Ausbruch aus dem Schlaraffenland

Schla­raf­fen­land. Viel­leicht habt ihr es schon bemerkt – die Brat­hen­nen, die mir in den Mund geflat­tert knus­pern, das Wein­glas, das den Trop­fen wun­der­sam ergänzt, all die Sin­nes­freu­den der Kolo­nie der Gesit­te­ten ertra­ge ich sehr ger­ne. Aber nur kurz. Nach Aben­teu­ern steht mir der Sinn, nach Leben, und so geschieht es: Der Aus­bruch aus der Par­al­lel­rea­li­tät.

Mit Tho­mas, dem Doku­men­tar­fil­mer aus Wies­ba­den, ist der rech­te Kom­pa­gnon dabei, wir len­ken den Miet­wa­gen in den Links­ver­kehr: Der Nord-Osten Zyperns ruft uns, auch wenn war­nen­de Stim­men flüs­tern, Ver­bo­ten, Ver­bo­ten! Dort ist, was die Einen besetz­tes Gebiet nen­nen, die Ande­ren die Tür­ki­sche Repu­blik Nord­zy­pern, getrennt durch einen Puf­fer­strei­fen der UNO, mit­ten­drin Nico­sia, die letz­te geteil­te Haupt­stadt der Welt, seit die Ber­li­ner Mau­er fiel. Eine Repu­blik, nur aner­kannt von der Tür­kei, ent­stan­den aus einem undurch­dring­li­chen Geflecht aus Tätern und Opfern auf allen Sei­ten, Absich­ten und Reak­tio­nen, Ver­trei­bung und Pro­pa­gan­da, zum Leid der Bewoh­ner einer gan­zen Insel, schein­bar unlös­bar ver­wor­ren.

Heu­te ist es kein Pro­blem mehr die Gren­ze zu pas­sie­ren. Ein­zig eine Extra­ver­si­che­rung für den Miet­wa­gen muss man kau­fen. For­mu­la­re fül­len. Die Ein­rei­se wird auf einen klei­nen Visums­zet­tel gestem­pelt: wir haben rüber­ge­macht.

Die Zone

Zuge­ge­ben: Erwar­te­ten wir ein wenig den deso­la­ten Charme einer iso­lier­ten Zone, war die Über­ra­schung gelun­gen. Erstaunt las­sen wir uns von Luxus­wä­gen meist deut­scher Bau­art über­ho­len, und spe­ku­lie­ren mun­ter über die Ein­kom­mens­quel­len der jun­gen Män­ner am Steu­er. Ob die per­fek­te Lage vor der Küs­te des Nahen Ostens eine Rol­le spie­len mag? Für Schmugg­ler könn­ten die ver­wor­re­nen Zustän­dig­kei­ten ein klei­nes Para­dies sein…

Fama­gus­ta. Schö­ne, alte Wege, von Kreuz­fah­rern erbau­te Forts und Kathe­dra­len, heu­te meist als Moscheen genutzt. Ein gewöh­nungs­be­dürf­ti­ger Anblick. Aber voll gelas­se­nen Lebens. Deut­lich ist der tür­ki­sche Ein­fluss spür­bar, und ich mag es. Die grie­chi­schen Rui­nen von Sala­mis, Paläs­te with a view, gänz­lich über­las­sen den weni­gen ver­spreng­ten Tou­ris­ten. Nico­sia: Abge­leb­te und reno­vier­te Gas­sen. Abrupt zer­teilt durch einen Mau­er­strei­fen, Nach­barn wur­den zu Frem­den eines ande­ren Lan­des. Ein erschre­cken­der Anblick, spü­re ich hier einen Aus­schnitt der Geschich­te mei­nes Hei­mat­lan­des, den ich nicht bewusst mit­er­lebt habe.

 

Abends fah­ren wir vol­ler Ein­drü­cke zurück in den ande­ren Teil der gespal­te­nen Insel, der mir auf ein­mal so nor­mal und euro­pä­isch anmu­tet, und auch ein biss­chen lang­wei­lig.

Die Gren­ze, die Mau­er, das alles wird auf den ört­li­chen Stadt­plä­nen und Schil­dern igno­riert, als könn­te man so die Rea­li­tät ver­hin­dern.

Ein Wort lesen wir aber über­all: Peace.

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Antworten

  1. Avatar von KCurion
    KCurion

    Ich habe Dei­nen Blog erst spät ent­deckt, ihn dann fast in einem Stück inha­liert, inzwi­schen mei­nen Tee­licht­kon­sum ein­ge­schränkt und nun … bin ich auf Ent­zug. Es ist so still auf Dei­ner Sei­te gewor­den, ist es die Ruhe vor dem Sturm?

    1. Avatar von klys

      hey, the­res a storm bre­wing behind the bam­boo curtain…

  2. Avatar von Aler der Schwede
    Aler der Schwede

    Bist du in Nor­den­Zy­pern gewes­sen? Habe ich es ver­passt? Nice video und sto­ry 🙂 Noch ein Land das nicht rich­tig exis­tiert…

    1. Avatar von klys

      ja, ich war da… und es hat sich defi­ni­tiv gelohnt!

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