Hoch oben am Berg aufwachen: Eine Nacht auf dem Dobratsch

Die spät­som­mer­li­che Son­ne scheint am strah­lend blau­en Him­mel, als ich die letz­ten Kur­ven der Pan­ora­ma­stra­ße zur Vil­la­cher Alpe hin­auf­fah­re. Auf dem höchs­ten Park­platz ange­kom­men, mischt sich Vor­freu­de mit einem leich­ten Flat­tern im Magen. Das Zufal­len der Auto­tü­re ist der Start­schuss ins Aben­teu­er Hüt­ten­über­nach­tung. 

Gedan­ken wie „Schaf­fe ich es noch vor Ein­bruch der Dun­kel­heit?« beglei­ten mich an die­sem Nach­mit­tag. Doch aus eige­ner Erfah­rung weiß ich, dass Hüt­ten­über­nach­tun­gen zu den schöns­ten Erleb­nis­sen zäh­len. Im vor­he­ri­gen Jahr habe ich meh­re­re Male auf Hüt­ten über­nach­tet und ich weiß: Son­nen­auf­gän­ge und Son­nen­un­ter­gän­ge in den Ber­gen sind ganz beson­de­re Momen­te. Trotz aller Erfah­rung bleibt eine gewis­se Auf­re­gung – viel­leicht gehört sie ein­fach dazu.

Ich schul­te­re den Ruck­sack – los geht’s. Die Ent­schei­dung fällt für die etwas anspruchs­vol­le­re Rou­te, die über unebe­ne Wie­sen­pfa­de führt. Das Ziel bleibt stets im Sicht­feld: Der hohe rot-wei­ße Anten­nen­mast und die Sil­hou­et­te einer klei­nen Kapel­le, die sich kaum vom Fels unter­schei­det. Irgend­wann kommt mir der Gedan­ke auf, ob ich auch das Auto abge­schlos­sen habe.

Für die nicht ein­mal sechs Kilo­me­ter lan­ge Stre­cke benö­ti­ge ich zwei­ein­halb Stun­den. Immer wie­der bin ich hin- und her­ge­ris­sen: Die Viel­zahl an Foto­mo­ti­ven ver­führt zum Inne­hal­ten – doch die Dun­kel­heit naht. Foto­gra­fie­ren oder wei­ter­ge­hen? Zwei ande­re Wan­de­rin­nen kom­men mir auf ihrem Abstieg ent­ge­gen, sonst tref­fe ich kei­ne ande­ren Men­schen.

Bevor ich das Dobratsch-Gip­fel­haus betre­te, stei­ge ich zur Kapel­le hin­auf und mache kurz vor dem Gip­fel­kreuz Rast. Ich genie­ße mei­ne Brot­zeit, wäh­rend die Son­ne lang­sam unter­geht. Die Licht­stim­mung ist magisch. Der Fels fällt steil ab und gibt den Blick ins Tal frei.

Noch bevor es kom­plett dun­kel wird, stei­ge ich zur Hüt­te hin­ab und mel­de mich für das Bet­ten­la­ger an. Als Erwach­se­ne genießt man die Frei­heit, ein­fach zu essen und zu trin­ken, wor­auf man Lust hat – ganz gleich, ob es zusam­men­passt oder nicht. Ich bestel­le Apfel­stru­del und dazu ein Bier – ein per­fek­tes Abend­essen, auf das ich jetzt Lust habe. 

Beim Essen beob­ach­te ich Eltern mit ihrem Sohn, wie sie eines der Brett­spie­le aus­pa­cken. Gut gesät­tigt wan­dern eini­ge nach dem Abend­essen hin­auf zum Gip­fel. Es ist dun­kel und eine Taschen­lam­pe Pflicht. Der jun­ge Hüt­ten­gast warnt mich vor­sich­tig: Im Dun­keln müs­se man gut auf den Weg ach­ten. Hier oben passt man auf­ein­an­der auf, bemer­ke ich schnell.  

Manch­mal gön­ne ich mir ein Ein­zel­zim­mer, aber heu­te will ich ein biss­chen mehr Hüt­ten­fee­ling. Ich erwi­sche mich jedoch dabei, dass ich froh dar­über bin, die ein­zi­ge Gäs­tin im Matrat­zen­la­ger zu sein. Und das an einem Sams­tag­abend bei T‑Shirt Wet­ter. So gemüt­lich es auch ist – wirk­lich gut schla­fe ich auf Hüt­ten sel­ten. Ich bin jeden­falls sehr auf den nächs­ten Mor­gen gespannt. Der Son­nen­un­ter­gang war über­wäl­ti­gend. Wie wird dann erst der Son­nen­auf­gang?

Der Gip­fel ist vom mor­gend­li­chen Nebel umhüllt. Anten­ne, Gip­fel­kreuz und Kapel­le tau­chen immer wie­der mal auf. Auch dies­mal bin ich nicht die Ein­zi­ge hier oben, son­dern ich kom­me mit einem ande­ren Wan­de­rer ins Gespräch, der hier in der Früh rauf­ge­wan­dert ist. Da habe ich dann tat­säch­lich die beque­me Vari­an­te gewählt, denn der Gip­fel ist von der Hüt­te in weni­ger als fünf Minu­ten erklom­men.

Für den Abstieg wäh­le ich die ein­fa­che Vari­an­te über die Forst­stra­ße. Über­ra­schend ent­de­cke ich eini­ge Gäm­sen – schnel­ler, als ich sie foto­gra­fie­ren kann, sind sie auch schon wie­der ver­schwun­den. Ich las­se mir ein wenig Zeit und bli­cke immer wie­der in Rich­tung Dobratsch und füh­le mich abso­lut glück­lich. Ich füh­le mich mit ihm nun tief ver­bun­den.  Zurück am Auto, bin ich erleich­tert, dass es tat­säch­lich abge­schlos­sen war.

Min­des­tens eine Hüt­ten­tour neh­me ich mir für das nächs­te Jahr fest vor.

Nur eine Woche nach mei­nem Besuch lese ich in den Nach­rich­ten, dass der ers­te Schnee gefal­len ist und den Dobratsch mit einem wei­ßen Tep­pich über­zo­gen hat.

War­um ich Hüt­ten­über­nach­tun­gen lie­be

  • In den Ber­gen auf­zu­wa­chen ist ein unver­gleich­li­ches Gefühl
  • Hüt­ten­über­nach­tun­gen holen einen zurück zum Wesent­li­chen
  • Fern­ab von der Zivi­li­sa­ti­on bie­tet das Erleb­nis maxi­ma­len Abstand zum All­tag

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