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Mein Blick streift über eine Wand mit verblichenen Fotos verschiedener Männergesichter. Nicht immer lässt es die Qualität der Bilder zu, die Abgebildeten zweifelsfrei zu erkennen. „Die kriegen wir noch“, wirft der Grenzbeamte mit einem müden Lächeln ein, immer noch auf den nicht funktionierenden Scanner tippend. Wir erfahren, dass es sich um national und international gesuchte Kriminelle handelt, die wegen Drogenschmuggel, Mord oder Terrorismus zur Fahndung ausgeschrieben sind. Dass ich mit meinem Blick das Gesprächsthema ungewollt auf Drogenschmuggel gelenkt habe, bereue ich schnell. Der schmierige Mann, dem wir ausgeliefert sind, versucht uns in ein Gespräch über Drogen zu verwickeln. Nicht gerade beruhigend, wo wir doch wissen, dass Leuten, die die Grenze passieren, auch hin und wieder Drogen untergeschoben werden können. Er schnappt sich unser kleines Langenscheidt Persisch-Deutsch-Wörterbuch, das wir besser nicht ausgepackt hätten, blättert eifrig und stoppt mit diesem Grinsen, das nichts Gutes bedeutet. Der Bitte näher zu kommen, folgt die Aufforderung dieses eine Wort vorzulesen. In diesem Moment verfluchen wir dieses Miniwörterbuch, das ausgerechnet „Opium“ als wichtig genug für Reisende in Ländern, wo Persisch verstanden wird, erachtet. In der Tür des engen Raums, den wir eigentlich schnell wieder verlassen möchten, lehnt mittlerweile der zweite Grenzbeamte mit demselben Grinsen im Gesicht. Wir legen die Stirn in Falten, lassen uns auf diese Wörterbuchspielerei nicht ein und drängen auf den Abschluss der Einreiseformalitäten. Wenn dieser Scanner für unsere Pässe nicht funktionieren will, muss es auch anders gehen und zwar schnell. Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Unsere Namen werden in das Registerbuch eingetragen, der Einreisestempel liegt bereit. Und dann. Ein Ausbruch gespielter Entrüstung darüber, dass wir keinen ordnungsgemäßen Stempel der Visaausstellung hätten. Diejenigen, die in Tadschikistan das Visum machen lassen, hätten diesen Stempel, wir eben nicht. Mit unseren Visa ist natürlich alles in Ordnung, nur mit den Grenzbeamten nicht. Aber es ist gar nicht ihre Absicht uns nicht ins Land zu lassen. Umgehend zeigen sie übertriebenes Mitleid mit uns. Eine nicht weniger übertriebene Geste der Vertrautheit soll uns signalisieren, dass sie uns helfen werden, gegen etwas Service-Entgelt, versteht sich. Uns ist das alles zuwider, wir investieren noch etwas Zeit, zahlen nicht und es klappt tatsächlich.
Der Vorhang fällt. Die Vorstellung ist beendet. Wir betreten Afghanistan.
Unser Guide und Vertrauter für die nächsten Tage und Wochen wartet bereits auf uns. Ahmed ist gerade mal über 20 Jahre alt und macht dennoch einen erfahrenen Eindruck. Er weiß um jede zu erledigende Formalität, jede zu beachtende Gepflogenheit und wir sind lernwillig. Das afghanische Ischkaschim ist wesentlich kleiner als sein tadschikischer Namensvetter. Doch die Größe ist es gar nicht, die uns gewahr werden lässt, dass wir in einer völlig anderen Welt gelandet sind. Während wir auf unserer Reise durch den tadschikischen Pamir nur selten Kopftücher gesehen haben, sticht uns nach nur wenigen Minuten in diesem neuen Land eine Frau mit blauer Burka ins Auge. Aber eigentlich ist alles, was wir sehen ein in Bewegung versetzter blauer Stoff. Der Mensch darunter lässt sich nicht fassen. Wir gehen durch den Basar, bewundern die afghanischen Schals, die eigentlich nicht für Frauen gedacht sind, aber ganz bestimmt in meinem Rucksack landen. An einem der Stände stehe ich mit einem Mal zwei dieser Burka tragenden Frauen gegenüber. Sie scheinen einen genaueren Blick auf mich zu werfen. Sie erkennen jedes kleinste Zucken in meinem Gesicht, können Vermutungen über meinen Gemütszustand anstellen, nur mir ist es unmöglich auch nur ihre Augen zu erkennen. Plötzlich ein Kichern unter dem blauen Schleier. Wie alt waren die Frauen? Jünger als ich? Ihre Stimmen hören sich jung an und vor allem hell, ja vielleicht fröhlich.
Ahmed führt uns in ein Gasthaus, wo wir uns stärken sollen. Es verwundert uns nicht, dass alle Blicke der Gäste auf uns ruhen, als wir die Stube betreten. Wie viele Frauen hier wohl essen mögen? Vermutlich nur ein paar der wenigen Touristinnen, die den Weg nach Ischkaschim finden. Das anfängliche Starren ist natürlich nicht angenehm, aber verständlich und wir meinen eine wohlwollende Neugier in den Blicken zu erkennen. Meine gewählte Kleidung, die ich so schon oft im Iran getragen habe, gibt mir zudem eine gewisse Sicherheit. Ich verspüre keinen Anlass nervös an meinem Umhang zu zupfen und in länger zu machen, als er ist. Auch wenn es keine Kleidervorschriften in Afghanistan gibt, glaube ich die richtige Wahl getroffen zu haben, ohne mich dadurch eingeschränkt zu fühlen. Aber letztlich verhalte ich mich im Augenblick zurückhaltender als sonst. Meine Leidenschaft zu fotografieren gibt mir dann aber doch den entscheidenden Ruck. Ich frage Ahmed, ob ich als Frau Männer freundlich ansprechen kann, ohne für Entrüstung zu sorgen. Das wäre alles kein Problem, gibt er mir zu verstehen und siehe da, meine geringen Persischkenntnisse öffnen Tür und Tor. Die Menschen sprechen Dari und verstehen mich daher sehr gut. Auch in den nächsten Tagen, wenn die Leute Wakhi sprechen, wird mein bisschen Persisch noch ein Eisbrecher sein. Mein Weg führt mich raus aus dem Gasthaus, vorbei an verschiedenen Läden entlang des Basars. Die Männer mit ihren Bärten und Turbanen schenken mir durchwegs ein Lächeln. Kein perfides, schmieriges Grinsen, wie wir es noch lebhaft in Erinnerung haben. Nein. Ein aufrichtiges, nettes Lächeln ohne jede Aufdringlichkeit oder Ablehnung. Plötzlich wirken die staubigen Straßen Ischkaschims ein entscheidendes Stück freundlicher.
Aber Ischkaschim ist keineswegs das Ziel unseres Abstechers nach Afghanistan. Wir sind hier, um den afghanischen Wakhan zu erkunden – den „echten“ Wakhan-Korridor, den wir eine ganze Weile schon von Tadschikistan aus bewundert haben. Einige Genehmigungen und Stempel sind notwendig, bevor wir die Reise raus aus Ischkaschim antreten können. Es beginnt ein endlos scheinender Irrweg von einer Polizeistation zur nächsten, von der Secret Police zur Security Police oder wie sie alle heißen. Irgendwann verlieren wir den Überblick, rennen aber mithilfe Ahmeds durch die ganze Stadt von der einen zur nächsten Station. Es scheint, als müsse jede Stelle einmal einen Blick auf uns werfen, um dann das Ok geben zu können. Das ganze Prozedere in Ischkaschim nimmt eine gefühlte Ewigkeit in Anspruch und tatsächlich steht die Sonne verdächtig tief, als wir endlich losfahren. Unser Gefährt für die nächsten Tage ist ein klappriger alter PKW, der uns über jede Schotterpiste und schmale Bergstraße führen soll. Wir sind auf ihn angewiesen. Öffentlichen Verkehr oder Sammeltaxis gibt es schlichtweg nicht. Es wird sich zeigen, dass nur die allerwenigsten im Wakhan über ein Auto verfügen. Kaum verlassen wir Ischkaschim, ist keine Burka mehr zu sehen. Und da sind sie: die Wakhi-Frauen mit ihren schönen Kleidern und vor allem mit ihrem schönen Lächeln. Erste Bekanntschaften werden geschlossen, Gespräche werden geführt, Tee wird getrunken. Vor allem aber werden Unklarheiten aus dem Weg geräumt. Ahmed als Übersetzer macht das erst möglich. So erklärt uns Sara, dass nur die sunnitischen Männer ihre Frauen nicht ohne Burka aus dem Haus gehen lassen. Der sunnitische Bevölkerungsanteil in Ischkaschim ist relativ hoch und wird Richtung Khandud, der Hauptstadt des Distrikts Wakhan, immer weniger. Die Wakhis sind Shiiten und Shiitinnen, genauer gesagt gehören sie der ismailitischen Glaubensgemeinschaft an. Auch Ahmed versichert uns, dass die Ismailitinnen frei wären in die Schule zu gehen und zu arbeiten, verschweigt uns aber nicht, dass es bereits zu Konflikten zwischen SunnitInnen und ShiitInnen geführt hat. Junge sunnitische Männer sollen den Umstand, dass sich shiitische Frauen nicht komplett verhüllen, als Anlass genommen haben, ihnen zu nahe zu treten und sie zu erniedrigen.
Wir fahren entlang der tadschikischen Grenze, schlafen in verschiedenen Ortschaften bei Familien, die uns stets herzlich empfangen. Unsere Erkundungen führen durch die vielen saftigen Felder, die wir nur zu oft von der tadschikischen Seite aus erblicken konnten. Ahmed hilft uns wie immer bei Gesprächen, die über ein paar begrüßende Worte hinausgehen. So lernen wir auch einen in die Jahre gekommenen Wakhi kennen. Inmitten der Weite seiner Felder trennt den afghanischen Mann nur der Fluss Panj von Tadschikistan. Dabei verdeutlichen die Berge sowohl auf der tadschikischen als auch auf der afghanischen Seite, dass dieses Tal verbindet und nicht trennt. Wie viel näher sich die Wakhis auf der afghanischen Seite den Pamiris fühlen im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen Afghanistans wird nach wenigen Worten klar. Als der alte Herr beginnt, davon zu sprechen, dass sie nur auf dem Papier Afghanen wären und dass nur der Pamir, der Panj und der Wakhan zählen, verlieren Landesgrenzen für einen Moment ihre Bedeutung. Er erzählt uns von den wenigen Wakhis, die einen Grenzübertritt über den Fluss wagen, um Freunde zu besuchen und dafür eine Inhaftierung in Tadschikistan riskieren. Zumindest waren solche Grenzübertritte noch vor wenigen Jahren vereinzelt der Fall.
Für uns geht es immer weiter in die Isolation und doch scheint gerade die das Paradies zu bedeuten. Das soll nicht als Verklärung der harten Lebensumstände missverstanden werden. Aber in Anbetracht dessen, dass der Wakhan eben in Afghanistan liegt und nicht in einem anderen Land, kann man bei der Abgeschiedenheit sogar von einem Glück sprechen. Die fehlende Anbindung an das restliche Afghanistan ist ein Grund dafür, dass hier bislang noch niemand die Taliban zu Gesicht bekommen hat.
Unser Weg führt uns bis an den Fuß des majestätischen Baba Tungis. Unmittelbar dahinter liegt schon Pakistan. Jedes Mal ist es eine Ehre eine der traditionellen Pamiri-Häuser betreten zu dürfen, deren Bauweise uns schon von Tadschikistan bekannt ist. Viele Frauen zeigen mir voller Stolz ihren zahlreichen Schmuck und die liebevoll angefertigten Stickereien auf ihrer traditionell gebliebenen Kleidung. Ein älteres Ehepaar, das uns gemeinsam mit dem großen Rest der Familie willkommen heißt, erwärmt unser Herz, indem die beiden offen vor Fremden wie uns ihre Zuneigung füreinander zeigen. Dieses unermüdliche Strahlen, die enge Umarmung und der von Liebe erfüllte Blick erzählen Geschichten einer langjährigen und glücklichen Partnerschaft. So vergehen Tage um Tage, die von einer wunderbaren Leichtigkeit getragen werden. Nur hin und wieder fällt das Wort auf die politische Situation Afghanistans. Dann ist davon die Rede, dass die Polizei nur zu oft gemeinsame Sache mit hereinfallenden Taliban-Truppen macht oder als erstes das sinkende Schiff verlässt. Unweigerlich müssen wir an die Grenzbeamten denken, die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Aber schnell verblassen diese Gespräche und wir lassen uns wieder von der Fröhlichkeit der vielen Kinder auf unserem Weg anstecken.
Die Tage vergehen wie im Flug. Wir müssen aufbrechen. Wieder zurück, raus aus Afghanistan und auf die andere Seite des Wakhans. Wehmut holt uns bereits bei der Abreise ein. Zu unglaublich war, was wir erleben durften. Auf einmal steht fest: Noch nie haben wir etwas Schöneres gesehen. Die Reflexion darüber, was uns auf unseren Reisen vorantreibt, zaubert ein Schmunzeln auf unsere Lippen. Scheint es doch paradox, die weite Welt zu suchen und doch die Isolation kleiner Landstriche zu meinen. Eben dort zu finden, was wir suchen, wo es nichts gibt außer reißenden Bächen, blühenden Wiesen und einem herzerwärmenden Lächeln – eben nichts außer dem, was es wirklich braucht. Die Reise war zu überwältigend, um nicht wieder zu kommen. Unsere Bekanntschaft mit Ahmed soll auch über unsere Reise hinweg bestehen bleiben. Wie so oft ist es Facebook, was uns dabei hilft. Wir verlassen den Wakhan und Afghanistan mit einem Gefühl der Zufriedenheit und Zuversicht. Scheint es doch einer der letzten Landstriche Afghanistans zu sein, der vor dem Leid, der in so vielen anderen Teilen des Landes herrscht, verschont bleibt.
Wien. Über ein halbes Jahr später. Ahmed ist seit den letzten Tagen viel aktiver auf Facebook als sonst. Uns ist nicht ganz klar warum, aber Beunruhigung macht sich breit. In der Nacht auf den 29. April ist die Gewissheit da. Zebak, wenige Kilometer von Ischkaschim entfernt, ist in der Hand der Taliban. Die Frühjahrsoffensive hat bereits begonnen und sie ist richtungsweisend. Die Meldungen auf unserer FB-Chronik überschlagen sich. Zwischen süßen Tiervideos, österreichischer Tagespolitik und netten Urlaubsfotos mischt sich die Angst der Leute aus Ischkaschim und Umgebung.
Unsere Reise holt uns ein. In Wien. In unseren sicheren vier Wänden. Es ist keine der vielen Zeitungsmeldungen jeden Tag. Dieses Mal haben wir einen direkten Bezug zu der Region und den Menschen, die dort leben. Unser Herz schlägt wie verrückt. Wir schreiben Ahmed. Ob es ihm gut gehe, ob er in Sicherheit wäre, fragen wir. Die Lage sei angespannt, meint er. „Is it dangerous for you?“, sehen wir uns tippen. Seine Antwort versetzt uns einen Stoß. Nichts könnte deutlicher sein als ein kommentarloses „Yes“. Alle Hoffnung ist auf einmal verflogen. Wir wollen uns nicht ausmalen, was geschieht, wenn die Taliban es wirklich schafft nach Ischkaschim vorzudringen. Wir hören Ahmeds Worte nachhallen, als er uns damals versicherte, dass Leute, die mit Ausländern zu tun hatten, immer als erstes die Schreckensherrschaft der Taliban zu spüren bekommen. Die Angst der Menschen vor Ort erreicht über Facebook auch uns. Plötzlich fürchten wir um Ahmed, seine Familie, den Wakhan – das Paradies, das wir kennenlernen durften. Die Facebookmeldungen reichen uns nicht, wir brauchen mehr Information. Bei unseren Recherchen stoßen wir auf den Taliban-Kanal, der in Dauerschleife die Einnahme Zebaks zeigt. Die Taliban-Propaganda erreicht unser Wohnzimmer, neben unserem Laptop noch die entwickelten Fotos liegend, die wir dieses Jahr den Wakhis mitbringen wollten. Die nächsten Tage erreichen uns erste Meldungen und Bilder von einer zerstörten Schule. Die Polizei hätte sich als erstes davon gemacht, heißt es. Die Taliban hätte bereits Dörfer des Bezirks Ischkaschim eingenommen, hören wir. Wir ziehen Karten heran, die die Taliban-Bewegungen verdeutlichen. Auf einmal fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Es geht um die Verbindung nach Pakistan. Zwischenzeitlich meldet Ahmed, das Militär wäre mit etlichen Hubschraubern nach Ischkaschim ausgeflogen und es würde nun alles gut werden. Doch die nächste Nacht bringt nicht den erwarteten Erfolg. Es tut sich nichts. Ahmed und seine Freunde überfällt abermals die Unruhe. Die zwischenzeitliche Hoffnung, sie ist schon wieder verflogen.
Afghanistan, das Land, das bislang übrigens als sicheres Herkunftsland gilt, verfällt zusehends. Die Erinnerungen an unsere vergangene Reise: Sie werden gegenwärtig. Dass auf einen Schlag alles in Gefahr sein soll, scheint uns unwirklich. Wir versuchen möglichst viele Informationen einzuholen und sind froh, wenn wir etwas von Ahmed hören. Die nächste Meldung verheißt nichts Gutes. Tadschikistan evakuiert NGOs entlang der afghanischen Grenze. Auf der tadschikischen Seite hört man die Kämpfe, heißt es. Vom erhofften kurzen Prozess mit der Taliban ist keine Rede mehr. Die Rückeroberung durch das Militär nicht sicher.
Dann doch. Die Meldung, dass das Militär erfolgreich gewesen wäre, lässt wieder aufatmen. Es ist die erste positive Nachricht seit langem. Ahmed zeigt sich wieder zuversichtlich. Es gibt keine Alternative zur Zuversicht. Wir fragen uns aber trotzdem. Wird die Taliban erstarkt wieder kommen? War der Rückschlag groß genug? Was wird der Sommer bringen?
Fällt erst Ischkaschim, ist auch der Wakhan nicht mehr sicher. Das Leben der Wakhis ist den Taliban ein Dorn im Auge. Frauen, die sich nicht in Burkas hüllen, sich frei in der Öffentlichkeit bewegen und Mädchen, die ganz selbstverständlich zur Schule gehen – all das ist undenkbar unter einer Schreckensherrschaft der Taliban.
Wir werden wieder nach Zentralasien fahren. Ob wir Afghanistan dieses Mal nur von Tadschikistan aus sehen werden? Ob uns nur ein paar lächerliche Meter von den Feldern des afghanischen Wakhans trennen werden, so wie die Wakhis eben nur diese Meter vom sicheren Tadschikistan trennen? Wir wissen es nicht. Noch nie hat uns eine Reise viele Monate danach zuhause so aus der Fassung gebracht wie diese. Noch nie gab es Anlass dafür sich wirklich Sorgen zu machen, um die Menschen, die wir kennengelernt haben. Noch nie war, in Wien sitzend, Afghanistan so nah.
Allerdings können wir uns entscheiden, ob wir hinfahren oder nicht. Abwägen, welche Risiken verschiedene Reisedestinationen mit sich bringen. Der Zufall in einem sicheren Land und in eine sichere Zeit geboren zu sein, ist ein nicht verdientes Privileg so vieler – uns eingeschlossen. Wir fühlen mit den Leuten. Unsere Herzen hüpft beim Gedanken, dass alles dahin sein könnte, was wir noch vor wenigen Monaten erleben durften. Aber schließlich wiegen wir uns in Sicherheit. Alles, was den Leuten vor Ort aber bleibt, ist zu hoffen und besser nicht zu fragen, was nächstes und übernächstes Jahr sein wird.
Anmerkung: Alle vorkommenden Namen wurden geändert.
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Gelungener Reisebericht und die Fotos sind einfach nur stark. Der Satz, das wir Menschen die Weite Welt suchen und eigentlich doch einen kleinen Landstrich meinen, find ist sehr getroffen. Letztes Jahr wollt ich auch in den Wakhan Korridor reisen, nachdem ich bei National Geografik einen Bericht darüber gelesen habe und es mich irgendwie gepackt hat, hatte ich nach etlichen Versuchen ein Visum erhalten, trotz afghanischer Wurzeln. Bei der Ankunft hat es dann leider nicht geklappt zum Wakhan Korridor zu reisen, weil die Taliban nach wie vor in dem Gebiet herrschen, dafür bin ich aber dann in Usbekistan um im Bamyan Gebiet gelandet und konnte genau solche herzerwärmenden Erfahrungen machen. Werd es nie vergessen und bin dankbar dafür.
Kompliment! Ein wirklich toller Reisebericht!
Vielen Dank! Freut uns
Vielen Dank! Freut uns!
Was für unglaubliche Einblicke!! Wie sicher wir uns hier fühlen können, wird einem auch erst bewusst, wenn man mal das Gegenteil gesehen hat. Die Menschen haben so andere Sorgen und Gedanken, dass einem unsere »Wehwehchen« unglaublich unbedeutend vorkommen„
Wie recht du hast! Es ist eine ganz andere Lebenswelt und Menschen wie du und ich, was hier immer viele vergessen. Nur dass diese Menschen sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert sehen als wir.
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