Barfuß im Regen

Ich traf sie in einem Hos­tel irgend­wo in Malay­sia.

Eine Ber­li­ne­rin, so wie ich. Wir teil­ten uns das Zim­mer. Kaum hat­te ich mei­nen Ruck­sack abge­stellt, dreh­te sie sich zu mir um, schob sich die Haa­re aus dem Gesicht und sag­te grin­send:

„Ey – bist du auch Deut­sche?“

Ich lach­te.

„Ja. Und du auch?“

„Kla­ro! Komm, wir gehen wan­dern.“

Und so mach­ten wir das. Spon­tan, ohne gro­ße Plä­ne. Ein­fach los.

Sie erzähl­te mir, dass sie Medi­zin stu­dier­te, aber gera­de ein Semes­ter aus­ge­setzt hat­te.

„Weil ich’s ein­fach muss­te“, sag­te sie. „Irgend­was in mir hat gesagt: Du musst das jetzt machen. Du stu­dierst eh noch ewig – also, why not?“

Wir ver­stan­den uns sofort. So eine Per­son, die du gera­de erst triffst – und trotz­dem fühlt es sich an, als wärt ihr euch schon seit Jah­ren ver­traut.

Am Abend schlen­der­ten wir gemein­sam über einen Nacht­markt.

Lich­ter­ket­ten flim­mer­ten über unse­ren Köp­fen, über­all roch es nach frit­tier­tem Teig, Räu­cher­stäb­chen und irgend­was mit Chi­li.

Sie zog ihre Air­Pods raus, gab mir einen, grins­te wie­der.

„Komm. Lass uns was hören.“

Und dann fing es an zu reg­nen.

Nicht so ein kur­zer Nie­sel­re­gen – son­dern rich­ti­ger, war­mer Tro­pen­re­gen. Der Him­mel öff­ne­te sich ein­fach, als hät­te er gewusst, dass wir genau das gebraucht haben.

Die meis­ten Leu­te rann­ten unter Vor­dä­cher, ver­steck­ten sich, fluch­ten.

Wir zogen uns statt­des­sen irgend­wel­che durch­sich­ti­gen Plas­tik­sä­cke über, lach­ten, hiel­ten uns an den Hän­den und tanz­ten mit­ten auf der Stra­ße.

Bar­fuß. Im Regen. Mit­ten in Malay­sia.

Wir san­gen laut mit, tanz­ten um uns selbst, durch die Pfüt­zen, durch Lachen, durch Musik.

Es war, als gäbe es kei­ne Ver­gan­gen­heit und kei­nen Plan für mor­gen. Nur die­sen Moment.

Ich weiß nicht mehr, wel­ches Lied es war. Aber ich weiß noch, wie sie mich ansah und sag­te:

„Scheiß drauf, was die Leu­te den­ken.“

Und wir taten’s. Wir scheiß­ten drauf.

Auf alles.

Wir waren zwei Frem­de, die sich zufäl­lig in einem Hos­tel getrof­fen hat­ten – und für die­sen einen Abend waren wir ein­fach… frei.

Unbe­schwert. Glück­lich. Genau rich­tig.

Der Heim­weg war eine Geschich­te für sich – vol­ler Motor­rä­der, Pan­nen, Umwe­ge. Aber das war egal.

Das, wor­an ich mich erin­nern wer­de, war die­ses Tan­zen.

Die­se abso­lu­te Selbst­ver­ges­sen­heit.

Die­ses Gefühl, dass man­che Begeg­nun­gen wie ein Lied sind: plötz­lich da, kurz, inten­siv – und für immer in dir.


Antwort

  1. Avatar von Petra Knoch
    Petra Knoch

    So schön
    Das ist Leben ist so gut zu dir. Das ist was du ver­dient hast.
    du bist ein tol­ler Mensch

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