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Lukla: Bauchschmerzen – und eine Landebahn kurz wie eine Spucktüte

Wie jemand mit Bauch­weh haben wir uns ver­hal­ten, der auf der Web­site von Net­dok­tor liest, für wel­che Erkran­kun­gen die Schmer­zen mit­un­ter ste­hen und sich eine Nacht quält mit der Gewiss­heit, min­des­tens an einem Magen­ge­schwür zu lei­den, wenn nicht gar an Darm­krebs. Was war geschehen? 

Wir haben vor unse­rem Flug in den Hima­laya schlicht Lukla gegoo­gelt. Und dann gele­sen und gele­sen und gele­sen. Es war furchtbar.

Als einer der zehn gefähr­lichs­ten Flug­hä­fen der Welt gilt der kleine Ten­zing-Hil­lary-Air­port. Die Lan­de­bahn wurde Anfang der 1960er in den Fels gemei­ßelt und erst 2001 geteert. Nur 457 Meter misst die Piste, die ein Gefälle von bis zu 12 Pro­zent auf­weist. Das kurze Asphalt­band endet an bei­den Sei­ten mit Her­aus­for­de­run­gen: Auf­set­zen muss der Pilot direkt hin­ter der Abbruch­kante zu einer 600 Meter tie­fen Schlucht, durch die der Dudh Kosi fließt, der weiß schäu­mende Milch­fluss. Zum Still­stand kom­men muss der Pilot vor der Fels­wand des Ber­ges, an die sich das in 2850 Meter Höhe gele­gene Lukla schmiegt. Eine Lan­de­bahn, die kaum Feh­ler erlaubt. Und, ja, es gab Unglü­cke, bei denen der Pilot zu tief ein­schwebte, die Maschine prallte gegen den Fels und stürzte in den Fluss, und es ist auch schon zu Brems­ver­sa­gen gekom­men, das Flug­zeug zer­schellte am Berg.

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Hemds­är­me­lige Pilo­ten und ein Not­aus­stieg ohne P: Flug in einer Twin Otter der „Tara Air“ von Kath­mandu nach Lukla

Außer der extre­men Piste erschwe­ren die beson­de­ren Bedin­gun­gen im Hima­laya den Luft­ver­kehr. Die Maschi­nen müs­sen zwi­schen bis zu 6.000 Meter hohen Ber­gen navi­gie­ren. Weil es sich nach­mit­tags oft bewölkt oder gar zu reg­nen beginnt, wird vor allem vor­mit­tags geflo­gen. Starke Winde, Nebel und sehr schnell auf­zie­hende Schlecht­wet­ter­zel­len kön­nen den Flug­be­trieb stark beein­träch­ti­gen. So war der Air­port im Novem­ber 2011 wegen schlech­ten Wet­ters für mehr als eine Woche gesperrt, tau­sende Tou­ris­ten saßen in Lukla fest. Mili­tär-Heli­ko­pter ver­sorg­ten die Gestran­de­ten mit Lebens­mit­teln und eva­ku­ier­ten nach und nach Rei­sende. Man­che mach­ten sich auch auf den rund ein­wö­chi­gen Fuß­marsch nach Jiri, von wo aus es per Bus nach Kath­mandu wei­ter geht. Doch die ein­tä­gige Fahrt ist nicht weni­ger gefähr­lich als der Flug.

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Wat­te­bäu­sche für die Ohren und Zucker für die Seele: Vor dem Start ver­teilt die Ste­war­dess kleine Aufmerksamkeiten

Lukla dür­fen nur spe­zi­ell aus­ge­bil­dete Pilo­ten mit so genann­ten STOL-Flug­zeu­gen (Short Take-Off and Landing) anflie­gen, meist ein­ge­setzt wer­den Twin Otter und Do 228. Es sind alte Maschi­nen mit durch­ge­ses­se­nen Leder­sit­zen. Seit Jah­ren schon wer­den die Typen nicht mehr gebaut, die Ver­sor­gung mit Ersatz­tei­len ist schwie­rig. Und so ver­mu­tete man anfangs auch, dass tech­ni­sche Pro­bleme die Ursa­che für den jüngs­ten Absturz waren. Ende Sep­tem­ber 2012 zer­schellte eine Do 228 der Sita-Air kurz nach dem Start in Kath­mandu auf dem Boden, alle 19 Insas­sen star­ben. Doch Unter­su­chun­gen erga­ben, dass die Maschine mit einem Vogel zusam­men stieß, ein Trieb­werk wurde beschä­digt, Teile des Leit­werks zer­stört. Keine Chance für den Pilo­ten. Wie ein Stein fiel die zwei­mo­to­rige Maschine vom Him­mel und brannte aus.

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Die Stadt, der Müll und die Vögel: Über dem Fluss Bag­mati krei­sen Adler – ein majes­tä­ti­sches Risiko für den Luftverkehr

Vor ein paar Tagen sind wir am Fluss Bag­mati ent­lang gefah­ren. Der ist schlicht­weg eine Kloake, die Ein­woh­ner der Stadt wer­fen ihren Müll ein­fach hin­ein, an man­chen Ufer­ab­schnit­ten tür­men sich Berge von Unrat. Kin­der und Jugend­li­che suchen darin nach Ver­wert­ba­rem. Es wim­melt von Rat­ten und Mäu­sen. Und so über­rascht es nicht, dass unzäh­lige große Greif­vö­gel über dem Fluss krei­sen, vor allem Adler, die Tiere haben eine Spann­weite von bis zu 1,50 Metern.

[obi_random_banners] Man schläft nicht gut, wenn man um das Risiko des Flu­ges weiß. Und wenn man dann das Chaos am Dome­stic Air­port in Kath­mandu erlebt, wun­dert man sich, dass nicht noch mehr Flug­zeuge abstür­zen. So wie die Nepa­le­sen Auto fah­ren, so ver­hal­ten sie sich auch im Ter­mi­nal – es wird gedrän­gelt, geru­fen, gescho­ben, gestrit­ten. Som, unser Guide für die Trek­king-Tour im Hima­laya, hilft uns beim Gepäck und im Umgang mit dem Boden­per­so­nal. Die Sicher­heits­kon­trol­len sind so lasch, dass man alles mit an Bord brin­gen kann, was man mag.

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Check-In und wahre Che­cker: Guide Som – im gel­ben Fleece – hilft am Flug­ha­fen. Das Boden­per­so­nal chillt

Doch dann ist es wie so oft in Nepal: Der Flug star­tet mit einer Pünkt­lich­keit, die man sich bei manch euro­päi­scher Air­line auch wün­schen würde. Und obwohl die Twin Otter, in der wir sit­zen, schon eine ziem­lich betagte Gurke ist, funk­tio­niert alles ein­wand­frei. Die Sonne scheint. Die Fern­sicht ist groß­ar­tig. Schon bald ver­liert der Flug all sei­nen Schre­cken. Wir schauen aus dem Fens­ter, foto­gra­fie­ren, fil­men: Berg­stra­ßen, Fluss­tä­ler, Schnee­gip­fel. Selbst die zwei Ach­ter­bahn-Momente, die es wäh­rend des Flu­ges zu erle­ben gibt, genie­ßen wir. Der erste ist die Über­que­rung eines mehr als 6.000 Meter hohen Berg­sat­tels. Unsere Maschine fliegt tie­fer als die Gip­fel rund um den Pass. Der zweite ist eine scharfe Kurve, der ein Sturz­flug folgt. Unter uns im Fels zeich­net sich ein win­zi­ges Recht ab. Die Landebahn.

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Schlüs­sel­stel­len: Am Pass ragen die Berg­gip­fel höher auf als die Maschine fliegt. Die Lan­de­bahn – kurz wie eine Spucktüte

Das also ist sie. Von oben nicht grö­ßer als eine Spuck­tüte. Vorne der Abhang. Hin­ten der Berg. Und erst als die Lan­de­bahn uner­bitt­lich näher kommt, wird einem das Fatale die­ser Situa­tion bewusst – das Flug­zeug kann nicht wei­ter vorn auf­set­zen, nicht zu weit hin­ten. Es gibt kaum Spiel­raum. Der Pilot kann nicht durch­star­ten. Und wir, ein Paar auf Rei­sen, erin­nern uns auf den letz­ten Metern, wie ein ehe­ma­li­ger Pilot erzählte, dass all seine Ver­su­che mit dem Flight­si­mu­la­tor heil in Lukla auf­zu­set­zen, schei­ter­ten. Doch unsere Pilo­ten agie­ren so sou­ve­rän, dass der Ex-Pilot stau­nen würde (aber wahr­schein­lich würde er nie in so eine alte Kiste ein­stei­gen). Die knallt jetzt hart auf den Boden. Die Brem­sen grei­fen. Die Pro­pel­ler heu­len auf. Wir sind gelan­det. Ein­fach so. Auf dem gefähr­lichs­ten Air­port der Welt.

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Freund­li­cher Abschied nach einem aus­sichts­rei­chen Flug und Knob­lauch am Air­port: Ankunft im Hima­laya auf 2600 Metern

“Namaste”, sagt die Ste­war­dess zu jedem Pas­sa­gier, der die Maschine ver­lässt. Und erst als ich unse­ren Ruck­sack vom Gepäck­wä­gel­chen vor dem Ter­mi­nal hebe, sehe ich, was noch, was im Fracht­raum der Maschine trans­por­tiert wurde: zwei Säcke Knob­lauch. Soll gut sein gegen Höhen­krank­heit. Will­kom­men im Himalaya.

Wir haben einen kur­zen Film gedreht über unse­ren Flug von Kath­mandu nach Lukla mit Tara-Air. Keine Kata­stro­phen gibt es darin zu sehen. Aber die Schön­heit der Berge. Und am Ende, ja auch das, kann man ihn doch spü­ren – den Ner­ven­kit­zel der Landung.

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Susanne & Dirk

Ein Paar auf Reisen. Susanne war Bildredakteurin beim Kunstmagazin ART und arbeitet jetzt als freie Fotografin, Dirk war Textredakteur beim Reisemagazin GEO SAISON und ist nun freier Autor. Im August 2012 haben wir uns auf eine kleine Weltreise begeben, und die hat uns verändert. 2013 verlassen wir die kuschlige Verlags-Behörde mit Kantine und Betriebssport und sind seither selbstständig im Netz. Als Paar publizieren wir im Blog push:RESET Reiseberichte und Texte zu touristischen Themen, als Autoren arbeiten wir für diverse Medien – von Spiegel Online bis zur Huffington Post –, und als Team sind wir verantwortlich für das Netzwerk SUSIES LOCAL FOOD HAMBURG. Schaut doch mal vorbei!

  1. Weiss Thomas says:

    Hallo in die Runde, ich möchte gern von Euch wis­sen wie man Kath­mandu nach Lukla mit dem Flug­zeug kommt, wo ich das Ticket dafür bekomme und so wei­ter. Wei­ter­hin frage ich mich mitt­ler­weile ernst­haft ob für die Route ins Basis­la­ger 12 Tage rei­chen :)! Dar­auf folgt nun meine zweite Frage: Jemand Erfah­rung bis ins Basis­la­ger gelangt zu sin, wie war der Rück­weg? Wel­ches Kar­ten­ma­te­rial habt ihr hier­für genom­men !! Bitte nichts mit WLAN :D !!! Natur soll Natur blei­ben !! Grüße und danke für Eure Hilfe vorab.

  2. Dieter says:

    Ich weiss nicht wie ich mich jetzt füh­len soll.… der Druck auf die Ohren fängt jetzt schon an obwohl wir erst in einer Woche fliegen

  3. Ich bin nicht dort gelan­det, weil ich von Jiri aus gelau­fen bin. Aber ich habe den Flug­zeu­gen fas­zi­niert zuge­se­hen, wie sie nach der Lan­dung noch in Fahrt um die Ecke bie­gen. Der Abflug war auch mit einem gewis­sen Kick ver­bun­den: das Flug­zeug steht mit lau­fen­den Moto­ren und vol­ler Brems­kraft auf der abschüs­si­gen Lan­de­bahn bevor die Brem­sen gelöst wer­den. Es fühlt sich an als würde man stür­zen bevor die Pro­pel­ler­ma­schine wirk­lich ins Flie­gen kommt. Der Flug selbst war ange­sichts des Pan­ora­mas phantastisch!

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      Yes Sir,
      auch der Start war nicht ohne. Bei gutem Wet­ter aber kein Pro­blem. Ich habe aller­dings gele­sen, dass die Bus­fahrt nach Jiri fast so gefähr­lich sein soll wie der Flug nach Lukla, zuletzt hat es wohl 2010 einen schwe­ren Unfall gege­ben mit mehr als 30 Ver­letz­ten… Unser Guide wohnte in Jiri und hat uns ein­ge­la­den. Viel­leicht besu­chen wir ihn mal. Hat dir die Stadt gefallen?
      Herz­li­che Grüße
      Susanne & Dirk

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    das gemeine ist ja, dass die pilo­ten – ein­ar­mig wie ein man­t­a­fah­rer – ihre maschi­nen sicher dort auf­set­zen und sich dabei noch gesal­zene erd­nuesse rei­chen las­sen, waeh­rend man hin­ten ver­zwei­felt. ich war 2011 dort und war auch unter denen, die beim abstieg gestran­det waren. auch ein erlebnis.

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      Ganz genau,
      der Pilot, der uns hin­ge­flo­gen hatte, benutzte die Bedie­nungs­an­lei­tung des Flug­zeugs – und­zwar als Son­nen­blende. Und er trom­melte wäh­rend des gesam­ten Flu­ges mit der lin­ken Hand einen Rhyth­mus auf der Steu­er­kon­sole. Die war an der Stelle, gegen die sein Ehe­ring schlug, schon ganz blank.
      Ja, so sind sie. Coole Typen. Und sie wis­sen, dass sie jedes mal einen Hau­fen Schis­ser wie uns in die Berge fliegen.
      Hast du über dein Aben­teuer „Gestran­det in Lukla“ geschrie­ben? Und wenn ja, wo kann man es lesen?
      Herz­li­che Grüße
      Susanne & Dirk

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      flug­zeuge haben bedie­nungs­an­lei­tun­gen? so wie ein video­re­kor­der? „gestran­det in lukla“ – sehr schoen! gibt es noch nicht zu lesen. aber bald in die­sem theater. :)

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      Klar gibt es auch für Flug­zeuge Bedie­nungs­an­lei­tun­gen, und die sind nicht ein­mal viel umfang­rei­cher als die für Video­re­kor­der. Wenn du neu­gie­rig bist, folge dem Link: http://www.avialogs.com/list/item/944–62todo
      Aber bedenke: Selbst wenn du weißt, wel­cher Anstell­win­kel der Klap­pen für den Start nicht unter- und wel­che Geschwin­dig­keit zwi­schen Mee­res­höhe und 10.000 Metern nicht über­schrit­ten wer­den darf (näm­lich 160 Kno­ten), es berech­tigt nicht zum Flie­gen einer DHC‑6 Twin Otter.
      Viel Spaß beim Lesen!
      S&D

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