Argen­ti­nien, August 2005.

Ein lan­ger Arbeits­tag liegt hin­ter mir. Nur wenige Tage zuvor war ich nach Argen­ti­nien gekom­men, hatte noch mit dem Jet­lag zu kämp­fen. Um acht Uhr abends über­kam mich die große Müdig­keit, meine Augen woll­ten nicht mehr offen blei­ben. Da ich am nächs­ten Mor­gen um sie­ben Uhr Orts­zeit auf­ste­hen musste, lag ich ent­spre­chend früh im Bett.Zu die­ser Zeit kenne ich nie­man­den in Argen­ti­nien. Ein­zig einen jun­gen Pilo­ten, den ich Monate vor mei­ner Reise in Spa­nien ken­nen­ge­lernt hatte. Er ist meine ein­zige Ansprech­per­son und einer der weni­gen Argen­ti­nier, die flie­ßend Eng­lisch spricht. Wich­tig für mich, weil ich zu Beginn mei­nes Argen­ti­nien-Auf­ent­halts kein ein­zi­ges Wort Spa­nisch spreche.

In Spa­nien hatte er mir seine Tele­fon­num­mer gege­ben, ich solle ihn kon­tak­tie­ren, sobald ich in Argen­ti­nien wäre. Also schreibe ich ihm eine Nach­richt, wir könn­ten uns ja in den kom­men­den Tagen auf ein Getränk tref­fen. Dann lege ich mein Handy zur Seite und döse vor dem Fern­se­her ein. Es wird gerade ein Kon­zert von Cold­play gesen­det. Die Musik hat etwas Ver­trau­tes, die Band hatte ich schon in Europa gerne gehört. Jetzt beglei­tet sie mich in den Schlaf. Das erste Mal bin ich alleine so weit weg von zuhause, fern von Fami­lie und Freun­den. Als ich die Musik schon gar nicht mehr höre und in mei­nem Kopf lange das Traum­kino läuft, schre­cke ich plötz­lich auf. Ein unge­wohn­tes Geräusch mischt sich unter die Töne von Coldplay.

Ich brau­che eine Weile, bis mir bewusst ist, dass mein Handy läu­tet. Es kommt mir vor als wäre es spät in der Nacht, die Zif­fern auf mei­nem Tele­fon zei­gen aber erst neun Uhr abends an. Wer mich um diese Zeit anruft? Meine Mut­ter kann es nicht sein, die liegt in Europa längst im Bett. Ich bemühe mich, meine Schlaf­trun­ken­heit abzu­schüt­teln und hebe ab. “Ich bin grad im Flug­zeug, 80 Kilo­me­ter vor der Stadt, im Lan­de­an­flug”, sagt eine mir ver­traute Stimme auf Eng­lisch. Ich reibe mir die Augen. Flug­zeug? Lan­de­an­flug? Dann schießt es mir durch den Kopf. Es ist der Pilot, dem ich vor dem Ein­schla­fen noch eine Nach­richt geschickt habe. “Gehen wir in zwei Stun­den was trin­ken?”, fragt er dann. Ich bin müde, sage ihm, dass ich bereits im Bett liege und unmög­lich so spät noch etwas trin­ken gehen kann, weil ich am nächs­ten Tag ja um sie­ben Uhr schon wie­der fit sein muss. Ich ver­tröste ihn auf die kom­mende Woche. Dann ent­schwinde ich wie­der in meine Traumwelt.

Am nächs­ten Mor­gen glaube ich, all das nur geträumt zu haben. Zu sur­real wirkt der Anruf aus dem Cock­pit. Ich schaue in die Anruf­liste auf mei­nem Handy. Tat­säch­lich: Ein Anruf um neun Uhr abends. Aus dem Flug­zeug. Pilo­ten dür­fen das, denke ich mir.

Cate­go­riesArgen­ti­nien
Hanna Silbermayr

Oft sind es die kleinen Dinge, die uns zum Staunen bringen. Begegnungen und Gespräche, die zum Nachdenken anregen, uns einen Moment innehalten lassen in einer Welt, die sich immer schneller zu drehen scheint, uns ein Lächeln entlocken.

Solche Momente möchte ich nicht für mich behalten, sondern mit Euch teilen. Ich, das ist eine ausgebildete Grafikdesignerin, studierte Romanistin und Politikwissenschaftlerin, die im Namen des Journalismus immer wieder in Lateinamerika unterwegs ist. Demnächst wohnungslos und in stetiger Bewegung.

  1. Irgend­wie süß. Irgend­wie weiß ich aber auch nicht was ich davon hal­ten soll, dass ein Pilot wäh­rend des Lan­de­an­flugs tele­fo­niert – ein Tele­fo­nat, was man ja getrost auf nach der Lan­dung hätte ver­schie­ben können… ;)

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