Auf der Suche nach dem Aloha – Teil I

„Open 6 am to 4 pm“ steht in gro­ßen Let­tern an der Tür mei­nes neu aus­er­ko­re­nen Lieb­lings-Cof­fee-Shop im Her­zen Waikiki’s, der groß­ar­ti­gen Kona-Kaf­fee zube­rei­tet, geschrie­ben. Ich schaue erneut kon­trol­lie­rend auf mei­ne Uhr und wun­de­re mich, ob sie falsch geht oder ein Fei­er­tag ist, denn es ist zehn Uhr mor­gens und im Laden herrscht gäh­nen­de Lee­re.

Ist das womög­lich die­ses Alo­ha von dem alle spre­chen, das nie­mand wirk­lich erklä­ren kann, das ein Gefühl ist, das man selbst erlebt haben muss, um es zu begrei­fen? Wor­an auch immer es lie­gen mag, der Mor­gen auf Oahu beginnt lei­der ohne Kof­fe­in, aber dafür, mit strah­lend blau­em Him­mel, Son­nen­schein und ange­neh­men 25 Grad.

Tags dar­auf erklärt man mir, dass die Uhren auf Oahu etwas anders ticken und man sich häu­fig nach der Surf-App rich­te, danach, wie die Wel­len­la­ge und das Wet­ter wäre, nach den Gezei­ten und Strö­mun­gen. Bei guten Surf­be­din­gun­gen kön­nen die Öff­nungs­zei­ten vari­ie­ren. Ich stel­le fest, auf Oahu legt man mehr Wert auf Lebens­qua­li­tät, als auf Kun­den­ser­vice und es stört mich über­haupt nicht. Viel mehr fin­de ich es char­mant und beschlie­ße in den nächs­ten Tagen, mein ganz eige­nes Alo­ha zu ent­de­cken.

 

Waikiki

Die Flug­zeug­tü­ren öff­nen sich – sechs Stun­den vom nächs­ten Fest­land ent­fernt, wer­den die Tou­ris­ten­strö­me am Hono­lu­lu Inter­na­tio­nal Air­port von freund­lich lächeln­den Damen, in Blu­men­mus­ter-Hem­den, mit geknüpf­ten Orchi­deen­ket­ten (Lei’s) emp­fan­gen. Im dunk­len, in ver­schie­de­nen brau­nen Holz­tö­nen ver­klei­de­ten, Innen­raum des Flug­ha­fens ist sonst kein Alo­ha zu spü­ren. Im Kon­trast dazu, bewegt man sich auf dem Weg zum Gepäck­band abwech­selnd zwi­schen Innen­be­reich und hel­lem, war­men und offe­nen Außen­be­reich, mit vie­len neu­en Gerü­chen – süß­lich, fruch­tig, frisch.

Auf dem Weg in das Low-Bud­get-Hotel Holi­day Surf, direkt am Ala Wai Kanal gele­gen, bin ich nicht mehr sicher, auf Hawaii gelan­det zu sein. Meter­ho­he, dre­ckig-graue Beton­bau­ten zie­ren den Weg ent­lang des High­ways und erin­nern eher an einen Plat­ten­bau und nicht an eine Insel, die für die meis­ten Men­schen als Para­dies gilt.

Im Hotel ange­kom­men, weicht der zwei­fel­haf­te ers­te Ein­druck der Begeis­te­rung über die Aus­sicht des Apart­ments. Direkt vor der Tür, hin­ter der viel befah­re­nen Stra­ße, erstreckt sich der Ala Wai Kanal in vol­ler Pracht und schlän­gelt sich in Rich­tung Dia­mond Head. Eine wei­te­re Hügel­land­schaft türmt sich hin­ter den Hoch­häu­sern, auf der ande­ren Sei­te des Kanals, auf und spricht ganz klar: „Du bist ange­kom­men!“

 

Duke Kahanamoku Lagune

Vom hin­te­ren Ende Waikiki’s bege­be ich mich auf den kur­zen Fuß­marsch zur Duke Kaha­na­mo­ku Lagu­ne. Es liegt eine Bri­se Salz in der Luft und die Fuß­gän­ger­zo­ne ist umrahmt von Pal­men und tro­pi­schen Pflan­zen. Eine Grup­pe Vögel mit grau­em Kör­per und rotem Köpf­chen, die stark an den Staats­vo­gel Illi­nois, den Kar­di­nal erin­nern, hüp­fen zutrau­lich über den Weg und schre­cken auch vor der Kame­ra nicht zurück – Grau­kar­di­na­le, die auf Oahu hei­misch sind. In Mit­ten des rie­si­gen Hotel­kom­ple­xes „Hil­ton Wai­ki­ki Vil­la­ge“, in dem sich auch die Stars von Hawaii 5–0 ab und an tum­meln, ist die klei­ne Lagu­ne gele­gen. Padd­le­boards, gro­ße Was­ser­fahr­rä­der und bun­te Rei­fen fin­den sich auf der künst­lich ange­leg­ten Salz­was­ser­la­gu­ne, die haupt­säch­lich Kin­der nut­zen.

 

Duke Kaha­na­mo­ku Lagu­ne

 

Nur ein dün­ner Strei­fen des zart-kör­ni­gen wei­ßen Sands trennt vom gleich­na­mi­gen Strand und dem offe­nen Oze­an, der in ver­schie­de­nen grün-blau Tönen schim­mert und klar bis zum Grund erscheint. Auf eine Abküh­lung, von der 30-Grad-Außen­tem­pe­ra­tur, hof­fe ich ver­geb­lich, denn das Was­ser ist lau­warm. Auch die leich­te Bri­se, die die Lip­pen sal­zig schme­cken lässt, reicht nicht aus, um von der Hit­ze abzu­len­ken. Den Blick abge­wandt vom tür­ki­sen Nass und nach links ent­lang des end­los wir­ken­den Stran­des geschwenkt, bleibt er, in der Fer­ne, am Vul­kan, der den Sand unter­bricht, hän­gen – der Dia­mond Head bil­det den per­fek­ten Abschluss eines makel­lo­sen Bil­des.

 

Ala Moana Beach Park und Mall

Zu Fuß zieht es mich wei­ter an einen ande­ren Strand in der Nähe Waikiki’s, den Ala Moa­na Beach Park. Der zar­te wei­ße Sand­strand liegt, vor den Gezei­ten geschützt, in einer klei­nen Bucht, in der das Was­ser ruhig und noch wär­mer ist. Hin­ter dem Strand, ein gro­ßer Park, der nur durch eine Stra­ße von der Open-Air-Mall trennt, die diver­se Restau­rants und Shop­ping-Mög­lich­kei­ten bie­tet. Zu reg­nen scheint es hier sel­ten, denn Roll­trep­pen und Sitz­ge­le­gen­hei­ten sind im Frei­en. Ein Pan­ora­ma-Bal­kon erlaubt die Aus­sicht auf die Bucht und ist der per­fek­te Ort, den Son­nen­un­ter­gang zu beob­ach­ten.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAla Moa­na Beach Park

 

Diamond Head

Um sechs Uhr mor­gens, kurz vor dem Son­nen­auf­gang, mar­schie­re ich am Ala Wai Kanal ent­lang in Rich­tung Dia­mond Head Kra­ter. Die, als ein­fach beschrie­be­ne, Wan­der­stre­cke schlän­gelt sich quer durch den Vul­kan­stein, mit leich­ter Stei­gung, hin­auf zum Aus­sichts­pla­teau. Schon in den frü­hen Mor­gen­stun­den trifft man auf aller­hand Men­schen, vom Klein­kind bis zum Rent­ner. Trotz ange­neh­mer 25 Grad gera­te ich vor allem vor dem letz­ten Drit­tel, das nur aus Trep­pen besteht, ordent­lich ins Schwit­zen. Senk­recht im Fel­sen ver­lau­fend, lei­ten die schma­len Stu­fen hin­ein in alte Mili­tär­ein­rich­tun­gen. Wei­ter geht es durch enge, fins­te­re Tun­nel, in denen man­che Fan­ta­sie im Schat­ten die Bil­der von Spin­nen an die Wand zeich­nen mag. Platz­angst oder Kurz­at­mig­keit sind fehl am Platz. Wer ras­tet der ros­tet, lau­tet die Devi­se auf den nur ein­ein­halb Meter brei­ten Trep­pen­auf­gän­gen. Zeit zum Aus­ru­hen bleibt kei­ne, denn in bei­de Rich­tun­gen bil­den sich Tou­ris­ten­schlan­gen. End­lich oben ange­kom­men, zeigt die Aus­sicht, dass sich die Mühen gelohnt haben. Nach unge­fähr 30 Minu­ten Auf­stieg, eröff­net sich ein Blick über die gan­ze Insel – zumin­dest, wenn man die Ell­bo­gen aus­ge­fah­ren, sich durch die Sel­fy-Sticks geschla­gen, und nach vor­ne gedrängt hat.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA OLYMPUS DIGITAL CAMERADia­mond Head

 

Waikiki Beach

Der per­fek­te Som­mer­tag lädt nach­mit­tags zu einem Spa­zier­gang am wohl bekann­tes­ten Strand Oahu’s, dem Wai­ki­ki Beach, ein. Dem Surf-Gott und Schwimm­pro­fi Duke Kaha­na­mo­ku, der bes­ser bekannt ist als „The Big Kahu­na“, zu Ehren, wur­de eine men­schen­gro­ße Sta­tue am Weges­rand auf­ge­stellt. Die Ein­hei­mi­schen schmü­cken die­se mit Leis in allen Far­ben, um ihren Respekt zu zol­len. Und tat­säch­lich, soweit das Auge reicht, Sur­fer, die mal pro­fes­sio­nell auf den Wel­len rei­ten, mal direkt ins Was­ser fal­len. Ent­lang der Strand­pro­me­na­de bäumt sich ein Luxus­ho­tel neben dem ande­ren auf. Dazwi­schen Restau­rants, Bars, Sou­ve­nir-Läden und der Traum aller Frau­en, ein Laden vol­ler Hawaii­klei­der für rund 15 Dol­lar pro Stück.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAWai­ki­ki Beach

 

Hilton Hawaiian Village Starlight Luau

Im boden­lan­gen, lachs­ro­ten Kleid mit Orchi­deen­mus­ter, einer pin­ken Orchi­dee im Haar und einer Kuku-Nuss-Ket­te um den Hals, füh­le ich mich wie eine ech­te Insel­be­woh­ne­rin. Wohin­ge­gen ich für die Ein­hei­mi­schen wohl eher als Kli­schee-Tou­rist zu erken­nen bin. Doch genau die­ses Out­fit gehört für mich dazu, zur authen­ti­schen hawai­ia­ni­schen Bar­be­cue-Fei­er, der Luau. Das Buf­fet war­tet mit lila­far­be­nen Kar­tof­feln (Süß­kar­tof­feln), pul­led pork, Reis und vie­le ande­ren Gerich­ten auf. Beglei­tet von einer bun­ten Show aus poly­ne­si­schen Tän­zen und Gesän­gen ist das Alo­ha-Fee­ling plötz­lich ganz prä­sent. Die­se Nacht schla­fe ich selig und träu­me von den chan­ten­den Hula-Tän­zern und den flie­gen­den, in Flam­men ste­hen­den Stö­cken der Feu­er­show.

 

Pearl Harbor

Der nächs­te Mor­gen steht ganz im Zei­chen der Geschich­te Hawaii’s. Ich besich­ti­ge den immer noch akti­ven Navy-Stütz­punkt Pearl Har­bor, der eine kur­ze Fahrt von Wai­ki­ki ent­fernt, auf der West­sei­te der Insel liegt. Jeder Besu­cher wird ein­ge­la­den, einer kos­ten­lo­sen Tour auf das Denk­mal der USS Ari­zo­na bei­zu­woh­nen, die eine zwan­zig­mi­nü­ti­ge Film­vor­stel­lung und eine kur­ze Boots­fahrt beinhal­tet. Mit Trä­nen in den Augen fin­den sich vie­le Tou­ris­ten wäh­rend der Füh­rung, vor den in Stein gemei­ßel­ten Namen der dama­li­gen Besat­zung, wie­der. Schier unfass­bar, was sich vor 75 Jah­ren, an genau die­ser Stel­le, abge­spielt hat. Die kur­ze Fahrt zurück an Land ist von Schwei­gen geprägt. Den Blick bedäch­tig gesenkt, weiß jeder wie­der zu schät­zen, wie viel Frie­den wert ist. Eine will­kom­me­ne Ablen­kung bie­tet die Besich­ti­gung des Kampf­schiffs Mis­sou­ri, wel­ches mit sei­ner unfass­ba­ren Grö­ße und den unzäh­li­gen laby­rinth­ar­ti­gen Gän­gen fast einer Wan­de­rung gleicht. Rein, raus, run­ter und rauf. Von ganz oben ist die Aus­sicht über den bewohn­ten Stütz­punkt und den Oze­an über­wäl­ti­gend.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAPearl Har­bor

 

Ko Olina

Die trau­ri­ge Geschich­te Pearl Harbor’s zu ver­dau­en bedarf eines ganz beson­de­ren „Ort der Freu­de“ – Ko Oli­na. was der per­fek­te Name für die­se vier klei­nen Lagu­nen, die in einer grü­nen Park­an­la­ge lie­gen, ist. Sie sind ver­knüpft durch ein Fuß­gän­ger­weg, der beein­dru­cken­de Ein­bli­cke in die angren­zen­den Luxus­ho­tels gewährt. Man sieht recht schnell, dass die­se Anla­ge durch Men­schen­hand ent­stand. Der Rasen ist per­fekt gekürzt, frisch, grün, obwohl außen her­um alles durch die Hit­ze ver­dorrt, die öffent­li­chen Toi­let­ten per­fekt gepflegt und kein ein­zi­ges Stück­chen Plas­tik neben den Müll­ei­mern. Das Was­ser ist durch die geschütz­ten klei­nen Buch­ten wenig erfri­schend, eher wie eine Bade­wan­ne, aber die Kin­der erfreu­en sich am ruhi­gen Nass.

Trotz furcht­ba­rem Ver­kehr in der Rush Hour, auf den weni­gen High­ways der Insel, scheint jeder ent­spannt zu sein und kei­ne ein­zi­ge Auto­hu­pe ertönt wäh­rend mei­nes gan­zen Auf­ent­halts. Das färbt ab. Bei Elvis Presley’s Blue-Hawaii-Klän­gen sin­ge ich im Auto. Der Stau inter­es­siert mich nicht. Ich schaue aus dem Fens­ter und sehe Was­ser, Vul­kan­land­schaft, die Schön­heit der Natur. Ich spü­re es – das ist Alo­ha.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERAKo Oli­na

 

Polynesian Cultural Center

Einen gan­zen Tag soll­te man für die grü­ne Oase mit sechs ver­schie­de­nen The­men­be­rei­chen, die jeweils eine der poly­ne­si­schen Kul­tu­ren wider­spie­geln, ein­pla­nen. Tra­di­tio­nel­le Tän­ze, Gesän­ge und musi­zie­ren, wie auf Ton­ga, Neu­see­land, Hawaii, Tahi­ti, Fiji und Samoa, ler­nen die Besu­cher auf unter­halt­sa­me Art. Zum Bei­spiel erfah­re ich, dass der Hula ursprüng­lich nur eine Art war, Geschich­ten wei­ter­zu­er­zäh­len, in einer Zeit in der Hawaii noch kei­ne schrift­li­che Spra­che hat­te. Ein bar­fü­ßi­ger Samo­aner, der nur mit einer blau­en Bade­ho­se beklei­det ist, klet­tert in Sekun­den­schnel­le eine hohe Pal­me hin­auf, um dem Publi­kum zu zei­gen, wie man frü­her Kokos­nuss­milch gewann. Auf Fiji wird Musik, mit hoh­len Roh­ren ver­schie­de­ner Län­gen, gemacht, die über­ra­schend rhyth­misch klingt. Wie es funk­tio­niert zwei Stöck­chen in abge­stimm­ter Cho­reo­gra­phie, zwi­schen sechs ver­schie­de­nen Leu­ten hin und her zu wer­fen und dazwi­schen auf den Boden, oder die Stö­cke der Nach­barn, zu schla­gen (Titi­to­rea), füh­ren die Neu­see­län­der vor. Und nach der 30-minü­ti­gen Auf­füh­rung darf jeder der möch­te selbst sin­gen, tan­zen und wer­fen. Kein Wun­der, dass plötz­lich Kin­der ihre Eltern anfeu­ern, die sich gegen­sei­tig, aus Ver­se­hen, har­te Holz­stö­cke ins Gesicht wer­fen und dabei herz­lich lachen.

Doch nicht nur das Kul­tur­zen­trum selbst ist ein High­light jedes Oahu-Urlaubs, nein, viel­mehr ist bei den Aus­flü­gen der Weg das Ziel. Die ein­stün­di­ge Stre­cke von Laie zurück nach Wai­ki­ki führt ent­lang des Pazi­fiks, auf schma­len Land­stra­ßen, hin­durch tro­pi­sche Regen­wäl­der, vor­bei an den Ko’olau Gebirgs­zü­gen und direkt am Weges­rand fin­det sich ein wah­res Schätz­chen. Ein klei­nes, authen­ti­sches Restau­rant, mit Blick auf die Ko’olau Ran­ge. Die bun­te Hüt­te strahlt im ers­ten Moment Diner-Atmo­sphä­re aus. Nur die Wän­de, die kom­plett voll­ge­krit­zelt sind, mit Zita­ten aus der Bibel, pas­sen nicht ganz in das Bild. Ich genie­ße mei­nen fri­schen Fisch und den kleb­ri­gen Reis in der Papp­box mit Plas­tik­be­steck und Blick auf die wild bewach­se­nen, spit­zen Ber­ge, hin­ter denen lang­sam die Son­ne ver­schwin­det.

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA OLYMPUS DIGITAL CAMERAPoly­ne­si­an Cul­tu­ral Cen­ter

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