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Bolivien, August 2011.
Als ich nach langer und komplizierter Anfahrt endlich beim Haus des alten, afrobolivianischen Ehepaares ankomme, ist keiner da, der mich erwartet. Der junge Mann, der ein Dorf weiter wohnt und mit dessen Familie ich ein Taxi geteilt habe, hilft mir meine Sachen und die Lebensmittel, die ich für die alten Leute mitgenommen habe, aus dem Auto zu räumen.Eigentlich wissen sie, dass ich komme. Ich hatte mich zuvor in der Hauptstadt mit dem einzigen afrobolivianischen Abgeordneten getroffen und er hat mit dem alten Mann vereinbart, dass ich ein paar Tage bei ihnen bleiben kann. Die Kinder sind lange ausgezogen, darum stehen in dem kleinen Haus Zimmer leer. Der junge Mann geht zum Nachbarhaus. Kurz später kommt er mit einem anderen Mann zurück und sagt mir, dass dieser mir zeigen wird, wo das alte Ehepaar gerade ist. Dann verabschiedet er sich, steigt in das Taxi zu seiner Familie und fährt in die Nacht davon.Es ist neun Uhr abends, die Häuser liegen als große Schatten vor uns. Der Nachbar sagt mir, dass jemand im Dorf gestorben wäre und sich alle in einer kleinen Ansiedlung etwas weiter oben in den Bergen getroffen hätten. Er würde mir den Weg dorthin zeigen, ich solle ihm einfach nachgehen. Wir stapfen los, tasten uns durch die Dunkelheit. Wir folgen einem kleinen Trampelpfad, der teilweise steil bergauf noch weiter in die Tiefen der Anden führt. Rings um uns Bäume und Gestrüpp. Der Mann geht schnell, ich habe Schwierigkeiten ihm zu folgen. Wegen der dünnen Luft, die diese Höhen füllt, schnaufe ich wie eine Dampflok. Immer wieder bleibt er stehen, wartet auf mich, gibt mir Zeit zum Durchatmen. Nach einer Weile lichtet sich der Wald und wir stehen auf einer Schotterstraße. Ganz in der Nähe höre ich Stimmen. Ich richte den Blick nach oben. Dort sind Häuser. Und Menschen.
Als wir uns nähern, werden die Stimmen klarer. Musik tönt aus dem Eingang eines der Häuser. Drinnen brennt Licht, jemand grölt vor sich hin. Plötzlich bin ich umringt von Menschen, von unzähligen Afrobolivianern und Indigenen. Ein alter Mann kommt auf mich zu, schüttelt mir die Hand. Ich erkenne ihn wieder, es ist der Mann, bei dem ich wohnen werde. Ich hatte in der Hauptstadt kurz mit ihm geredet. Eine alte Frau in wallenden Kleidern nähert sich, umarmt mich sofort. Im ersten Moment ist mir nicht klar, wer sie ist, warum sie mich so freundlich empfängt. Es ist die Frau des alten Mannes, sie hat sich wahnsinnig auf mich gefreut. Sie behandelt mich, als wäre ich ihre Tochter, als würde ich dazugehören.
Jemand drückt mir eine Flasche Bier in die Hand. Die Männer und Frauen, die hier Abschied von einer geliebten Person nehmen, sind betrunken. Sie reden viel und laut. Drinnen im Haus heult jemand auf. Dann gibt es Geschrei. Ein junger Mann kommt mit Tränen in den Augen heraus. Ich weiß nicht so recht, was hier passiert. Die alte Frau nimmt meine Hand und flüstert mir zu, dass es um sein Mädchen ginge.
Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser Siedlung bin. Immer wieder drückt mir jemand eine neue Flasche Bier in die Hand. Die alte Frau weicht nicht von meiner Seite. Irgendwann steht ihr Mann auf und deutet ihr, dass er gehen will. Sie fragt mich, ob ich mitkommen wolle. Ich nicke. Es dauert eine Zeit, bis ich mich von allen verabschiedet habe. Dann machen wir uns auf den Weg. Während wir die Schotterstraße hinuntergehen, sollte ich dem alten Mann noch erzählen, dass es in meiner Heimat fliegende Schlangen gäbe. Was für ein Blödsinn. An diesem Abend falle ich hundemüde ins Bett. Es war ein langer und unglaublich aufregender Tag.
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Sehr außergewöhnlich und amüsant. 🙂 Und die fliegenden Schlangen klingen nach einer netten Bier-Fantasie.
Ich habe danach auf alle Fälle verzweifelt auf Youtube nach echten fliegenden Schlangen gesucht ^^
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