Albanien: wildes Land zwischen Meer und Bergen

Auf der tou­ris­ti­schen Land­kar­te ist Alba­ni­en fast noch ein wei­ßer Fleck. Dabei hat das klei­ne Bal­kan­land herr­li­che Natur und beson­ders gast­freund­li­che Ein­woh­ner.

Der Gren­zer zeigt ein gol­de­nes Lächeln. Im Nu schiebt er den Pass rüber und nuschelt ein „Wel­co­me“. Höchst unge­wöhn­lich für eine Spe­zi­es in Uni­form, die sonst nur grim­mig kann. Liegt es an Mut­ter Tere­sa? Tira­nas Air­port heißt wie die Non­ne und Frie­dens­no­bel­preis­trä­ge­rin, die sich Jahr­zehn­te um Alte und Kran­ke in Indi­en küm­mer­te, aber aus einer alba­ni­schen Fami­lie stamm­te.

„Wir sind herz­lich und laden ger­ne ein. Das ist unse­re Kul­tur“, sagt Mir­v­jen Bre­gu. Der 42jährige Archi­tekt sitzt über einem kopier­ten Stra­ßen­plan und tippt mit dem Fin­ger auf die Top-Spots der Haupt­stadt. Basar, Kul­tur-Palast, Bun­ker-Muse­um, Gro­ße Moschee, Geheim­dienst­zen­tra­le, Top­ta­ni Shop­ping-Cen­ter: Die Orte erzäh­len von osma­ni­schen Erobe­rern, faschis­ti­schen Unter­drü­ckern, kom­mu­nis­ti­schen Des­po­ten – und vom Traum eines moder­nen EU-Staats. Im Juli 2022 began­nen die Bei­tritts­ver­hand­lun­gen. Aller­dings muss das klei­ne Land laut EU noch Fort­schrit­te in den Berei­chen Jus­tiz­re­form, Bekämp­fung der orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät und Kor­rup­ti­on erzie­len. 

Wahr­zei­chen am Skan­der­berg-Platz im Zen­trum Tira­nas: Uhren­turm, Et´hem-Bey-Moschee, Minis­te­ri­en und Skan­der­beg-Sta­tue

Kaum etwas in Tira­na, einem ehe­ma­li­gen Markt­fle­cken, der von Tür­ken gegrün­det wur­de, ist älter als 100 Jah­re. Über­all in der Stadt, die mit rund 750.000 Ein­woh­nern etwa so groß ist wie Frank­furt, wird gebaut. Wäh­rend Hoch­häu­ser in den Him­mel wach­sen, ver­ste­cken die alten sozia­lis­ti­schen Wohn­blocks ihre brö­ckeln­den Fas­sa­den unter viel Far­be. Dazwi­schen zei­gen schmu­cke Cafés, klei­ne Hand­werks­be­trie­be, Mode­lä­den, dass die Men­schen für eine bes­se­re Zukunft schuf­ten. Von 1945 bis 1990 war Alba­ni­en eine Art Nord­ko­rea am Mit­tel­meer – unter­drückt, iso­liert, gelähmt. Heu­te flie­ßen in Tira­na sozia­lis­ti­sches Erbe, Bal­kan­tra­di­tio­nen und urba­ner Life­style in einem wil­den Mix zusam­men.

Im Block-Vier­tel, in dem frü­her nur die Günst­lin­ge des Dik­ta­tors Enver Hox­ha woh­nen durf­ten, „eröff­nen Vino­the­ken, Bars, Gale­rien. Die Stadt ist jung, dyna­misch, ein biss­chen ver­rückt viel­leicht“, sagt Mir­v­jen Bre­gu und schwärmt vom Restau­rant Mul­lix­hiu. Im Sou­ter­rain eines häss­li­chen Plat­ten­baus kre­iert Koch­ta­lent Ble­dar Kola Slow-Food mit loka­len, bio­lo­gi­schen Zuta­ten. Gleich am Ein­gang ste­hen Müh­len, in denen er Getrei­de für Bro­te backt. 35 Euro kos­tet das Menü mit sie­ben Gän­gen!

Über­all in Alba­ni­en, das auf einer Flä­che von Bel­gi­en gera­de 2,8 Mil­lio­nen Ein­woh­ner beher­bergt, lässt sich güns­tig essen, woh­nen, ein­kau­fen. Ob in den Strand­bars an Adria und Ioni­schem Meer, beim Wan­dern in den Alba­ni­schen Alpen an der Gren­ze zu Mon­te­ne­gro oder in den Welt­erbe-Städ­ten Berat und Gji­ro­kas­tra: Weil noch nicht vie­le aus­län­di­sche Tou­ris­ten kom­men, Hotel­ket­ten feh­len und Alba­ner im Schnitt nur knapp 800 Euro im Monat ver­die­nen, ist das Preis­ni­veau ver­gleichs­wei­se nied­rig. Zu die­sem Ergeb­nis kommt auch das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt, das das Preis­ni­veau für Gast­stät­ten­be­su­che und Hotel­auf­ent­hal­te in euro­päi­schen Län­dern im März 2025 ver­gli­chen hat. Dem­nach ist der Urlaub der­zeit in Alba­ni­en und Nord­ma­ze­do­ni­en am güns­tigs­ten. 

„Alle wol­len nach Ita­li­en, Spa­ni­en oder Grie­chen­land. Für Alba­ni­en inter­es­siert sich in den USA kei­ner“, sagt Mari­an­ne De Guz­man. „Dabei sind die Leu­te super nett. Stän­dig bekom­men wir etwas geschenkt. Und die Natur ist so wun­der­schön“, meint Yoh­ki Her­nan­dez. Die Freun­din­nen aus San Fran­cis­co ste­hen mit Helm und Neo­pren­an­zug in der Osum-Schlucht. Mit dem Floß rau­schen sie drei Stun­den durch den spek­ta­ku­lä­ren Can­yon. Etli­che Was­ser­fäl­le don­nern die Fels­wän­de her­ab. Mal schmie­gen sich die fast 100 Meter hohen Hän­ge so eng an, dass die Boo­te durch­ge­drückt wer­den müs­sen. Dann umspü­len Strom­schnel­len brei­te Kies­flä­chen, knor­ri­ge Bäu­me mit hoch­ge­zo­ge­nen Wur­zeln und tie­fe Über­hän­ge.

Der spek­ta­ku­lä­re Osum-Can­yon lässt sich per Wild­was­ser-Raf­ting erkun­den

Ein Tep­pich aus Blu­men, Büschen, bun­ten Grä­sern zieht sich von der Can­yon-Kan­te bis weit hin­un­ter. „Von März bis Okto­ber machen wir Tou­ren“, erzählt Gui­de Euglent Taba­ku. Vor allem wür­den Ein­hei­mi­sche kom­men, aber auch immer mehr Polen und Tsche­chen, par­liert Euglent in gutem Eng­lisch. Wie vie­le Alba­ner hat auch der 45-Jäh­ri­ge sein Glück schon ein­mal im Aus­land ver­sucht.

Die Osum-Schlucht liegt gut zwei Stun­den Auto­fahrt süd­lich von Berat – einem osma­ni­schen Klein­od. Über der Alt­stadt thront eine bewohn­te Fes­tung, in der neben Moscheen ortho­do­xen Kir­chen ste­hen. Ein Pro­blem scheint das nicht zu sein. Etwa 60 Pro­zent der Alba­ner sind Mus­li­me und rund 25 Pro­zent Chris­ten, doch Reli­gi­on „sehen wir eher gelas­sen“, sagt Moni­ka Xhebla­tit, die im Vier­tel unter der Burg vier Zim­mer in einem 400 Jah­re alten Haus ver­mie­tet.

Raf­ting-Gui­de Euglent Taba­ku spricht exzel­lent Eng­lisch und hat auf jede Fra­ge zu Alba­ni­en eine Ant­wort

Mor­gens sta­pelt die 36-Jäh­ri­ge jedem Gast selbst­ge­mach­te Mar­me­la­den, kan­dier­te Oran­gen, Früch­te, Käse aus Schafs‑, Zie­gen- und Kuh­milch, Saft, Joghurt, Brot auf den Tisch. Von der Hotel-Ter­ras­se ist der schnee­be­deck­te Kul­mak zu sehen. Im August pil­gern die Mit­glie­der des isla­mi­schen Bek­ta­schi-Ordens auf den fast 2.500 Meter hohen „Berg der Göt­ter“. Auf der Süd­spit­ze liegt das Grab von Abbas Ali, einem Halb­bru­der von Husain, dem Enkel des Pro­phe­ten Moham­med. „Zum Volks­fest auf dem Berg sind alle Reli­gio­nen und Tou­ris­ten herz­lich will­kom­men“, sagt Moni­ka Xhebla­tit.

Von Berat nach Dher­mi ans Meer sind es zwar nur 130 Kilo­me­ter, doch die Tour dau­ert fast vier Stun­den. Schnell vor­an­kom­men ist unmög­lich. Enge Kur­ven, Hun­de, Zie­gen, Scha­fe im Gegen­ver­kehr und üble Schlag­lö­cher: Wer die Küs­ten­stra­ße an der alba­ni­schen Rivie­ra ent­lang­zu­ckelt, kann dafür herr­li­che Strän­de in Gji­pe, Qepa­ro, Potam oder Bosh ent­de­cken. Die Halb­in­sel Ksa­mil ganz im Süden ist zwar kein Geheim­tipp mehr, auch hier wird kräf­tig gewer­kelt. Mit den vor­ge­la­ger­ten Inseln, azur­blau­em Was­ser und wei­ßem Sand ver­mit­telt der Ort aber Kari­bik­fee­ling.

Ksa­mil nahe der Gren­ze zu Grie­chen­land bie­tet tol­le Strän­de und ver­steck­te Buch­ten

Die­se Aus­sich­ten haben Elva­na Mar­ku nach Ksa­mil gelockt. Jah­re­lang arbei­te­te die 38-Jäh­ri­ge im nahen Grie­chen­land als Kell­ne­rin. „Ich woll­te etwas bewe­gen, etwas auf­bau­en“, sagt sie, lächelt und hebt eine mäch­ti­ge Plat­te Mee­res­früch­te hoch. In ihrem Restau­rant Guvat sind die Por­tio­nen min­des­tens so groß wie über­all in Alba­ni­en. Die Muscheln aus der nahen Lagu­ne von But­rint, einer anti­ken Stadt und UNESCO-Welt­kul­tur­er­be, schme­cken wun­der­voll. Rat­schlä­ge, Nach­tisch, Raki gehen auch bei Elva­na wie selbst­ver­ständ­lich aufs Haus.

Praktische Tipps für die Albanienreise

Anrei­se

Wizz Air, Luft­han­sa und Euro­wings flie­gen direkt nach Tira­na, Aus­tri­an Air­lines über Wien und Air Ser­bia über Bel­grad.

Ein­rei­se

Deut­sche benö­ti­gen bis zu 90 Tage kein Visum.

Über­nach­tun­gen

In Tira­na ist die Vila Bre­gu, in Berat das Hani I Xhebla­tit, in Ksa­mil das Cast­le, in Gji­ro­kas­tra das Old Bazaar emp­feh­lens­wert. Alle Hotels sind fami­li­en­ge­führt.

Kli­ma

Von Mai bis Okto­ber hat die Küs­te medi­ter­ra­ne Tem­pe­ra­tu­ren. Im gebir­gi­gen Hin­ter­land sind die Som­mer heiß und tro­cken, die Win­ter kalt und schnee­reich.

Geld/​Kreditkarten

Lek ist die Lan­des­wäh­rung. Euro wer­den ger­ne genom­men. Per Kar­te zah­len, ist noch nicht über­all mög­lich. Die meis­ten Ban­ken akzep­tie­ren nur Visa-Kre­dit­kar­ten. Mit Mas­ter­card lässt sich Geld etwa bei der Reiff­ei­sen Bank abhe­ben.


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