Galway: Die charmante Stadt am wilden Atlantik

Uri­ge Pubs mit Live-Musik. Herz­li­che Men­schen. Eine bun­te Food-Sze­ne und spek­ta­ku­lä­re Natur: Das sind nur vier Grün­de, war­um sich ein Besuch in Gal­way lohnt.

War­um gilt ein ehe­ma­li­ges Fischer­dorf an einem ent­le­ge­nen Zip­fel Euro­pas als eine der char­man­tes­ten Orte welt­weit? Ich bin gespannt auf Gal­way. Der Rei­se­füh­rer Lonely Pla­net und das Maga­zin Con­dé Nast Tra­ve­ler etwa zäh­len die iri­sche Gemein­de zu den „lie­bens­wer­tes­ten Plät­zen auf Erden“. 

Ein Lob­lied, an dem die Pubs mit­schrei­ben. Rund 80 soll es in der Stadt am Atlan­tik mit sei­nen 87.000 Ein­woh­nern geben. In den uri­gen Knei­pen wan­dern im Akkord Guin­ness und Craft-Bier, Lam­mein­topf und Mies­mu­scheln über die Holz­tre­sen. Ein Lächeln gibt es meis­tens dazu. Im 130 Jah­re alten „Tigh Neach­tain“ erklärt mir Gary Casey, dass „vie­le Pubs täg­lich Live-Musik brin­gen“. Die Iren wür­den ein­fach ger­ne fei­ern, sagt der Stadt­füh­rer.

Ver­spielt: mit ihren Pubs und Läden ist die Shop-Street das Herz von Gal­way. Tags­über ste­hen alle paar Meter Musi­ker auf der Stra­ße.

In der Cra­ne Bar lau­sche ich Flö­ten, Har­fe und Bodhrán. Die Zie­gen­fell-Trom­mel legt die Bass­tö­ne unter Folks­tü­cke über Lie­be und Ver­lust. Im Raum über der Bar drän­gen sich die Leu­te an nied­ri­gen Tischen. Sie sagen „hal­lo“, rut­schen zusam­men, rei­chen Geträn­ke wei­ter. Ein paar alte Schwarz-Weiß-Fotos zei­gen Musi­ker in Anzü­gen. Unter einem kel­ti­schen Metall­kreuz hän­gen Krän­ze. 

Die Blu­men sind Hei­li­gen gewid­met und ste­hen für das Leben in einem Land, dass noch vor 50 Jah­ren zu den ärms­ten in Euro­pa gehör­te. Rab Ful­ton kann davon berich­ten. Doch lie­ber plau­dert der Geschich­ten­er­zäh­ler in sei­ner wöchent­li­chen Show im Cra­ne über kel­ti­sche Hel­den, spre­chen­de Tie­re und magi­sche Seen. „Sto­rytel­ler“, sagt der Dich­ter und Uni­do­zent, sind auch im moder­nen Irland das Gedächt­nis der Gemein­schaft.

Tra­di­tio­nell: rund 80 Pubs soll es in Gal­way geben. In vie­len läuft abends Live-Musik, meis­tens Folk.

Talente und Träume

Vie­le Künst­ler arbei­ten in Gal­way auf der Stra­ße. Das Latin Quar­ter und die Shop-Street sind die Büh­nen für Musi­ker, Magi­er und Jon­gleu­re. Wer durch das his­to­ri­sche Zen­trum bum­melt, sieht coo­le und kit­schi­ge Läden, dane­ben Talen­te. Musik scheint wie eine gemein­sa­me Spra­che in Irland. Als fünf Jungs Micha­el Jack­sons „Bil­lie Jean“ covern, stei­gen 100 Leu­te ein und las­sen die Gas­sen des 16. Jahr­hun­derts vibrie­ren. 

Als Jugend­li­cher tes­te­te Ed Sheeran hier das Talent. Der Bri­te hat Fami­lie in der Gegend und besuch­te sie oft in den Feri­en. Im Hit „Gal­way Girl“ singt der Welt­star von einem Eng­län­der, der sich in eine Gei­gen­spie­le­rin aus der Stadt ver­liebt. Das Video zum Titel ent­stand im „O’Connell’s“. Im Hof des Pubs zau­bern Food Trucks und Lich­ter­ket­ten Markt­flair. Ob tra­di­tio­nel­le Folk­band, Elek­tro-DJ oder afri­ka­ni­sche Tromm­ler: in der legen­dä­ren Loca­ti­on läuft immer Live-Musik.

Krea­tiv und enga­giert, so hat sich Gal­way einen Namen gemacht. Dut­zen­de Events rei­hen sich in dem Ort anein­an­der, der 2020 Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas war. Berühmt sind das inter­na­tio­na­le Kunst-Fes­ti­val und das welt­weit ältes­te Aus­tern­fest. Michell Rock sagt, dass Ken­ner die Scha­len­tie­re aus der Gal­way-Bucht schät­zen wür­den; weil sie eine fes­te Tex­tur und einen mine­ra­li­schen Geschmack mit nussi­gen Noten hät­ten.

All­wis­send: wahr­schein­lich kennt sich mit der Geschich­te von Gal­way und den aktu­el­len Stadt­ge­rüch­ten kei­ner bes­ser aus als Gary Casey. Man muss den Grün­der von „Athas Tours“ nur erzäh­len las­sen.

Die 32-jäh­ri­ge Irin kam vor zehn Jah­ren in die Stadt, stu­dier­te und blieb. Wir strei­fen durch die Gas­tro-Sze­ne. Pro­bie­ren Fisch­sup­pe, hand­ge­mach­te Pra­li­nen und Whis­key zu Zie­gen­kä­se sowie Sala­mi von Manu­fak­tu­ren, die die Zuta­ten regio­nal bezie­hen und damit expe­ri­men­tie­ren. „Frü­her haben wir in Irland Ein­topf gekocht“, sagt Michell und schiebt nach, dass der tra­di­tio­nel­le „Codd­le“ aus Würs­ten, Speck, Kar­tof­feln und Zwie­beln das Leib­ge­richt ihres Vaters sei. 

Wir lau­fen zum Hafen, in dem alte Fischer­käh­ne ankern. Die Segel­boo­te sind dick und rund, um dem Atlan­tik zu trot­zen. Lan­ge leb­te Gal­way vom Meer und vom Han­del. Heu­te sind Phar­ma- und Medi­zin­tech­nik-Fir­men gro­ße Arbeit­ge­ber. Zwei Unis mit 30.000 Stu­den­ten lie­fern die Fach­leu­te. Seit Jahr­hun­der­ten, sagt Michell, wür­den Leu­te her­kom­men. Sie zeigt auf Stadt, Was­ser, Ber­ge: „Bei uns ist stän­dig etwas los. Und wir haben wun­der­ba­re Natur.“

Geschützt: Kylem­ore Abbey ver­steckt sich tief im Con­ne­ma­ra Natio­nal­park. Der Vic­to­ria­ni­sche Gar­ten, den eine hohe Mau­er vor den Atlan­tik­win­den abschirmt, ist spek­ta­ku­lär.

Zwischen Bergen und Mooren

Es ist noch früh, als ich nach Nor­den in den Con­ne­ma­ra-Natio­nal­park fah­re. Gleich hin­ter Gal­way wan­delt sich das Land. Seen tau­chen auf. Moo­re lösen Fel­der ab. Gras­hü­gel wach­sen zu schrof­fen Ber­gen, an deren Flan­ken Höfe hän­gen wie Wol­ken. Die Schaf­zucht betrei­ben Fami­li­en oft seit Gene­ra­tio­nen. Hier reden sie Irisch, eine kel­ti­sche Spra­che. Ich bestei­ge den 442 Meter hohen „Dia­mond Hill“. Erst ist der Weg über Holz­ste­ge und Stein­pfa­de leicht, dann stei­ler. Kal­ter Wind fegt. Oben ste­hen Wan­de­rer. Sie fah­ren mit dem Fin­ger die zer­klüf­te­te Küs­te ab und zei­gen auf Inseln am Hori­zont. Einer zählt die Spit­zen der „Na Bean­na Beola“-Bergkette, die die Far­be von wel­ken Blät­tern hat. 

In ein Nach­bar­tal schmiegt sich „Kylem­ore Abbey“. Ab 1867 als roman­ti­scher Land­sitz vom eng­li­schen Kauf­mann Mit­chell Hen­ry erbaut, ist das Schloss seit mehr als hun­dert Jah­ren ein Klos­ter der Bene­dik­ti­ne­rin­nen. Neben meh­re­ren Räu­men kann man die neu­go­ti­sche Kir­che besu­chen. Im Park der Abtei, den eine hohe Back­stein­mau­er schützt, tref­fe ich Moni­ka Nav­ra­ti­l­o­va. Die Tsche­chin arbei­tet seit vier Jah­ren als Gärt­ne­rin in der 24.000 Qua­drat­me­ter gro­ßen Anla­ge vol­ler Gemü­se, Obst und Blu­men. „Hier wächst nur, was es schon im vik­to­ria­ni­schen Zeit­al­ter gab«, erzählt sie. Eine der größ­ten ummau­er­ten Gär­ten Irlands soll aus­se­hen, wie zu Zei­ten der eng­li­schen Mon­ar­chin Vic­to­ria im 19. Jahr­hun­dert. 

Stein­alt: im Gebiet des „Bur­ren“ leben Men­schen schon seit Jahr­tau­sen­den. Der Poul­na­bro­ne-Dol­men, ein Grab aus der Jung­stein­zeit, wur­de zwi­schen 3800 und 3200 vor Chris­tus erbaut.

Versteinerte Meereswelt

Am nächs­ten Tag ste­he ich an der Bucht von Gal­way und schaue nach Süden. Auf der ande­ren Sei­te ragen Kegel auf. Das ist der „Bur­ren“, eine ver­stei­ner­te Mee­res­welt so groß wie Bonn. Kilo­me­ter­weit ver­kei­len sich Kalk­plat­ten zu Land­schaf­ten, die karg wir­ken wie Geröll­wüs­ten. In den Fur­chen des Karst­steins blü­hen jedoch ark­ti­sche und medi­ter­ra­ne Pflan­zen. Wer ab Früh­ling den „Bur­ren-Weg“ wan­dert, sieht Enzi­an, Fin­ger­hut und Orchi­deen. Den frucht­ba­ren Boden nut­zen Men­schen schon lan­ge. Das Mega­lith­grab „Poul­na­bro­ne“ ist über 5.000 Jah­re alt, das Stein­fort „Caher­con­nell“ stammt aus der Eisen­zeit. 

Am Rand des Bur­ren stür­zen die „Cliffs of Moher“ fast senk­recht 200 Meter in den Atlan­tik. Wie eifer­süch­ti­ge Göt­ter buh­len die Klip­pen und das Meer um Auf­merk­sam­keit. Tau­sen­de See­vö­gel nis­ten an Land. Dar­un­ter schwim­men See­hun­de, Del­fi­ne und gele­gent­lich Wale. Die Fel­sen, an denen Sze­nen für „Har­ry Pot­ter und der Halb­blut­prinz“ und „Star Wars Epi­so­de 7“ gedreht wur­den, las­sen sich zu Fuß und per Boot erle­ben. Von Gal­way aus fah­ren Schif­fe. Beim Blick auf die rie­si­gen Stein­wän­de wird klar, wie viel Aben­teu­er Irland bie­tet.

Die Recher­che wur­de von Visit Ire­land unter­stützt.


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