Die erste Geschichte, die ich aus dem Kongo höre, ist wenig ein­la­dend. Mein Fah­rer, der mich von Kigali zur ruan­disch-kon­go­le­si­schen Grenze bringt, erzählt von sei­nen Erfah­run­gen in dem Land. Als er ein­mal im Auf­trag sei­ner Agen­tur eine Rei­se­gruppe nach Kis­an­gani brin­gen sollte, nahm ihn die kon­go­le­si­sche Poli­zei fest. Sie warf ihm vor, ein ruan­di­scher Spion zu sein.

Drei Monate sei er in einer Zelle fest­ge­hal­ten wor­den, erzählt mir der Mann. Die Poli­zei habe ihm 3000 Dol­lar abge­nom­men und damit gedroht, ihn in den Fluss zu den Kro­ko­di­len zu wer­fen. Irgend­wann lie­ßen sie ihn frei. Nie­mals wie­der, sagt er, werde er einen Fuß in den Kongo set­zen. Des­halb bringt er mich ledig­lich zur Grenz­sta­tion Grand Barrière.

Was mein Fah­rer unter kei­nen Umstän­den noch ein­mal tun möchte, ist genau mein Plan: in den Kongo reisen.

Eine will­kür­li­che Fest­nahme habe ich wegen mei­ner Pri­vi­le­gien (weiße Haut, deut­sche Staats­bür­ger­schaft, ver­hält­nis­mä­ßi­ger Reich­tum) nicht zu fürch­ten. Aber die Poli­zei ist auch nicht das größte Sicher­heits­pro­blem im Ost­kongo. Es sind Mili­zen, denen die Staats­ge­walt wenig ent­ge­gen zu set­zen hat.

Blick über Nord-Kivu bei Goma.

Der Ost­kongo mit den zwei Kivu-Pro­vin­zen ist ein soge­nann­tes Kon­flikt­ge­biet – ein Euphe­mis­mus. Bis zu 160 bewaff­nete Grup­pen sind dort aktiv, zum Bei­spiel die isla­mis­ti­sche ADF und diverse Frak­tio­nen der Mai-Mai. Die Ban­den ste­hen unter der Füh­rung von War­lords und ver­su­chen, ihren Anteil am Geschäft mit den wert­vol­len Boden­schät­zen her­aus­zu­schla­gen. Begehrt ist zum Bei­spiel Col­tan, das sel­tene Erz für die Smart­phones die­ser Welt.

Der unüber­sicht­li­che Macht­kampf über­zieht das Land mit Schre­cken: Gesetz­lo­sig­keit, Über­fälle, Morde, Ver­ge­wal­ti­gun­gen als Kriegs­waffe. Außer­dem gras­siert Cho­lera, und manch­mal bricht Ebola aus.

REISE INS KRISENGEBIET

Das Aus­wär­tige Amt hat für den Ost­kongo schon vor vie­len Jah­ren eine Rei­se­war­nung aus­ge­spro­chen. Dort besteht somit „eine akute Gefahr für Leib und Leben“. Kann man in eine sol­che Region rei­sen? Und lohnt sich das über­haupt, aus tou­ris­ti­scher Sicht? Falls ja, ist das Risiko nicht viel zu groß?

Die Ant­wort auf die ers­ten bei­den Fra­gen ist zwei­fel­los: ja.

1.    Lokale Ver­an­stal­ter sowohl im Kongo selbst als auch im benach­bar­ten Ruanda bie­ten mehr­tä­gige Tou­ren an. Aus­gangs­punkt ist immer Goma, die größte Stadt im Osten des Lan­des direkt an der Grenze. Die Agen­tu­ren orga­ni­sie­ren Trans­fers, Unter­brin­gung, Geneh­mi­gun­gen und mit wenig büro­kra­ti­schem Auf­wand auch ein soge­nann­tes visa trans­fron­ta­lier. Ich ent­scheide mich für Ama­horo Tours mit Sitz in Kigali. Die Rei­se­be­schrei­bung ver­spricht eine „high-qua­lity tour expe­ri­ence“ und „stun­ning views“. Diese Wort­hül­sen aus der Spra­che des Tou­ris­mus­mar­ke­tings mögen vie­les andeu­ten, aber kei­nen Aus­flug in ein Krisengebiet.

2.    Es sind zwei ein­zig­ar­tige Erleb­nisse, die Tra­vel­ler aus der gan­zen Welt in den Ost­kongo zie­hen, nach Virunga, in den ältes­ten Natio­nal­park Afri­kas, Unesco-Welt­erbe. Dort erhebt sich zum einen der Nyira­gongo, ein 3470 Meter hoher Stra­to­vul­kan. Sein Kra­ter birgt den größ­ten Lava­see der Erde. Zum ande­ren las­sen sich an den Hän­gen der Virunga-Vul­kane die letz­ten Berg­go­ril­las der Erde auf­spü­ren. Das Per­mit für das Gorilla-Track­ing kos­tet im Kongo nur 400 US-Dol­lar. In Uganda sind es 600, in Ruanda sogar 1500.

Berg­go­rilla im Virunga-Nationalpark.

VERZERRTE WELT

Ankunft an der Grenze. Grand Bar­rière sieht erst ein­mal aus wie eine voll­kom­men gewöhn­li­che Lan­des­grenze irgendwo in Afrika. Autos, Händ­ler und Bauch­la­den-Ver­käu­fer. Das Immi­gra­tion Office, wo ich mei­nen Pass für die Aus­reise stem­peln las­sen muss, besteht aus einer moder­nen Halle und erin­nert an ein Flug­ha­fen-Ter­mi­nal. Die Schal­ter mit den Beam­ten strah­len höchste Serio­si­tät aus. Ruanda will schließ­lich das Sin­ga­pur Afri­kas werden.

Wie wird das drü­ben im Kongo sein, wo die Kor­rup­tion den Staat von innen zer­frisst? Wird man mir gleich ein Bestechungs­geld abknöp­fen wol­len? Wird der Grenz­be­amte, nach­dem er mich ins Land gelas­sen hat, sofort ein paar Bekannte anru­fen, die sich an meine Fer­sen hef­ten, weil es bei dem rei­chen Aus­län­der sicher eini­ges zu holen gibt? Am Ende machen sie fifty-fifty.

Ich befinde mich im Zustand erreg­ter Anspan­nung, wie immer, wenn es in eine Region geht, die fast kein Tou­rist je zu Gesicht bekommt, von der man allen­falls in den Nach­rich­ten gehört hat – und dann nichts Gutes.

Kri­sen­ge­biet, Mili­zen, Rei­se­war­nung: Das sind Begriffe, die abschre­ckende Bil­der im Kopf erzeu­gen. Gleich­zei­tig wer­den sol­che Reiz­worte an kei­nem Ort der Welt der Wirk­lich­keit gerecht. Es ist so, als würde man Deutsch­land mit Daim­ler, Neo­na­zis und Leder­ho­sen umschrei­ben. Auf die­ser Reise geht es mir auch darum, hin­ter die Schlag­worte zu schauen, zu erfah­ren, was sie kon­kret bedeu­ten, ver­schlei­ern oder gänz­lich verbergen.

Fern­straße N2 in der Pro­vinz Nord-Kivu.

DER GUIDE HAT RÜCKEN

Der erste Mensch, mit dem der Kongo sich mir prä­sen­tiert, strahlt offen­her­zig, aber lächelt gegen große Schmer­zen an – viel­leicht ein Sinn­bild der all­ge­mei­nen Ver­fasst­heit des Landes?

David Nenwa ist mein Guide und Ansprech­part­ner in den kom­men­den Tagen. Er ver­strömt die Zuver­sicht aller Tou­ris­ten­füh­rer die­ser Welt, doch ihn pla­gen schlimme Rücken­schmer­zen. Bei man­chen Bewe­gun­gen ver­zieht er das Gesicht und unter­drückt einen Schrei. Ich schenke ihm die Ibu­profen-Tablet­ten aus mei­ner Reiseapotheke.

David beglei­tet mich zum kon­go­le­si­schen Immi­gra­tion Office. All­ge­mei­nes Durch­ein­an­der, aber der Kon­go­lese weiß, wel­chem Uni­for­mier­ten er mei­nen Rei­se­pass geben muss, damit alles zügig läuft. David ist in Goma gebo­ren. Er weiß ganz gene­rell, wie die Dinge hier lau­fen, grüßt stän­dig irgend­wen, lacht viel. Auf sei­nem Handy zeigt mir David ein Foto mit Han­nes Jae­ni­cke, den er ein­mal beglei­tet hat. Der deut­sche Schau­spie­ler setzt sich für die Goril­las ein.

Anders als das Aus­wär­tige Amt behaup­tet, muss man das Visum für die Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo nicht vor der Reise bei der Bot­schaft bean­tra­gen, jeden­falls nicht für Goma und Virunga. Die Agen­tur hat ein Visa on arri­val beschafft, nach­dem ich vorab einen aus­ge­füll­ten Antrag per E‑Mail geschickt habe. Nach fünf Minu­ten sind wir an der Grenze fertig.

EIN GEFÜHL VON NORDITALIEN

David fährt mich ins Hotel der Cari­tas am Lake Kivu, die Fahrt dau­ert viel­leicht fünf Minu­ten. Die Unter­kunft liegt direkt am Was­ser. Die Zim­mer sind sau­ber. Zum See hin erstreckt sich ein Gar­ten mit einer Ter­rasse, wo man einen Bur­ger oder pou­let con­go­laise zu sich neh­men kann. Ich setze mich hin für eine Cola und etwas Ord­nung im Kopf, schaue übers Was­ser zu Berg­hän­gen am Hori­zont und habe kurz den Ein­druck, dass dies auch der Comer See sein könnte. Aber es ist der Ost­kongo, das berüch­tigte Krisengebiet.

Cari­tas-Unter­kunft am Lake Kivu.

David wird mich mor­gen früh im Hotel abho­len, für die Gorilla-Tour. Ich frage ihn, ob ich mich ein­fach so in Goma bewe­gen könne. Das sei kein Pro­blem, ver­si­chert David. Nur meine Kamera, die solle ich bes­ser im Ruck­sack las­sen. Leuch­tet ein. Das gilt auch an vie­len ande­ren Orten der Welt.

Goma ist die größte Stadt im Osten die­ses bru­tal ver­arm­ten Lan­des, das in wei­ten Tei­len aus unzu­gäng­li­chen Regen­wäl­dern besteht. Etwa zwei Mil­lio­nen Men­schen leben in der Grenz­stadt. Der Wert mei­ner Kamera plus Objek­tiv über­steigt das durch­schnitt­li­che Jah­res­ein­kom­men eines Kon­go­le­sen. Ist das ver­rückt? Scho­ckie­rend? Trau­rig? Oder ein­fach ein Fakt, der sich so oder so inter­pre­tie­ren lässt? Viel­leicht alles zusammen.

Lei­der lässt sich nur schwer ver­mei­den, dass Rei­se­be­richte wie die­ser immer auch über den Gru­sel­fak­tor einer gefähr­li­chen Welt­re­gion funk­tio­nie­ren. Aben­teu­er­ur­laub im Kriegs­ge­biet, mit Bett­lern und grim­mi­gen Sol­da­ten als Staf­fage. Dabei ver­su­chen die aller­meis­ten Men­schen hier nur, mög­lichst leid- und sor­gen­frei durch den All­tag zu kom­men, wie über­all. An der Betrach­tung die­ses All­tags rela­ti­viert sich der Blick aus der Ferne, der von Schre­ckens­nach­rich­ten ver­zerrt ist, nichts ande­res als ver­zerrt sein kann.

MÄRKTE UND MASKEN

Mein Hotel befin­det sich ganz im Süd­os­ten der Stadt, nicht weit vom Zen­trum und Flug­ha­fen ent­fernt. Hier unter­schei­det Goma auf den ers­ten Blick wenig von ande­ren Metro­po­len in Ost­afrika, von Dar­essa­lam oder Harare. Geschäfte rei­hen sich ent­lang der Stra­ßen auf, mehr Bara­cken als Häu­ser. Haus­halts­be­darf, Werk­zeuge, Auto­teile, Elek­tro­nik, Back­wa­ren, Snacks und Getränke. Autos, aber vor allem Motor­rä­der und Rol­ler fül­len die Stra­ßen. Und ein mir unbe­kann­tes Gefährt, eine Spe­zia­li­tät in Goma: Das Chu­kudu ist ein höl­zer­nes Lauf­rad, mit dem die Men­schen Las­ten transportieren.

Goma und ein Chukudu.

An einem gro­ßen Kreis­ver­kehr rund um den Place Mama­dou Ndala beginnt ein über­schau­ba­rer Markt für Kunst­hand­werk. Ich kaufe tat­säch­lich eine Maske, auch wenn es mir vor­kommt, als bediente ich damit ein Kli­schee. Aber die Maske ist wirk­lich alt und schön schlicht. Der Ver­käu­fer erklärt mir, aus wel­chem Volk sie stammt, aber ich merke es mir nicht, was mich im Nach­hin­ein ein wenig ärgert. Warum? Weil es mir bewusst macht, dass auch ich den Kongo nur als eine rie­sige, homo­gene Land­masse betrachte. Dabei gibt es Dut­zende ver­schie­dene Eth­nien und Sprachen.

Ande­rer­seits bin ich stän­dig damit beschäf­tigt, die Umge­bung zu scan­nen und daher ner­vös. Hat mich jemand ins Visier genom­men? Ver­folgt mich irgend­wer? Droht Stress? Die Para­noia des Orts­frem­den. Alles kein Pro­blem, sagte David.

EINE SCHWIERIGE MISSION

Am Stra­ßen­rand ver­kau­fen kon­go­le­si­sche Kin­der zeit­ge­nös­si­sches Kunst­hand­werk: weiß ange­malte Autos mit der Auf­schrift „UN“, zusam­men­ge­schraubt aus Schrott. Minia­tur-Aus­ga­ben der wei­ßen Gelän­de­wa­gen, die hier durch die Stra­ßen fah­ren. Die größte UN-Frie­dens­mis­sion Monusco hat ihr Haupt­quar­tier in Goma. Die inter­na­tio­nale Ein­greif­truppe soll im ruhe­lo­sen Ost­kongo den fra­gi­len Frie­den sichern, was mehr schlecht als recht gelingt. Im Jahr 2012 zum Bei­spiel nahm die Rebel­len­gruppe M23 kurz­zei­tig Goma ein, die Blau­helme leis­te­ten kei­nen Wider­stand. Die Miliz zog wie­der ab, es gab Ver­hand­lun­gen mit der Regie­rung. Heute ist es kei­nes­wegs so, dass in Goma über­all Sol­da­ten pos­tiert sind. Im geschäf­ti­gen Trei­ben der Metro­pole fällt die UN-Mis­sion kaum auf.

Am spä­ten Nach­mit­tag kehre ich ins Hotel zurück und habe den alber­nen Ein­druck, eine brand­ge­fähr­li­che Mis­sion gemeis­tert zu haben. Dabei bin ich nur spa­zie­ren gewesen.

Am nächs­ten Tag aber las­sen wir die Groß­stadt mit dem UN-Quar­tier hin­ter uns. Die Gorilla-Gebiete lie­gen David zufolge zwei, drei Stun­den nörd­lich der Stadt. Wie sicher ist es, dort­hin zu fah­ren? Ich selbst kann es nicht beur­tei­len und ver­traue der Agen­tur. David sagt: Wir kön­nen fah­ren. Aller­dings beglei­tet uns zusätz­lich ein Ran­ger mit einer Maschi­nen­pis­tole auf einem Motor­rad. Diese Schutz­maß­nahme erscheint mir dürf­tig für den Fall der Fälle, den ich mir im Grund auch gar nicht aus­ma­len möchte.

Sta­chel­draht-Absper­rung eines UNO-Quartiers.

Wenn es heißt, der Ost­kongo sei unsi­cher, dann ist das wie­der eine Pau­scha­li­sie­rung. Goma ist ziem­lich sicher, die Stadt Beni 350 Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich nicht. Dort grei­fen immer wie­der Rebel­len an. Über­haupt sind die Ent­fer­nun­gen gewal­tig. Allein der Virunga-Natio­nal­park hat etwa die Größe Kre­tas. Die bei­den Kivu-Pro­vin­zen sind ins­ge­samt fast so groß wie Eng­land. Es kommt immer sehr dar­auf an, wo genau man sich bewegt und auf­hält. Der Süden von Virunga gilt zu der Zeit mei­nes Besuchs, im Sep­tem­ber 2017, als „ver­gleichs­weise sicher“. So lese ich es immer wie­der. Eine beru­hi­gende, aber auch merk­wür­dig schwam­mige Formulierung.

IM HINTERLAND

David und ich ver­las­sen Goma auf der Fern­straße N2 nach Nor­den. Die Route führt hoch nach Ruts­huru und von dort wei­ter, doch wir wer­den sie vor­her ver­las­sen und auf unbe­fes­tig­ter Piste an die Hänge der Virunga-Vul­kane fah­ren. Dort war­ten die Gorillas.

Warum wir so lange unter­wegs sein wer­den, zeigt sich schnell: Die Schlag­lö­cher sind an vie­len Stel­len so tief, dass nur Schritt­ge­schwin­dig­keit mög­lich ist. Oder nur wenig mehr Tempo. David lenkt um die Löcher herum, ich schaue in die Ferne. Am duns­ti­gen Hori­zont erhebt sich der Vul­kan Mikeno mit sei­nem zacki­gen Kegel wie ein prä­his­to­ri­scher Berg, erdacht für einen The­men­park. Die Land­schaft ist satt­grün. Kühe gra­sen neben der Straße, länd­li­che Idylle. Hier und da steht eine Hütte – und an einer Stelle ein ros­ti­ges Artil­le­rie­ge­schütz, Zeug­nis einer der vie­len Kämpfe.

Vul­kan Mikeno, Sicher­heits­mann, eine alte Haubitze.

ZU BESUCH BEI VERWANDTEN

Dort, wo die Straße in den Hügeln endet, steht der Rang­erpos­ten. Hier gibt Jack Humba eine Ein­wei­sung in das soge­nannte Gorilla-Track­ing, das Auf­spü­ren der Tiere. Rund 200 Exem­plare leb­ten in den Berg­wäl­dern des Ost­kongo, erklärt Jack. Acht Fami­lien und vier Ein­zel­gän­ger haben die Ran­ger erfasst, mit Namen und Stand­or­ten, ins­ge­samt 124 Tiere. Wir wer­den die Humba-Gruppe auf­su­chen, zehn Tiere, zwei Sil­ber­rü­cken. Diese Goril­las sind habi­tua­li­siert, also an Men­schen gewöhnt. Neben mir ist ein Ame­ri­ka­ner dabei, der vor Ort in einer behelfs­mä­ßi­gen Ran­ger-Lodge über­nach­tet hat.

Man riecht die Goril­las, bevor man sie sieht. Wir haben Glück gehabt: Nur eine Stunde hat der Marsch gedau­ert, es hät­ten auch drei oder vier sein kön­nen. Wir zie­hen einen Mund­schutz auf, um die Tiere nicht anzu­ste­cken, und flüs­tern nur noch. Sie­ben Meter Abstand soll man hal­ten, doch die Ran­ger legen das groß­zü­gig aus. Und da sit­zen die Men­schen­af­fen tat­säch­lich im Gebüsch.

Ran­ger Jack Humba, Wan­de­rung zu den Gorillas.

Wir haben nur eine Stunde, das ist so vor­ge­schrie­ben. Die Zeit ver­geht lang­sam und schnell zugleich. Lang­sam, weil man jede Bewe­gung der Goril­las genau ver­folgt. Wie sie ein Stange Bam­bus in den Mund schie­ben, ein­an­der strei­cheln, schnau­fen und gäh­nen. Vor allem aber ver­folgt man die Bli­cke der Goril­las. Es ist, als schaute man einem Mensch in die Augen.

Wir kom­men bis auf drei Meter an die Tiere heran. Ein jün­ge­res Weib­chen erhebt sich plötz­lich, macht einen Schritt auf uns zu und trom­melt sich auf die Brust. Gefahr besteht aber nicht. Die Ran­ger schnal­zen hin und wie­der, sie signa­li­sie­ren damit unsere Harmlosigkeit.

Berg­go­ril­las an den Hän­gen der Virunga-Vulkane.

Schnell ver­geht die Zeit, weil man stän­dig Fotos macht, dabei immer wie­der die Kamera absetzt und ver­sucht zu rea­li­sie­ren, dass man die letz­ten Berg­go­ril­las direkt vor Augen hat. Aber das Gehirn kommt nicht hin­ter­her. So traum­wan­dele ich zurück zum Rang­erpos­ten, als läge ein Zau­ber über dem Wald.

Dass man die Berg­go­ril­las über­haupt noch besu­chen kann, ist ein klei­nes Wun­der. Sie sind vom Aus­ster­ben bedroht, auch wenn sich die Bestände sta­bi­li­siert haben und sogar wach­sen. Nach jüngs­ten Zah­len gibt es 1063 Berg­go­ril­las (gorilla beren­gei beren­gei). Dian Fos­sey trug ihr Schick­sal hin­aus in die Welt. Die US-For­sche­rin lebte viele Jahre im Berg­wald bei den Tie­ren, bis sie 1985 in Ruanda ermor­det wurde. Ihre Auto­bio­gra­fie „Goril­las im Nebel“ war ein Best­sel­ler und wurde von Hol­ly­wood ver­filmt. Die Auf­merk­sam­keit brachte den Tie­ren über die Jahre bes­se­ren Schutz.

EIN HOHER PREIS

Ich nehme Abschied von der Ran­ger­truppe, die uns an die­sem Tag zu den Tie­ren geführt hat. Die 50 US-Dol­lar in mei­nem Porte­mon­naie gebe ich als Trink­geld. Es scheint mir viel zu wenig. In einer Gegend, in der ein Men­schen­le­ben wenig zählt, ris­kie­ren diese Frauen und Män­ner alles für die Gorillas.

In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten wur­den mehr als 175 Ran­ger durch Rebel­len oder Wil­de­rer getö­tet, dabei sind die Park­hü­ter selbst mit Kalasch­ni­kows bewaff­net. Min­des­tens. „Natur­schutz mit der Pan­zer­faust“ schrieb ein Kol­lege ein­mal über Virunga. Net­flix drehte eine Doku über die Arbeit der Ran­ger („Virunga“), der Film wurde für einen Oscar nomi­niert. Es ist einer der gefähr­lichs­ten Jobs auf dem afri­ka­ni­schen Kontinent.

Ran­ger vom Virunga-Nationalpark.

Wir fah­ren zurück nach Goma, in jene flir­rende Stadt mit ihren UN-Jeeps, bun­ten Märk­ten und Elends­vier­teln. Kurz vor dem Orts­ein­gang eine Poli­zei­kon­trolle. David weiß genau, wie viele Kon­go­le­si­sche Franc er für den Beam­ten bereit­hal­ten muss. Wir haben den Tag sicher hin­ter uns gebracht.

Alles halb so wild also? Ist die Rei­se­war­nung des Aus­wär­ti­gen Amtes viel­leicht übertrieben?

2018, acht Monate nach mei­ner Reise: Auf dem Weg zum Gorilla-Track­ing wird ein bri­ti­sches Tou­ris­ten­paar auf der Straße von Goma nach Ruts­huru ent­führt und eine Ran­ge­rin getö­tet. Nach weni­gen Tagen ver­kün­det das bri­ti­sche Außen­mi­nis­te­rium die Frei­las­sung. Doch der Virunga-Park wird bis Ende des Jah­res geschlos­sen. Die Wie­der­eröff­nung folgt im Februar 2019. Ein Besuch ist nun wie­der mög­lich. Und wohl „ver­hält­nis­mä­ßig sicher“.

Fahrt zurück nach Goma.

Cate­go­riesDR Kongo
  1. Das klingt super­span­nend. Wir sind 2016 durch Ruanda und Uganda gereist, haben das Gorilla-Track­ing damals in Uganda gemacht. Und haben auch mit dem Kongo gelieb­äu­gelt, schon allein wegen des Nyira­gongo – man konnte ja von Rubavu in Ruanda rüber­schauen nach Goma. Weißt du noch, wie­viel die Tour von Kigali damals gekos­tet hat?

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