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In Chiang Mais Altstadt geht man keine zehn Schritte, schon ragt wieder eine goldene Pagode in den Himmel, steht wieder ein verziertes Holztor zu einem Tempel weit offen, thront wieder ein überlebensgroßer Buddha über den Dächern des Viertels. Vorgestern Nacht bin ich in der Stadt im Norden Thailands angekommen, den zweiten Tag in Folge stromere ich allein durch ihre Straßen.
Und mache, inzwischen routiniert, etwa dreimal pro Stunde das hier: einen Tempel erblicken, den Sarong aus meinem Stoffbeutel kramen, ihn um meine Schultern legen, Flipflops unten an der Treppe abstreifen, mich vor den Altar knien und Buddha betrachten. Mein Lieblingsbuddha, ich hab längst einen auserkoren, sitzt im Wat Umongmahatheratchan, einem kleinen, unscheinbaren Tempel nicht weit von meinem Hostel. Je dichter man an ihn herantritt, umso mehr verwandelt sich sein gleichmütiges Lächeln in ein schelmisches Grinsen. „Guck nicht so ernst“, scheint er zu sagen, „sei nicht so streng mit dir.“
Auf meinem Weg von Tempel zu Tempel sinniere ich über den Buddhismus. Alles ist vergänglich, betonen die Buddhisten, das Gute wie das Schlechte, alles Leid und alles Schöne, jede Beziehung und jedes Gefühl. Und der Mensch leidet, weil er trotzdem nicht loslässt, weil er mit aller Macht festhalten will, was seiner Natur nach vorübergehend ist.
Ich kenne da eine, denke ich milde in mich hinein grinsend, die ist Profi darin. Die haut sich die immergleichen Gedanken, den ganz uralten Scheiß gnadenlos um die Ohren, tausendmal, Millionen Mal, immer wieder, jahrelang. Nun. Sie arbeitet daran.
„Das Leben ist hier und jetzt“, auch das sagen die Buddhisten und immerhin: Hier und jetzt ist alles gut. „Jetzt“ ist nicht Alltag und „hier“ ist nicht Hamburg, es ist nicht kalt draußen, kein Regen, kein Sonntag im Herbst, an dem niemand anruft und man auch niemanden anrufen will.
Stattdessen laufe ich durch Chiang Mai, empfänglich für all seinen Frieden und Liebreiz: das helle Klingen der Windspiele. Den Glanz der Pagoden und Tempeldächer im Sonnenlicht. Die Blumen überall. Die glückskeksartigen Sinnsprüche, die auf Thai und auf Englisch an jedem zweiten Baum in Tempelnähe befestigt sind, „Love is everywhere“, steht auf einem. Oder den Mönch, der im Wat Phan Ohn hingebungsvoll die Umrandung der Pagode putzt, während sakraler Gesang aus den Boxen quillt. Ich sitze hier selig und esse eine Schale „Sticky Rice with Mango“, als mir seine orangefarbene Robe zwischen der goldgelben Chedi und warmroten Mauern entgegenleuchtet.
Alles hier ist eine Einladung: Komm her, schau dich um, egal, was dir im Kopf herumgeht, egal, wie du dich fühlst, du bist gut, so wie du bist, du bist richtig hier. Ich nehme sie dankend an. Und schick sie in Gedanken weiter. Nach Hamburg. Für diese Sonntage im Herbst.
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