B

Brief an die Routine

Liebe Rou­tine,

Wie geht es dir? In letz­ter Zeit habe ich mich oft gefragt was du so machst, wie du wohl klar kommst ohne mich. Viel­leicht denkst du ja auch an mich? Wo ich bin und warum ich dich ein­fach so zurück­ge­las­sen habe, ohne jeg­li­che Nach­richt. Tja, meine liebe Rou­tine… jetzt gerade sitze ich in einem Flug­zeug und ver­su­che, so weit wie mög­lich von dir weg­zu­kom­men wie ich nur kann.

Nein, ich bin nicht sauer auf dich, das brauchst du nicht den­ken. Wir hat­ten gute Zei­ten, ich hab sie nicht ver­ges­sen. Zum Bei­spiel das eine Mal, im Win­ter, als wir den gan­zen Tag im Bett ver­bracht haben, und das für einen gan­zen Monat lang, Essen an die Tür bestell­ten und „How I met your mother“ bis zum Abwin­ken schau­ten! Das hat Spaß gemacht, echt! (nur weiß ich lei­der immer noch nicht, wer die Mut­ter ist…)

Und es hat mir immer gefal­len, den­sel­ben Zug am Mor­gen zu neh­men und dass du wuss­test, ich würde ver­schla­fen und trotz­dem warst du nie sauer… oder zumin­dest hast du’s mir nie gesagt… Ich habe mich immer sicher gefühlt in dei­ner Umar­mung und manch­mal dachte ich, ich hab dich gar nicht ver­dient. Du warst immer für mich da. Aber du hast mich auch nie dazu ange­trie­ben, einen Schritt wei­ter zu gehen. Du woll­test im All­täg­li­chen ver­har­ren, woll­test nicht, dass sich was ändert und so fingst du an mich zu lang­wei­len. Es tut mir Leid, das so zu sagen, aber es ist wahr.

Du fragst dich nun bestimmt, warum ich dir die­sen Brief über­haupt schreibe. Sicher nicht, um dich zu belei­di­gen. Nein, ich weiß du meinst es gut und ich weiß, viele andere schät­zen sich glück­lich,  jeman­den wie dich zu haben, jeman­den auf den sie sich ver­las­sen kön­nen und der auf sie Acht gibt. Aber das ist ein­fach nichts für mich.

Ich glaube, was ich ver­su­che dir zu sagen, ist Lebewohl.

Ich weiß, ich werde dich ver­mis­sen von Zeit zu Zeit und mich für meine Ent­schei­dung has­sen, dich zurück­zu­las­sen. Aber ich muss gehen. Und doch wünschte ich du könn­test jetzt mit mir hier sein, denn es ist wun­der­schön. Der Flie­ger ist gerade durch die dicke Wol­ken­de­cke geflo­gen, unter der ich dich zurück­ge­las­sen habe und die Sonne wärmt nun mein Gesicht, wäh­rend ich deine geschäf­tige Welt von oben betrachte. Ich bin mir sicher, wir wer­den uns wie­der­se­hen und ich freue mich auf den Tag, an dem wir wie­der Freunde sein kön­nen. Aber erst­mal heißt es „Auf Wie­der­se­hen“. Da drau­ßen ist diese wun­der­schöne, auf­re­gende Welt, weißt du?

Ich kann’s kaum erwar­ten, dir eines Tages alles von ihr zu erzählen.

Grüße von unterwegs,
Gesa

Cate­go­riesWelt
Avatar-Foto
Gesa Neitzel

Eigentlich Fernsehredakteurin, aber viel lieber unterwegs, erzählt Gesa auf ihrem Blog von ihren Reisen um die Welt und vor allem zu sich selbst. In ihren Depeschen geht es um Fernweh, Heimweh, Bauchweh... und all den anderen Wehwehchen, die ein Nomadenleben so mit sich bringt.
In den letzten Jahren hat sie in Berlin gelebt, in Australien einen Jeep durchs Outback gefahren, in Lissabon ihr Herz verloren und in Bali nach ersten Surfversuchen gleich ein Loch im Kopf gehabt.

Gesa ist eine Suchende. Nach was? Das weiß sie selbst nicht so genau. Aber was auch immer es ist - es ist irgendwo da draußen und bis sie es gefunden hat, wird’s hier bestimmt nicht langweilig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert