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Wenn du Ende August an der Selbstcheckoutkassa eines riesen Supermarktes deine Handschuhe abstreifst, um anschließend für Knäckebrot, Avokadopussi (= finnisch für ein Sackerl Avocados) und ein Fahrradschloss einen relativ stolzen Preis zu bezahlen, dann weißt du, du bist in Finnland.
So ungefähr lief mein erster Ausflug in den Supermarkt Prisma ab und spiegelt den Eindruck, den der ein oder andere von Finnland haben könnte ganz gut wider: Ruhig. Kühl. Eine Sauna überall zu finden. Teuer. Ein Fahrrad durchaus hilfreich. Groß. So scheint das skandinavische Land vielleicht anfangs, doch wird einem hier natürlich so viel mehr geboten und dank meines viermonatigen Aufenthalt in Oulu, darf ich einen Blick hinter die Kulissen werfen und ein bisschen in das Abenteuer eintauchen.
In meinem Bekanntenkreis wurde mir anfangs immer wieder die Frage gestellt; Wieso eigentlich Finnland? Wieso willst du dein Auslandssemester dort absolvieren? Und das auch noch ausgerechnet über die Wintermonate, wo sich die Sonne bekanntlich nur wenige Stunden am Tag zeigt? Auf diese und ähnliche Fragen konnte ich nie so richtig eine Antwort finden – und zugegeben klingt ja auch die Einleitung dieses Textes fast abwertend. Doch der „hohe Norden“ hatte es mir halt irgendwie doch so ein bisschen angetan und mich neugierig gemacht.
In Vorbereitung auf meinen Auslandsaufenthalt habe ich mich durch einige Reiseführer, Blogs und Romane gelesen. Schon von Saunalandschaften – und Ritualen, den tiefen Wäldern sowie großen Seen nur zu lesen, war absolut erholsam. Skurrile Sportarten sowie Wettbewerbe, teils doch extreme Wetterbedingungen und die Sprache machen das ganze noch interessanter.
Doch wie ist denn jetzt Finnland „wirklich“? So genau weiß ich das zwar selbst noch nicht, aber die genannten Adjektive haben sich gewissermaßen bestätigt – jedoch meist positiver oder anders als man erwarten würde.
Ruhig: Die Ankunft in Oulu war nicht aufregend. Nicht aufregend in dem Sinne, dass man sich tatsächlich angekommen fühlt – am richtigen Ort– und die „Ruhe“ dieses Landes spüren kann, die von der Umgebung und dem Angebot förmlich ausgestrahlt wird. Breite Straßen und duzende Radwege ziehen sich durch die grüne und bewaldete Landschaft. Die öffentlichen und freizugänglichen Strandabschnitte der Seen Pyykösjärvi und des Kuivasjärvi vermitteln ein ultimatives Urlaubsgefühl, das durch eine Grillvorrichtung, die zum Lagerfeuer und BBQ einlädt, unterstrichen wird.
Doch ich bin mir sicher, ich werde bald auch vom Gegenteil überzeugt werden – von einem weniger ruhigen Finnland -, denn Karaoke Bars sind sehr beliebt und an jeder zweiten Ecke zu finden und richtige Action kann man im Winter beim Schneemobil fahren, Ice-Gocard oder Icehockey erleben.
Kühl: Sommer ist hier oben anscheinend ein sehr großzügig definierter Begriff. Ende August liegen die Temperaturen bei stabilen 9 bis 17 Grad. An einigen Tagen wärmt die Sonne die Luft etwas auf – doch gerade beim Radfahren schadet es nicht, immer Handschuhe und zumindest ein Stirnband eingesteckt zu haben, auch im „Sommer“. (In dem Fall Ende August/Anfang September: der erste Schnee überraschte uns tatsächlich am 14. September).
Doch dafür gibt es wirklich so gut wie überall eine Sauna. Was bei den meisten eher zur Wellnessausstattung zählt, ist hier in Finnland absoluter Standard. So gut wie jeder Haushalt verfügt über eine Sauna und selbst das Studentenwohnheim bietet eine Gemeinschaftssauna an. In einigen Regionen wird sogar täglich sauniert – und das wird auch nicht langweilig, denn die „Schwitzstuben“ haben nicht nur Rituale und Geschichten, sondern es gibt sie in unterschiedlichsten Formen. Ob als mobiler Autoanhänger, am Stadtrand von Helsinki mit Zugang zum Meer oder als Saunaboot am Ufer des Merikoski in Oulu, diese wird sogar mit einem Holzofen beheizt – da ist für jeden was dabei. Der Aufguss besteht hier eigentlich immer nur aus klarem Wasser, ohne Aromen oder ähnliches und jeder darf nach belieben zum Schöpfer greifen.
Teuer: Nicht nur in der Sauna kommt man ins Schwitzen. An hohe Rechnungen im Supermarkt oder im Restaurant und vor allem bei Alko oder in Bars/Clubs muss man sich gewöhnen. Zwar ist der unterschied zu den Preisen der mitteleuropäischen Länder nicht so extrem, jedoch durchaus zu spüren und das Thema Finnen und Alkohol ist sowieso ein eigenes Kapitel. Tipp für Studenten: die OSAKO-Card und damit verbundene Mitgliedschaft verschafft euch bei vielen Supermärkten, Lokalen oder Aktivitäten Rabatte.
Auch ein Fahrrad zu haben ist zumindest hier in Oulu eine große Hilfe. Über öffentliche Verkehrsmittel kann man sich hier zwar keinesfalls beschweren – verschiedene Busse bringen einen praktisch im Minutentakt von A nach B und für einen längeren Aufenthalt ist die Value Card (erhältlich bei Oulu10) sehr praktisch – doch manche Wege abseits der Autostraßen bieten viel schönere Umgebungen und Ausblicke, sind jedoch zu Fuß teils zu weit. Beispielsweise auf breiten Fahrradwegen durch den Wald zum See, durch den Botanischen Garten oder am Nallikaristrand entlang. Logische Schlussfolgerung: ein Fahrrad muss her. Und am besten auch gleich ein Fahrradschloss. Die Fahrradständer im Stadtzentrum Oulu werden meistens bis zu Gänze ausgenutzt. Fährt man dann als Exchangestudent mit dem doch eher klapprigen Rad ohne Gangschaltung, mit Rücktritt und verdrehtem Lenker aus dem Studentenwohnheim-Gemeinschaftsshelter (welches seinen Zweck aber trotzdem erfüllt) an schönen Citybikes oder Rennrädern vorbei, kann man schon neidisch werden. Vermehrt sieht man die sogenannten Fatbikes, welche auch im Winter genützt werden können.
Groß: Dass Finnland groß ist merkt man schnell. Vor allem junge Leute, die in den ersten freien Tagen nach der Anreise einen spontanen Kurztrip unternehmen wollen, kapieren schnell, dass die Hin- und Rückfahrt teils genauso lang dauern kann, wie der tatsächliche Kurzurlaub.
Den Reiseführer und Googlemaps schnell bei der Hand soll die Planung losgehen. Aber wohin? Das Land bietet so viele schöne Orte und die Entscheidung fällt schwer; verschiedene Nationalparks, Seenplatten, Fischerdörfer, kleine Städte im Süden, Lappland oder doch die Hauptstadt Helsinki? – Nach längerem Überlegen einigen wir uns auf Turku. Mit dem Auto soll es gute 625 Kilometer in die Studentenstadt gehen. Von dort aus auf die Insel Naantali, um dem Muuminland einen Besuch abzustatten und am Rückweg in einen Nationalpark bei Tampere. Die Route ist fixiert, die Mitreisenden motiviert und das Apartment so gut wie organisiert. Doch fast 24 Stunden vor der Abfahrt macht uns die Autovermietung einen Strich durch die Rechnung – kein Auto in ganz Oulu ist mehr verfügbar. Glück im Unglück sitzen wir kurz darauf im Nachtzug nach Helsinki. Wie gut, dass Finnland so viel zu bieten hat.
Finde persönlich Finnland echt schön, wenn man einen coolen Urlaub machen möchte.
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