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Immer höher windet sich die Straße in die Simien Mountains. Man sieht kein Ende in den Serpentinen und doch ist man schon auf dem Dach Afrikas. Eine Aussicht schließt sich der nächsten an und man weiß gar nicht, welche die Schönste ist; alles ist einfach nur atemberaubend!
Aussicht auf Hohes
Nördlich von der alten Hauptstadt Gonder in Äthiopien erstrecken sich die Simien Mountains. Sie sind die höchste Bergkette im Land und Heimat für die seltenen und bedrohten Tierarten des äthiopischen Steinbocks und Wolfes. Auch die Dschelada, Blutbrustpaviane, sind einzigartig und nur hier zu finden. Mein erster Plan, die Berge alleine zu bezwingen und nur den obligatorischen Scout zu nehmen, weichen schnell dem Komfort einer organisierten Tour. Zu faul bin ich, mich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Debark zu bewegen, meine Verpflegung selbst zu beschaffen und dann auch noch aus Kostenersparnis die ganze Ausrüstung auf 3000 bis 4000 Metern zu schleppen. Da zahle ich lieber ein wenig extra und muss mich nur um mich selbst kümmern.
Warmup am Tag 1
Mit gewohnter Verspätung werde ich in Gonder vom Hotel abgeholt und nachdem wir dann noch Johnny, unseren Koch, mitsamt Verpflegung eingeladen haben, setzt sich unser Minibus in Bewegung. Nach Debark sind wir knapp zwei Stunden unterwegs und unsere Fahrer sind mehr in Mittagslaune als wir und legen nach der Registrierung im Nationalparkbüro erstmal eine Pause ein. Wir laden noch den Guide, Scout und den Kochgehilfen zu und aus dem für Afrika ungewohnten Platzgefühl, welches wir auf der Fahrt bisher genießen durften, wird schnell das gewohnte Kuschelgefühl. Auf halbem Weg zwischen Parkeingang und Sankaber Camp werden wir »rausgeschmissen«. An einer mächtigen Felskante ist Zeit für die Sandwiches. Unser Essenspaket muss herhalten. Die einheimischen Raben finden das auch besonders toll und segeln geschmeidig und durch den Wind getrieben in Schlagdistanz. Der kleinste Krümel wird zum Angriff vorgemerkt. Unser Guide macht nach diesem gelungenen atemberaubenden Auftakt erste Annäherungsversuche. Sein Englisch ist gut, nur seine schüchterne Art lässt die Vorstellung etwas holprig über die Bühne gehen. Er verspricht, dass wir jeden Tag neue Tiere zu sehen bekommen und immer atemloser werden. Entlang der Kante folgen wir ihm auf einem kleinen Pfad parallel zur einzigen und verdammt staubigen Straße durch den Park. Es wird richtig idyllisch. Der Pfad windet sich durch einen kleinen Wald am Hang, die Atmosphäre gleicht einem Sonntag-Nachmittag-Spaziergang zu Hause. Es ist nicht wirklich anstrengend und die 3200 m spürt man noch nicht. Absoluter Höhepunkt sind unsere ersten Dschelada-Sichtungen. Unser Weg durch das kleine Tal führt uns direkt durch die Gruppe von geschätzten 200 Dscheladas.
Viele weitere Gruppen werden uns in den nächsten vier Tagen begegnen. Drei Stunden zu Fuß und wir erreichen Camp Sankaber. Johnny hat schon die Zelte aufgestellt und Kaffee, Tee und Popcorn warten darauf, verzehrt zu werden. Kurz vor dem Abendbrot gehen wir nochmal auf eine kleine Erkundungstour. Die Versprechungen unseres Guides sollten in Erfüllung gehen. Schon hier bekommen wir Antilopen zu Gesicht. Ein kurzer Sprint zum Aussichtspunkt sichert uns noch wundervolle Bilder vom Sonnenuntergang.
Gemalte Landschaften
Der zweite Tag beginnt verraucht und staubig. Statt entlang der Pfade zu laufen zwingt uns eine achtlos weggeworfene Zigarette und ein kleiner Waldbrand auf die staubige Straße.
Meine Gefühle zum Nationalpark gehen Achterbahn. Wunderschöne Aussichten wechseln sich mit LKWs und PKWs ab, die sich über die huckelige Piste schlängeln und uns einstauben. Erst der Aussichtspunkt über einen 500 m‑Wasserfall lässt mich wieder positiv denken. Selbst seine Wasserlosigkeit spielt keine Rolle mehr.
Als dann aber die Souvenirverkäufer uns penetrant sogar hunderte Meter berauf folgen, rauscht meine Laune in den Keller. Die Mittagspause am Fluss und der restliche Aufstieg nach Gich erweisen sich aber als lohnenswert. Die Landschaft erinnert mich etwas an die siebenfarbigen Erden auf Mauritius.
Ich werde aber von einem schweizer Studenten aufgeklärt. Das schöne Bunte ist »verbrauchte« Erde und schlecht für die Menschen vor Ort. Nur die schwarze Vulkanerde ist nährreich und eignet sich für Landwirtschaft. Der Pfad führt weiter nach Gich. Das erste Dorf in Äthiopien, das ich sehe, in welchem die Häuser keine Wellblechdächer haben. Eingerahmt von Palmen, Zäunen und die hügelige Landschaft kann sich das Dorf sehen lassen. Kaum touristisch und sehr natürlich geblieben, bietet es eine Einsicht in den Alltag der Einheimischen.
Nur etwas oberhalb des Ortes liegt das Camp auf einer weiten Ebene. Pferde und Esel grasen um die Zelte und Hütten herum. Bewohner aus Gich kommen zur nahegelegenen Oase, um sich Wasser zu holen und Wäsche zu waschen.
Unsere Zelte warten schon wieder auf uns und ein riesiges Abendessen belohnt die mäßigen Anstrengungen und verdecken die schlechte Laune des Vormittags. Der Abendspaziergang auf den Kedadit (3772 m) bringt zwar heute keine neuen Tiere zum Vorschein, rundet den Tag aber mit dem schönsten Sonnenuntergang während der vier Tage Trekking ab. Auch hier wieder Dscheladas, die sich an den steilen Hängen schlafen legen. Als würde sich der Körper an die kühlen Nächte gewöhnen, schläft es sich im Zelt recht angenehm, wenn auch hart und kurz.
Berg auf, Berg ab
Es musste ja auch mal etwas anstrengender werden. Tag 3 hat es in sich. Die Entfernung und die Höhe um 4000 m lassen es von Tag zu Tag härter werden. Landschaftlich birgt jede Kuppe, jedes Tal einen Wow-Effekt. Extrem steile Kanten mit über 1500 m bieten tiefe Blicke ins ferne Tal.
Imet Gogo (3937 m) und Enati (4070 m) bilden unsere höchsten Punkte und wundervolle Panoramen der Simien Mountains. Um seine Versprechen zu erfüllen, werden wir rund um Chenney Camp von unserem Guide von Abgrund zu Abgrund geführt. Und wir haben Glück. Der seltene äthiopische Steinbock lässt sich in einer kleinen Gruppe blicken. Es gibt nicht mehr viele dieser Tiere in den Simien Mountains; umso mehr freut uns ihr Anblick.
Als letzter und einzigartiger fehlt uns noch der äthiopische Wolf. Zum Abendbrot schleicht sich einer an uns heran. Ein kleines Exemplar der nur noch 80 äthiopischen Wölfe in den Simien Mountains.
Ras Bwahit – zweithöchster Gipfel Äthiopiens
Die Sonne lässt in Chenney Camp etwas länger auf sich warten, dementsprechend ist es morgens etwas kälter. Also wird kurzerhand das Frühstück verschoben und wir brechen kurz vor 9 zum Ras Bwahit auf. Wieder entlang der Straße, eine Serpentine nach der anderen Richtung Pass. Es begegnen uns einige LKWs und wir gehen regelmäßig vor Staub in Deckung. Ein ausgewachsener äthiopischer Wolf wird von unserem treuen, langsam auftauenden Schatten, dem Scout, entdeckt und zu unserer großen Freude possiert er in der Sonne. Auf 4200 m holt uns ein Verkäufer ein und bietet uns kühle Erfrischungsgetränke und Souvenirs an. Am Vortag hatte ich den Wunsch aus Spaß ausgesprochen, jetzt sollte er in Erfüllung gehen.
Unser Guide bekommt langsam äthiopische Läuferfüße und rennt uns zu unserem Verdruss immer wieder davon. Nichtsdestotrotz: den zweithöchsten Gipfel Äthiopiens und der Simien Mountains erreichen wir nach etwas über zwei Stunden. 4420 m über dem Meeresspiegel, eröffnet Ras Bwahit uns einen weiten Blick über den Nationalpark und die anliegenden Täler. Ein Weg, der sich wirklich lohnt und vier Tage Trekking absolut rechtfertigt.
Die Aussicht
Hin- und hergeworfen von Gefühlen, getrieben durch viele Kilometer auf der Straße, zwei lästigen Souvenirverkäufern (die meisten sind freundlich und zurückhaltend), einem rennenden Guide, wunderschönen Panoramen, seltenen Tieren und atemberaubenden Bergen bleiben für mich die Simien Mountains ein malerisches Bergidyll in Äthiopien. Ob Tagesausflug oder acht Tage wandern, sie bieten für jeden Geschmack etwas und werden meiner Ansicht nach jedes Jahr besser zugänglich.
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