Gäbe es eine Geschichte gegen Fernweh …

… dann wür­de die­se unge­fähr so klin­gen:

 

Unse­re Feri­en in Son­gi­no.

Man stel­le sich vor, es wür­de genau das pas­sie­ren wovor man zu Hau­fe gewarnt wor­den wäre: Eines Tages wür­de man jäh­lings mit sei­nem kaput­ten Fahr­zeug dar­nie­der lie­gen, inmit­ten des Nir­gend­wos, zum Bei­spiel in den unend­li­chen Wei­ten der Wüs­te Gobi in der unend­lich gro­ßen Mon­go­lei – fern­ab aller Zivi­li­sa­ti­on. Am frü­hen Mor­gen des besag­ten Tages wür­de man auf­ste­hen und bereits mit einem eigen­wil­li­gen Gefühl der Unbe­hag­lich­keit los­zie­hen. Hin­zu­kom­mend wäre man von einem abnor­men Geräusch ver­un­si­chert gewe­sen. Oder viel­leicht auch nur von einem unde­fi­nier­ten Grum­meln im Bau­che.

Man wür­de sich zwar mit sei­nem Rei­se­ka­me­ra­den über gege­be­ne Zwei­fel an der ast­rei­nen Fahr­taug­lich­keit aus­tau­schen, doch als­bald wür­de man gemein­sam die flot­te Wei­ter­fahrt beschlie­ßen. Etwas getrübt von den her­nie­der­ge­hen­den Regen­fäl­len und der plötz­lich auf­zie­hen­den Käl­te wür­de man sich an die­sem Tage der einen oder ande­ren Schlamm­schlacht sowie erheb­li­chem Schmut­ze stel­len müs­sen. Und so wür­de man sich bei Ein­bruch der Dun­kel­heit auf­grund der eige­nen Müdig­keit ent­ge­gen aller Gewohn­hei­ten nach einem Nacht­la­ger unweit eines klei­nen bewohn­ten Dor­fes umse­hen, sich noch nicht bewusst welch posi­ti­ver, schick­sal­haf­ter Fügung man sich in die­sem Augen­blick hin­ge­ge­ben hät­te.

 

Nach einer ers­ten bit­ter­kal­ten Nacht nach über zwei Jah­ren wür­de man früh am nächs­ten Mor­gen auf­ste­hen um den stei­ni­gen Weg gen Wes­ten zu bestrei­ten und müss­te aus­ge­rech­net an die­sem Tage gegen ers­te Erschei­nun­gen einer Ver­küh­lung kämp­fen. Man wür­de das Auto star­ten und nun tat­säch­lich dem gro­ßen Dilem­ma gegen­über­ste­hen: Ein nicht unwich­ti­ges Teil des Fahr­zeu­ges wür­de sei­nen treu­en Dienst ver­wei­gern und die geplan­te Wei­ter­rei­se bis auf wei­te­res ver­hin­dern. Vom Stur­me ver­weht, von der bit­ter­li­chen Käl­te gequält und von plötz­li­cher Krank­heit über­rollt wür­de man sich augen­blick­lich und gemein­sam den nöti­gen Her­aus­for­de­run­gen stel­len. Schnell wür­de man das Umfeld des Gesche­hens aus­kund­schaf­ten … und schnell wür­de man sich noch mehr ver­lo­ren füh­len als zuvor. Wo wäre man hier nur gelan­det?

 

Son­gi­no der Name, ein klei­nes beschau­li­ches Step­pen­dorf am Ende der Welt. Nach Prü­fung der ört­li­chen Gege­ben­hei­ten wür­de man Gewiss­heit über die intui­ti­ve doch nun vor­teil­haf­te gest­ri­ge Stell­platz­su­che erlan­gen: in die­sem klei­nen Dorf, zu des­sen Ein­woh­ner­schaft man sich kurz­fris­tig zuge­hö­rig fühlt, wür­de es ein klei­nes Geschäft sowie aus­rei­chend Trink­was­ser geben. Und – wür­de man das Mobil­funk­ge­rät im opti­ma­len Win­kel an die rich­ti­ge Stel­le am Fens­ter plat­zie­ren – sogar ein lang­sa­mes doch pas­sa­bel funk­tio­nie­ren­des Inter­net. Nicht unwich­tig für die Pro­blem­lö­sung!

Wäh­rend man sich selbst dick ein­ge­packt sei­ner Krank­heit hin­ge­ben könn­te, wür­de der gelieb­te Rei­se­ka­me­rad die nöti­gen Infor­ma­tio­nen für die nächs­ten nöti­gen Schrit­te recher­chie­ren. Schon bald soll­te man das Unschö­ne sei­ner Situa­ti­on erken­nen: Man wür­de ein wich­ti­ges Klein­teil aus der fer­nen Hei­mat benö­ti­gen, das man aus­nahms­los in die Haupt­stadt des aktu­el­len Rei­se­lan­des schi­cken las­sen könn­te. Unschön. Doch mög­lich. Es wür­de kaum acht bis zehn Tage dau­ern bis das klei­ne Teil mit dem Luft­schiff von Euro­pa ins fer­ne Asi­en gereist wäre – drei bis vier wei­te­re Tage mit dem Busch­ta­xi in das um Wel­ten ent­fern­te Son­gi­no. Zunächst wür­de dies nach einer brauch­ba­ren Lösung klin­gen … doch …

… das Ein­rei­se­vi­sum soll­te nur noch weni­ge Tage gül­tig sein! Aller­dings wür­de man sich etwa 60 Bus­stun­den von der öst­li­chen – bezie­hungs­wei­se 40 Bus­stun­den von der west­li­chen Visums­stel­le des Lan­des befin­den. Soll­te man nun das eige­ne Fahr­zeug mit Heim ein­fach zurück las­sen, um sich gen Wes­ten oder Osten auf­zu­ma­chen? Um dann nach Emp­fang des besag­ten Ersatz­tei­les die gan­ze Stre­cke wie­der zurück zu fah­ren?
Nach einer wei­te­ren kal­ten Nacht, einer Besich­ti­gung des trost­lo­sen Ortes, der Gewiss­heit dass man sich vor Ort nicht ver­stän­di­gen kön­ne, wür­de man genü­gend Pro­vi­ant für die Tage des War­tens erwer­ben sowie Trink­was­ser für die Ver­sor­gung der erkäl­te­ten und auch der gesun­den Pas­sa­gie­re. Bei der nöti­gen Besor­gung von „Mobi­len Daten“ wür­de man sich über die Anwe­sen­heit des wohl nur ein­mal pro Schalt­jahr anwe­sen­den Mobil­funk-Pro­mo­ti­onteams im Dorf freu­en, das der eng­li­schen Spra­che mäch­tig wäre und bei der besag­ten Daten­auf­sto­ckung sowie diver­ser ande­rer Fra­gen bezüg­lich der ört­li­chen Infra­struk­tur behilf­lich sein könn­te.

 

Beglei­tet von klei­nen Spa­zier­gän­gen durch das trotz der Wet­ter­bes­se­rung kaum male­ri­scher wer­den­de Son­gi­no wür­de man sich die Zeit durch wei­te­re Kom­mu­ni­ka­ti­on mit der fer­nen Hei­mat ver­trei­ben sowie mit der Sich­tung von drei gan­zen Staf­feln „Home­land.“ Außer­dem wür­de man wei­te­re tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Vor­ge­hens­wei­sen klä­ren und sich zeit­gleich für die Eigen­in­itia­ti­ve am Fahr­zeug wäh­rend der War­te­zeit ent­schei­den: die eigen­hän­di­ge Feh­ler­be­he­bung.
Doch sie­he da! Wie durch ein Wun­der und eini­ger klei­ner Tricks wür­de des Pro­blem zunächst beho­ben schei­nen, es hät­te even­tu­ell nur mit der tie­fen Tem­pe­ra­tur der letz­ten Tage zu tun gehabt?

Schnell wür­de man sich für die zügi­ge Wei­ter­rei­se am Fol­ge­tag ent­schei­den … und die­se uner­war­te­te Fügung nut­zen, um die Eigen­rei­se gen Wes­ten unmit­tel­bar fort­zu­set­zen. Schließ­lich wür­de ja das Visum ablau­fen! Und so wür­de man in den frü­hen Mor­gen­stun­den die aben­teu­er­li­che Rei­se über Stock und Stein begin­nen und sich über den glück­li­chen Ver­lauf der Wei­ter­rei­se freu­en. Man wür­de sich aller­dings den ergän­zen­den Her­aus­for­de­run­gen in Form von nicht vor­han­de­ner Stra­ßen­ab­schnit­te stel­len müs­sen: 500 km (beschei­de­nes) Off­road!

Kaum drei kräf­te- und ner­ven­zeh­ren­de Tages­rei­sen spä­ter könn­te man sich beim Ein­tref­fen im Ort der Erlö­sung am west­lichs­ten Ende des Lan­des unglaub­lich erleich­tert füh­len. Hier hät­te man nun genü­gend Zeit, besag­tes Visum in der Immi­gra­ti­ons­be­hör­de zu ver­län­gern und man wür­de sich des bes­se­ren Wet­ters gewahr wer­den sowie des über­ra­schend schö­nen Ran­des der weni­ger schö­nen Stadt Ölgii, die zum län­ge­ren Ver­wei­len nicht gera­de ein­la­den doch wenigs­tens gewis­se Struk­tu­ren bie­ten wür­de. Außer­dem könn­te man sich über die äußerst freund­li­chen Men­schen freu­en – vor allem über die vie­len lus­ti­gen Kin­der die­ses mus­li­mi­schen Lan­des­teils unweit der Gren­ze zu Kasach­stan.

 

Es soll­te eine Dau­er von kaum mehr als 10 Tagen ver­ge­hen bis ein klei­ner Busch­flie­ger das ersehn­te und trotz der Spon­tan­hei­lung noch immer äußerst wich­ti­ge Ersatz­teil aus der Haupt­stadt brin­gen wür­de. Hal­le­lu­ja! Oder bes­ser: Inschal­lah! Man wür­de froh­lo­cken und jauch­zen, das Teil kur­zer­hand ein­bau­en und sei­ne aben­teu­er­li­che Rei­se gen Wes­ten wei­ter fort­set­zen. Man wür­de sich herz­lich bei Herrn Hel­ge aus Ulan Bator für die ein­wand­freie Zoll­ab­wick­lung bedan­ken, bei Mathi­as im fer­nen Öster­reich für die gran­dio­se Fern­dia­gno­se – sowie bei den Gel­ben Engeln für den geschwin­den Ver­sand des löb­li­chen und sehn­süch­tig erwar­te­ten Teils.

Und wenn man sich dann noch­mals die Fra­ge stel­len wür­de, ob es Geschich­ten gegen Fern­weh gäbe, so hät­te sie so oder so ähn­lich geklun­gen.

Doch dann wür­de ich vehe­ment den Kopf schüt­teln. Denn aber­mals wür­de ich aus­nahms­lo­se Freu­de emp­fin­den, den Peter anschau­en, ihn umar­men, gemein­sam mit ihm lachen und froh dar­über sein, die­se grau­en Tage gemein­sam mit ihm gemeis­tert zu haben. Zusam­men wür­den wir wie­der ein­mal Dank­bar­keit für das gro­ße Glück hilfs­be­rei­ter Men­schen emp­fin­den und uns sakrisch dar­über freu­en, trotz der Umstän­de und der lan­gen Tage des War­tens unheim­lich viel Spaß gehabt und dar­über hin­aus die ein­drucks­vol­le Mon­go­lei erlebt zu haben.

 

 

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Antworten

  1. Avatar von Joshua

    Ich bin auch schwer begeis­tert von dem Land, Tours durch die Mon­go­lei bzw. die Wüs­te Gobi ste­hen ganz oben auf mei­ner wish to see Lis­te für die nächs­ten Jah­re. Aller­dings wer­de ich es wohl nicht auf eige­ne Faust mit eige­nem Auto machen

  2. Avatar von Wolfgang Wüst
    Wolfgang Wüst

    Ser­vus, ver­rätst Du uns, wor­an der Wagen litt? Was war defekt?

    1. Avatar von Jen und Peter

      Ser­vus!
      Aber sicher … es war das soge­nann­te »Betriebs­brems­ven­til.«
      Wenn das nicht dicht ist, löst sich die Brem­se nicht mehr.
      Wir konn­ten das neue Teil dann rela­tiv schnell ein­bau­en und pro­blem­los wei­ter­fah­ren. 🙂
      Part of the game …
      Bes­te Grü­ße. Jen und Peter

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