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Athen ist ein Eldorado für Street-Art-Fans. Ob Göttinnen oder Heldinnen des Alltags – bei einem Rundgang durch die Stadt springen dem Besucher immer wieder kunstvolle Darstellungen des schönen Geschlechts ins Auge.
Denkt man an die griechische Millionenkapitale, kommen einem unwillkürlich antike Tempel und Ruinen sowie makellos anmutende Statuen in den Sinn. Zum Pflichtprogramm eines jeden Athen-Besuchers, der auch noch ein Faible für die künstlerische Darstellung des schönen Geschlechts hat, gehören ohne Frage die Karyatiden des Erechtheion-Tempels auf der Akropolis. Die Rede ist von sechs Säulen in Form von weiblichen Figuren, deren Originale größtenteils im renommierten Akropolis-Museum Schutz vor Wind und Wetter finden. Nicht weniger sehenswert ist die über vier Meter große Marmorstatue der Göttin Athene, die am Panepistimiou-Boulevard direkt vor der Akademie, einem der nobelsten Bauwerke Griechenlands, in den dunkelblauen Himmel ragt.
Doch wer meint, die Athener Kunstszene im öffentlichen Raum beschränkt sich auf Motive des Altertums, der irrt sich kolossal. Einen ersten Vorgeschmack bekommt man schon, wenn man sich auf die gegenüberliegende Seite des hochfrequentierten Boulevards begibt. Dort prangt an der Seitenwand der Piräus-Bank ein großformatiges, bunt leuchtendes Streetart-Werk des Künstlers Atek aus dem Jahr 2022. Darauf zu erkennen ist eine Frau mit verschränkten Armen, mehr als ein Dutzend kleiner weiblicher Silhouetten balancieren in schwindelerregender Höhe über ihrem Kopf. Sie steht für die moderne Frau von heute, die tagtäglich damit konfrontiert wird, unzählige Rollen und Herausforderungen zu meistern. Auf gelungene Weise wird hier an prominenter Stelle ein prägnantes Zeichen gesetzt, um auf die Gleichberechtigung der Geschlechter aufmerksam zu machen.
Das Phänomen der urbanen Kunst nimmt seinen Anfang in den 1980er Jahren, als an die Waggons und Hauswände der Hauptstadt die ersten Graffitis gesprüht werden. 1998 findet nordwestlich der Akropolis das erste internationale Graffiti-Festival statt und vier Jahre später realisiert die Künstlergruppe „Carpe Diem“ in Kooperation mit griechischen und ausländischen Künstlern das Projekt „Chromopolis“. Die Kunst auf der Straße kommt allmählich in Fahrt, wird immer mehr von der Bevölkerung wahrgenommen und vor allem akzeptiert.
Auf die Euphorie der Olympischen Spiele folgen Jahre der Rezession, was zur Folge hat, dass die Wandmalereien zunehmend politisch und gesellschaftskritisch werden. Und das sind sie oft auch heute noch. Aktuelles Beispiel: Das Wandgemälde „Das letzte Abendmahl“ des Künstlers INO, inspiriert von da Vincis weltberühmtem Fresco. Die Apostel sind hier durch Politiker ersetzt. Sorglos entscheiden sie über die Geschicke des Landes, manche wirken desinteressiert oder teilnahmslos. Hilflose Hände ragen unter der langen Tafel hervor. Das in Grautönen gemalte Streetart-Werk findet man an der Piräus-Straße an einer meterlangen Mauer des alten Busdepots OSY.
Direkt gegenüber, inmitten des Ausgehviertels Gazi, liegt das Veranstaltungszentrum Technopolis. Der industrielle Charme des einstigen Gaswerks trifft auf eine verblüffende kulturelle Vielfalt. Neben einem Radiosender, dem Gasindustriemuseum und einem Gründerzentrum für Start-ups gibt es hier Räume und offene Flächen für Veranstaltungen aller Art: Jazzkonzerte, Theateraufführungen, Festivals, Kunsthandwerksmessen, Workshops, Comic-Ausstellungen und vieles mehr.
In puncto Kunst und Kultur ist man im nahe gelegenen Stadtteil Metaxourgio mit seinen zahlreichen Museen, Galerien und Theatern ebenso gut aufgehoben. So präsentiert die Städtische Pinakothek von Athen im einstigen Gebäude der Seidenfabrik, nach der das Viertel benannt wurde, Gemälde und Skulpturen bedeutender Künstler der griechischen Moderne.
Direkt am Anfang der Straße Megalou Alexandrou stößt man auf eines der wohl schönsten Wandgemälde von Athen. Darauf zu sehen ist eine anmutige junge Frau, die sich ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen, widmet. Ein Stapel Bücher liegt hinter ihr. Das riesengroße, charmant-nostalgische Wandbild mit dem Titel: „So viele Bücher, so wenig Zeit“ malte der Künstler SimpleG während des Festivals „Petit Paris d’ Athènes“ im Jahr 2019 und ist ein Muss für jeden Streetart-Fan.
Gleich um die Ecke an der Straße Agiou Konstantinou schmückt ein weiteres großflächiges Streetart-Highlight die Seitenfassade eines Betonbaus. Der aus Kreta stammende Künstler Leonidas Giannakopoulos ist ein Meister darin, retrofuturistische Welten zu erschaffen, die den Betrachter in ihren Bann ziehen. Bei diesem Kunstwerk, das 2021 ebenso im Rahmen des Petit-Paris-Festivals entstand, handelt es sich um die Darstellung einer aus dem Meer emportauchenden Aphrodite, die von einem Schiff gekrönt wird. Es soll eine Ode an das Meer und die Zivilisation sein, die durch die Göttin der Schönheit repräsentiert wird.
Die nüchternen Betonklötze der Stadt mit inspirierenden, farbenfrohen Streetart-Motiven zu versehen – das ist die Motivation der Künstlerin Melina Koan. Vis-à-vis dem geschäftigen Zentralmarkt im Herzen der Stadt erstreckt sich auf der Fassade eines mehrstöckigen Gebäudes ihr zauberhaftes Wandbild mit der Bezeichnung „Nachhaltigkeit“. Ein kleines Mädchen, umschwirrt von blauen Schmetterlingen, hockt auf dem Boden und schaut erwartungsvoll auf eine keimende Pflanze. Koan möchte mit ihrem Werk auf einen respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen aufmerksam machen, mit dem Ziel, dass auch künftige Generationen von einer lebenswerten Umwelt profitieren können.
Es sind folglich nicht allein die überwältigende Größe und die unbeschreibliche Eleganz der Streetart-Kunstwerke, die dem Spaziergänger imponieren, sondern ebenso die Botschaften, die sie vermitteln. Dabei geht es um Themen wie Gleichberechtigung für alle, Bildung als hohes Gut oder zukunftsorientierten Naturschutz – also Themen, die uns alle betreffen. Kunst soll ja faszinieren und überraschen, aber auch zum Nachdenken anregen und bestenfalls zum Handeln motivieren.
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