Ent­de­cker Matthew Flin­ders  im Jahre 1802 die Insel ent­deckte, erspähte er vom Bord sei­nes Schif­fes aus eine Kän­guru-Herde. Schon war der Name gefun­den. Flin­ders war auf einer Mis­sion den aus­tra­li­schen Kon­ti­nent zu kar­to­gra­fie­ren, als er auf die Insel stieß. Für seine aus­ge­hun­gerte Bord­crew stell­ten die Kän­gu­rus ein will­kom­me­ner Snack und leichte Beute dar.

Die Abori­gi­nes ver­lie­ßen die­sen Fleck Erde bereits um 200 v.Chr., als die Insel vor dem Anstieg des Mee­res­spie­gels noch an das Fest­land ange­schlos­sen war. Seit­dem hat­ten die Kän­gu­rus keine Men­schen­seele mehr gese­hen und nah­men daher nicht Reiß­aus, als Flin­ders und seine Man­nen sich auf die Jagd nach ihnen mach­ten. Zum Glück hat sich die Kän­guru-Popu­la­tion schnell von die­sem ers­ten Zusam­men­stoß mit den euro­päi­schen Sied­lern erholt. Ihre Zutrau­lich­keit haben sie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wie­der­erlangt, da sie auf der Insel in Frie­den, ohne natür­li­che Feinde, leben können.

Auf Kan­ga­roo Island hat sich eine Sub­spe­zies des Wes­tern Grey Kän­gu­rus ent­wi­ckelt. Die Tiere sind klei­ner und zier­li­cher als auf dem Fest­land, haben ein run­de­res Gesicht und ein dunk­le­res, län­ge­res Fell. Gary sagt, es seien die schöns­ten Kän­gu­rus Australiens.

Die meis­ten Tiere auf Kan­ga­roo Island sind Wild­tiere. Im Kan­ga­roo Island Wild­life Park besteht zwar die Mög­lich­keit hand­zahme Tiere aus nächs­ter Nähe zu besich­ti­gen, auf den Arm zu neh­men und zu Strei­cheln, der eigent­li­che Reiz besteht jedoch sie in ihrem natür­li­chem Lebens­raum zu erfahren.

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Wir errei­chen Seal Bay, ein abso­lu­tes High­light der Insel. Der Wind bläst mit vol­ler Kraft, Haare flat­tern ins Gesicht, majes­tä­ti­sche Wel­len bre­chen an der rauen Fels­küste. Zwi­schen den Klip­pen erstreckt sich feins­ter Sand­strand. Hier tum­meln sich ganze Kolo­nien von Rob­ben. Sie dösen im Sand – alleine, als Paar oder im Hau­fen, spie­len, baden, jagen. Manch ein Männ­chen sucht im Tes­to­ste­ron­rausch Streit mit ande­ren Genossen.

Auf Kan­ga­roo Island gibt es zwei Rob­ben-Arten: den Aus­tra­li­schen See­lö­wen und den Neu­see­län­di­schen See­bä­ren. Die See­bä­ren sind klei­ner und haben ein wei­che­res Fell. Sie sind vor allem am Cape du Coue­dic west­lich von Seal Bay zu beob­ach­ten. Am Seal Bay selbst haben sich die See­lö­wen breit gemacht. Bis zu 350 Kilo­gramm schwer kann ein aus­ge­wach­se­nes Männ­chen werden.

Unsere Gruppe läuft lang­sam den Strand ab und wir nähern uns vor­sich­tig den ein­zel­nen Tie­ren. Es gilt die 10 Meter-Regel. Unter­schrei­tet man diese nicht, zei­gen die Tiere kein beson­ders gro­ßes Inter­esse an den mensch­li­chen Besu­chern. Es kommt trotz­dem manch­mal zu Zusam­men­stö­ßen. Diese sind aus­schließ­lich in mensch­li­chem Fehl­ver­hal­ten begrün­det. Gary erzählt uns, dass etwa ein asia­ti­scher Tou­rist auf den Rücken eines See­lö­wen klet­terte, um für ein Foto zu posie­ren. Der See­löwe biss dann zu. Und das ist rich­tig schmerz­haft, denn die Tiere haben ein kräf­ti­ges Gebiss, müs­sen sie mit die­sem doch Scha­len von Krus­ten­tie­ren knacken.

Auf Kan­ga­roo Island leben an die 1.000 See­lö­wen. Welt­weit gibt es nur noch um die 14.000 Ver­tre­ter die­ser Rob­ben­art. Die Tiere sie­deln mit ihrer Kolo­nie fest an einem Ort. Jähr­lich geht die Popu­la­tion um schät­zungs­weise zwei Pro­zent zurück. Auch hier ist der Mensch nicht unschul­dig. Vor allem mit dem vie­len Plas­tik­müll im Was­ser haben die Rob­ben zu kämp­fen. Plas­tik­tü­ten sehen im Was­ser wie Tin­ten­fi­sche aus. Die Rob­ben schlu­cken diese her­un­ter und ersti­cken an ihnen, oder sie ver­fan­gen sich darin und ver­en­den elendig.

Von Natur aus haben Rob­ben viele Feinde unter den Raub­tie­ren. So sind sie bevor­zugte Beute des wei­ßen Hais. Auch ver­meh­ren sich See­lö­wen nur lang­sam. Pro Puppy Sea­son bekom­men die Weib­chen gerade ein­mal ein Jun­ges und das nach einer 18-mona­ti­gen Schwan­ger­schaft. Die Auf­zucht der Klei­nen birgt wei­tere Gefah­ren, sind die Pup­pies doch beson­ders leichte Beute. Zudem kommt bei den ener­gi­schen Kämp­fen der Männ­chen ab und zu ein Baby unter die Räder, wird im Eifer des Gefechts ein­fach über­rannt und stirbt dabei. Bringt dann der Mensch die­ses emp­find­li­che Gefüge noch zusätz­lich durch­ein­an­der, wird es für den Fort­be­stand der Spe­zies schnell eng.

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Rob­ben, Kän­gu­rus, Koa­las und Peli­kane bekomme ich viele zu Gesicht, andere Insel­be­woh­ner sind da schüch­ter­ner, wie die put­zi­gen Tammar Wal­la­bies. Auf Zehen­spit­zen schlei­chen wir durch den Busch, der Blick scannt die Umge­bung ab. Da huscht ein win­zi­ger Schat­ten durch das Dickicht. Wir hal­ten den Atem an. Ein klei­nes Fell­knäuel beob­ach­tet uns kon­zen­triert aus dunk­len Knopfaugen.

Die scheuen Wal­la­bies auf Kan­ga­roo Island sind zier­li­cher als ihre Art­ge­nos­sen ander­orts und haben fei­nere Gesichts­züge. Auf der Insel sind die Beu­tel­tiere zahl­reich ver­tre­ten, wäh­rend sie auf dem Fest­land in vie­len Regio­nen vom Aus­ster­ben bedroht sind. Gründe hier­für sind die Zer­stö­rung des natür­li­chen Lebens­raums durch den Men­schen. Busch­land wird zu Farm­land, Wal­la­bys brau­chen aber das Dickicht um sich vor Angrei­fern aus der Luft ver­ste­cken zu kön­nen. Ein­ge­schleppte Raub­tiere, wie der Fuchs, tun ihr übri­ges. Kan­ga­roo Island ist eine Art Refu­gium für ein­hei­mi­sche Tier­ar­ten und eine Ver­si­che­rung für Aus­tra­lien. Hier bewah­ren sie ihr natür­li­ches Erbe.

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Es ist Mit­tags­zeit und der Magen knurrt. Zum Lunch gibt es, wie könnte es in Aus­tra­lien anders sein, Bar­be­cue, aber im Pre­mium-Deluxe-Bush-Style. Gary hat alles dafür im Bus bereit und zau­bert uns ein fan­tas­ti­sches Mit­tag­essen in unschlag­ba­rer Kulisse. Knob­lauch­brot, Fisch und Hühn­chen kom­men frisch vom Grill. Dazu gibt es Salate, Soßen und Wein.

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Noch beein­dru­cken­der als die Tier­welt ist die atem­be­rau­bende Land­schaft. Raue Klip­pen, traum­hafte Buch­ten und Sand­strände, wie der Vivonne Beach, die beein­dru­cken­den Fels­skulp­tu­ren Remar­kable Rocks, das unfass­bar win­dige Cape du Coue­dic mit dem Admi­rals Arch, wei­tes Busch­land mit mehr als 891 ver­schie­de­nen Pflan­zen­ar­ten – das sind nur ein paar der Must-sees der Insel.

Kaum eine Beschrei­bung kann die­ser Schön­heit der Natur gerecht wer­den. Seit ein paar Jah­ren ist Kan­ga­roo Island beson­ders bei ita­lie­ni­schen Paa­ren als Flit­ter­wo­chen-Ziel schwer beliebt. Ver­ständ­lich, birgt die Insel auch ein gro­ßes Romantik-Potenzial.

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Nach zwei Tagen Wild­life-Aben­teuer geht es wie­der zurück zum Flie­ger. Die Zeit reicht opti­mal um sich einen guten Ein­druck von Kan­ga­roo Island zu machen. Hier lässt es sich aber gut und gerne län­ger aushalten.

Die Insel ist der per­fekte Ort um dem All­tag zu ent­flie­hen, die per­fekte Mischung aus abwechs­lungs­rei­cher Natur, Wild­life und Stille. In der Tat „Ama­zing and Beautiful!“

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Vie­len Dank an South Aus­tra­lia für die Einladung!

Cate­go­riesAus­tra­lien
  1. Melanie says:

    Hi Ricarda,
    ein wir­lich tol­ler Bericht. Wel­che Tour habt ihr gebucht? War die Tour auf deutsch? Wir wol­len Anfang Okto­ber für 5 Wochen nach Aus­tra­lien flie­gen und da darf ein Besuch auf Kan­ga­roo Island nicht feh­len. Wir sind uns nur unsi­cher, ob auf eigene Faust oder eine Tour.…mein Mann ist lei­den­schaft­li­cher Foto­graf. Wir haben bei einer geführ­ten Tour etwas Beden­ken, dass er da auch genü­gend Zeit zum Foto­gra­fie­ren hat.….wie war deine Erfah­rung was das Zeit­ma­nage­ment angeht? Wie viele Per­so­nen wart ihr? 

    Viele Grüsse
    Melli

  2. Norah says:

    Vie­len Dank für den schö­nen Bericht! Toll, dass die Umwelt und die Tiere auf die­ser Insel so geschützt wer­den. Jetzt will ich auch nach Aus­tra­lien und end­lich mal ein Kan­ga­roo hüp­fen sehen :)

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