Wandern auf dem Overland Track

Nun, ich muss dazu erwäh­nen, ich bin mit den Schwei­zer Alpen vor der Haus­tü­re auf­ge­wach­sen. Da schie­nen mir West­aus­tra­li­ens soge­nann­te »Mount« Bezeich­nun­gen hin und wie­der etwas kuri­os. Ist ein Berg auch ein Berg, bei dem selbst ein Roll­stuhl­fah­rer sel­ten Mühen hat, sich auf den »Gip­fel« zu bewe­gen? Aus­tra­li­ens eige­ne Inter­pre­ta­ti­on der Bar­rie­re­frei­heit. Wer weiss?

Um so über­rasch­ter war ich über Tas­ma­ni­ens Land­schaft. Hier scheint ein Berg noch ein Berg zu sein. Fast schon wie daheim. Nur nicht ganz so hoch (glück­li­cher­wei­se). Durch die­se ein­zig­ar­ti­ge und für Aus­tra­li­en eigent­lich unty­pi­sche Land­schaft, zieht sich einer der angeb­lich schöns­ten und viel­sei­tigs­ten Fern­wan­der­we­ge der Welt – der Over­land Track.
Ein Fern­wan­der­weg stand bei mir schon seit lan­gem auf der Wunsch­lis­te. Ich war mir sicher, dass es kei­ne geeig­ne­te­re Art und Wei­se gibt, um sei­nen Kopf frei zu bekom­men, als auf einer mehr­tä­gi­gen Wan­de­rung. Weg von all den tech­no­lo­gi­schen Bequem­lich­kei­ten. Back to the roots. Nur ich, mein Taschen­mes­ser und mein 20kg schwe­rer Ruck­sack – im Ange­sicht der Natur­ge­wal­ten. Ich soll­te recht behal­ten!

Ich errich­te veri­ta­ble Luft­schlös­ser in Sachen Aus­wan­dern, und Tas­ma­ni­en ist mein Haupt­quar­tier gewor­den.
Charles Dar­win

Der Over­land Track ist dabei die wohl tief­grün­digs­te Mög­lich­keit, die Wild­nis Tas­ma­ni­ens zu erkun­den. Aller­dings nur auf dem vor­ge­ge­be­nen Pfad. Eige­ne Erkun­dungs­tou­ren sind strikt ver­bo­ten. Der Tas­ma­ni­an Wild­life Ser­vice legt gröss­ten Wert dar­auf, dass die Natur nicht durch die Wan­de­rer zer­stört wird. Des­halb wer­den auch pro Tag nur maxi­mal knapp über 30 Wan­de­rer zum Start zuge­las­sen. Eine gute Sache. So ist der Track nie über­lau­fen und man hat stän­dig das Gefühl, die Wild­nis nur für sich zu haben. Der Schutz der Wild­nis geht dann sogar soweit, dass die Exkre­men­te aus den Toi­let­ten regel­mäs­sig mit Heli­ko­ptern aus dem Natur­ge­biet geflo­gen wer­den.
Rund 65 km schlän­gelt sich der Over­land Track vor­bei am Mount Ossa, durch Moor­land­schaf­ten, vor­bei an unzäh­li­gen Seen und durch dich­te Regen­wäl­der. Als wäre das noch nicht abwechs­lungs­reich genug, wech­selt das Wet­ter regel­mäs­sig sei­ne Stim­mung. Es ist wie einst der April in Deutsch­land. Das Wet­ter scheisst auf die Jah­res­zei­ten. Auf einen Schnee­sturm (ja, selbst das haben wir erlebt) folgt nicht sel­ten war­mer Son­nen­schein, dann Regen und anschlies­send nur noch Nebel­schwar­ten.
Das kann den voll­ge­pack­ten Wan­de­rer schon mal in den Wahn­sinn trei­ben. Rein in die dicken Kla­mot­ten, raus aus den Kla­mot­ten, wie­der rein und wie­der raus. So geht das Spiel die gan­ze Zeit. Aber man hat ja Zeit. Mehr als genug. Dar­um geht’s ja eigent­lich auch auf der Wan­de­rung durch die Natur, oder nicht?
 
 

Tag 1: Ronny Creek > Waterfall Valley (11km)

Dicke, graue Wol­ken hän­gen am Him­mel. Regen begrüsst uns gleich beim Start zum Over­land Track. Doch das macht uns über­haupt nichts – wir sind eupho­risch und was soll das biss­chen Nie­sel­re­gen uns schon anha­ben.
Aller Anfang ist bekannt­lich schwer. Beim Over­land Track ist das auch wört­lich zu neh­men, denn gleich zum Start steht die schlimms­te Stei­gung auf dem Pro­gramm. Die rund 20 Kilo auf dem Rücken und die paar Kilos zuviel auf mei­nen Hüf­ten machen sich bei jedem Schritt bemerk­bar. Dazu kommt, dass wir die letz­ten Wochen auf den Road­trip durch West­aus­tra­li­en und ent­lang der Gre­at-Oce­an-Road eigent­lich nur im Auto geses­sen sind. Mei­ne Kon­di­ti­on ist also so gut wie nicht vor­han­den.

Nach knapp einer Stun­de berg­auf errei­chen wir den Cra­ter Lake. Ein­ge­kes­selt in stei­len Fels­wän­den, die bis in tief hän­gen­de Wol­ken ragen, hat der See sei­nen Namen nicht umsonst erhal­ten. Mit jedem erreich­ten Höhen­me­ter wird der Regen zuneh­mend stär­ker und zu allem Übel zieht auch noch ein Sturm auf. Mur­phys Law!
Vom Cra­ter Lake bis zu Mari­ons Loo­kout steht uns noch die steils­te Stei­gung des gesam­ten Tracks bevor. Sie führt über einen unbe­wach­se­nen, fel­si­gen Grad, der ent­lang eines Klet­ter­steig bestie­gen wer­den muss. Durch den Sturm und das schwe­re Gepäck, fällt es uns schwer, uns an der Eisen­ket­te über die kar­gen Fel­sen hoch zu han­geln. Nach knapp 45 Minu­ten errei­chen wir das Ende der Stei­gung. Belohnt wer­den wir mit einem gran­dio­sem Pan­ora­ma-Blick vom Mari­on Loo­kout ins Tal und auf den Dove Lake. Wäre das Wet­ter nicht so fies gelaunt, es wäre ein per­fek­ter Ort zum Ver­wei­len.

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Der wei­te­re Weg führt uns über eine Hoch­ebe­ne, deren Land­schaft mich an die Tun­dra erin­nert. Graue kal­te Fels­bro­cken über­zie­hen die Gegend. Der Grund ist über­wach­sen mit beige far­bi­gem Moos und dazwi­schen ragen brau­ne und oliv­grü­ne Gras­bü­schel empor. Es wirkt so lebens­feind­lich, den­noch füh­le ich mich hier wohl.
Wir lau­fen vor­bei am Crad­le Moun­tain, des­sen stei­le Fels­spit­zen wie Zäh­ne eines über­di­men­sio­na­len Raub­tiers aus dem Boden ragen. Mitt­ler­wei­le ist es nicht mehr nur nass und stür­misch, son­dern auch zuneh­mend küh­ler. Die vor­han­de­ne Vege­ta­ti­on schützt uns kaum vor dem Sturm. Jeder Wind­stoss prescht uns die Regen­trop­fen wie Peit­schen­hie­be ins Gesicht.
Das Wet­ter spielt uns am ers­ten Tag unan­ge­nehm mit und an Pau­sen, um die sen­sa­tio­nel­le Land­schaft zu genies­sen, ist nicht zu den­ken. Des­halb beei­len wir uns, um schnellst­mög­lich die ers­te Schutz­hüt­te am Water­fall Val­ley zu errei­chen.

Als wir die ers­te Hüte errei­chen, sind uns bis dahin nur wenig Wan­de­rer begeg­net. Doch über­ra­schen­der Wei­se ist die­se voll gestopft mit Gleich­ge­sinn­ten. Knapp über zwan­zig Wan­de­rer haben in der gemüt­li­chen Hüt­te die Mög­lich­keit, einen Schlaf­platz im Tro­cke­nen zu fin­den. Da wir nicht die Ers­ten an der Hüt­te sind, ist die­se bereits schön gemüt­lich auf­ge­wärmt. Dafür müf­felt es etwas. Was wohl bei einer sol­chen Tour mit dazu gehört. Mir schies­sen sofort die Wor­te mei­ner ehe­ma­li­gen und unge­lieb­ten Eng­lisch­leh­re­rin in den Sinn »Erfro­ren sind schon vie­le, erstun­ken ist noch nie­mand.«

Nach­dem wir uns von den nas­sen Kla­mot­ten befrei­et haben, bau­en wir gleich unse­re trans­por­ta­ble Küche auf und ver­put­zen erst mal ein hal­bes Kilo Spa­get­ti. Gut so! Erleich­tert es den Ruck­sack doch ein wenig.
Es fällt unge­mein leicht, mit den Wan­ders­leu­ten ins Gespräch zu kom­men. Rund die Hälf­te der Weg­ge­fähr­ten wer­den Freun­de – zumin­dest für die nächs­ten vier Tage.

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Tag 2: Waterfall Valley > Pelion (25km)

In unse­rer Hüt­te über­nach­tet auch ein Ran­ger. Er pro­gnos­ti­ziert uns für die kom­men­den Tag nichts Gutes: Nicht nur Dau­er­re­gen, auch ein Schnee­sturm soll über den Over­land Track her­zie­hen.
Kurz dar­auf beginnt er eine Dis­kus­si­on mit ein paar euro­päi­schen Stu­den­ten aus Syd­ney, deren Aus­rüs­tung er für unge­eig­net hält. Kein Wun­der, wie ich fin­de, sie wan­dern in Turn­schu­hen, mit Som­mer­schlaf­sä­cken und ohne jeg­li­che Näs­se­schutz für ihre Wech­sel­klei­dung. Eine Geschich­te, die der Ran­ger vom Tod eines Wan­de­rers aus dem letz­ten Jahr, der eben­falls wegen schlech­ter Aus­rüs­tung das Zeit­li­che seg­ne­te, erzählt, soll sie vom wei­ter­lau­fen abhal­ten. Spä­ter erfah­ren wir, dass sie den Track tat­säch­lich nach der ers­ten Etap­pe abge­bro­chen haben.
Mit nur 8 km fällt die nächs­te und zwei­te Etap­pe ziem­lich knapp aus. Etap­pe drei hin­ge­gen wäre dafür mit 17 km, und damit eine der längs­ten Stre­cken auf dem Over­land Track, schon ein ganz ande­res Kali­ber. Wie es der Zufall so will, wur­de uns genau für die­se lan­ge Etap­pe der Schnee­sturm vor­her­ge­sagt. Wir machen uns des­halb gleich früh mor­gens auf, um even­tu­ell Etap­pe zwei und drei zu kom­bi­nie­ren.
Die mor­gend­li­che Wan­de­rung beginnt so, wie sie am Abend zuvor ende­te – mit Regen. Aller­dings nicht mehr ganz so stark wie am Tag zuvor. Hin und wie­der traut sich sogar die Son­ne zwi­schen den Wol­ken durch und wir genies­sen die Land­schaft, weit mehr als am Tag zuvor.

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Nach rund zwei­ein­halb Stun­den errei­chen wir bereits den Lake Wind­er­me­re. End­lich ver­zieht sich auch die­ser stän­di­ge Regen. Also ent­schei­den wir uns kur­zer­hand wei­ter­zu­lau­fen und auch noch die rest­li­chen 17 km zur Pel­ion Hut durch­zu­zie­hen.

Lei­der ver­folgt uns, weni­ge hun­dert Meter nach­dem wir die Pel­ion Hut hin­ter uns gelas­sen haben, auch schon wie­der Petrus Fluch. Je län­ger der Regen andau­ert, des­to mehr ist der Weg über­sät von schlam­mi­gen Pfüt­zen. Stän­dig müs­sen wir die­se umge­hen und durch das stro­hi­ge Gestrüpp wan­dern um uns nicht voll­kom­men nas­se Füs­se zu holen. Was wir zu dem Zeit­punkt noch nicht wis­sen: Es wird noch schlim­mer wer­den und nas­se Füs­se sind für uns unaus­weich­lich.

Wir lau­fen durch die Hoch­ebe­nen, von einem Moor zum nächs­ten, mal vor­bei an einem idyl­li­schen See, mal durch einen klei­nen Wald – stän­dig ver­än­dert sich die Sze­ne­rie. Immer wie­der eröff­net sich uns dabei ein Blick in die Wei­ten der tas­ma­ni­schen Wild­nis. Gänz­lich ohne mensch­li­chen Ein­fluss. Wäre da nicht der vor­ge­ge­be­ne Weg vor uns, ich wür­de mich in die­ser Ein­sam­keit fast ver­lo­ren füh­len. Es ist ein befrei­en­des Gefühl.

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Irgend­wann stellt sich ein Auto­ma­tis­mus ein. Wir lau­fen und lau­fen und lau­fen. Dann schwin­den unse­re Kräf­te. Es ist bereits Abend und die Däm­me­rung bricht lang­sam an. Womög­lich haben wir uns gleich am zwei­ten Tag zuviel zuge­mu­tet?

Nach jedem Auf­stieg, folgt ein Abstieg, dar­auf wie­der ein Auf­stieg und ein wei­te­rer Abstieg. Es ist zer­mür­bend. Bei jedem Schritt auf dem rut­schi­gen Unter­grund wird es für uns zuneh­mend müh­sa­mer die Balan­ce zu hal­ten. Unse­re Schul­tern schmer­zen fürch­ter­lich. Unse­re Bei­ne wer­den von Meter zu Meter schwe­rer. Die Stim­mung ist kurz davor zu kip­pen. Inzwi­schen ist auch der Regen wie­der stär­ker gewor­den und unse­re Klei­ner sind, trotz Regen­schutz, kom­plett durch­nässt. Wir machen nur weni­ge, kur­ze Pau­sen, da wir wegen der Näs­se ziem­lich schnell aus­küh­len.

Wie weit es noch bis zum Ziel die­ser Etap­pe ist, wir wis­sen es nicht. Die­se Unge­wiss­heit macht uns das Leben nicht ein­fa­cher. Der ver­fluch­te Regen gibt sein rest­li­ches dazu. Ein­zig ein Wom­bat, ein fet­tes über­di­men­sio­na­les Meer­schwein, das sich am Weges­rand den Wamst voll haut, lässt uns mal wie­der lächeln.

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Wir Lau­fen nicht mehr, son­dern stol­pern nur noch über den über­schwemm­ten Weg und quä­len uns vor­an. In der unebe­nen und fel­si­gen Umge­bung ist ein Zel­ten kaum mög­lich. Des­we­gen müs­sen wir an die­sem Abend noch zwin­gend die Schutz­hüt­te errei­chen – egal wie.
Kurz vor Ein­bruch der Dun­kel­heit ist es dann end­lich soweit. Voll­kom­men erschöpft, kom­men wir bei der New Pel­ion Hut an. Als Beloh­nung gibt’s an die­sem Abend eine dop­pel­te Por­ti­on Fer­tig-Pas­ta. Mir hat das Instant-Zeug noch nie zuvor so gut geschmeckt, wie an die­sem Abend.
 
 

Tag 3: Ruhetag

Der Ran­ger soll­te mit sei­ner Schnee-Pro­gno­se recht behal­ten. Am mor­gen des drit­ten Tages schau­en wir erstaunt aus dem Fens­ter. Die Land­schaft ist über­zo­gen von weis­sem, kal­ten, unge­müt­li­chen Schnee­matsch. Im schnee­be­deck­ten Gras hüp­fen eini­ge klei­ne Wal­la­bys umher. Als Beglei­tung dazu tan­zen ein paar Aus­tra­li­er, voll­kom­men erfreut über den Schnee. Offen­sicht­lich sehen sie die­sen nicht son­der­lich häu­fig. Es ist ein selt­sam bizar­res Bild. Mir wäre jetzt war­mer Son­nen­schein bei wei­tem lie­ber, als der immer noch anhal­ten­de Schnee­re­gen. Immer­hin blieb der Schnee­sturm aus, den­ke ich mir.

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Mus­keln von denen ich bis dahin nicht mal wuss­te, dass ich sie habe, schmer­zen mir bei jeder Bewe­gung. Es ist ein Mus­kel­ka­ter nicht von die­ser Welt. Tag drei bleibt des­halb ein Ruhe­tag für uns, den wir gemüt­lich in der Hüt­te ver­brin­gen. Zeit zum Wun­den lecken und neue Moti­va­ti­on tan­ken.
Eine Hand­voll derer Leu­te, die wir am ers­ten Abend ken­nen­ler­nen durf­ten, gesellt sich zu uns. Wir ver­brin­gen den Tag mit Kar­ten spie­len. Anschlies­send mit nichts tun. Und dann wie­der mit Kar­ten spie­len. Ach ja, ein paar Fer­tig-Pas­ta ver­put­zen wir auch mal zwi­schen­durch.

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Tag 4: Pelion Hut > Kia Ora (9 km)

Am nächs­ten mor­gen zie­hen wir bei Son­nen­schein los. Ein hel­les, war­mes Blau schim­mert durch die Wol­ken. Die gro­ben Steil­wän­de des Berg­mas­sivs vor der Pel­ion Hut wir­ken im ers­ten Son­nen­licht viel sanf­ter, als noch am Tag zuvor.
Auf mei­nen Schul­tern ist der Ruck­sack kaum noch spür­bar. Schein­bar hat mein Kör­per auf­ge­ge­ben dage­gen zu rebel­lie­ren und nimmt sein Schick­sal schwei­gend an.
Eini­ge Kilo­me­ter vor uns liegt der Mount Ossa, den wir heu­te bestei­gen wol­len. Durch die Son­nen­strah­len schmilzt der rest­li­che Schnee und ver­wan­delt den Over­land Track in einen rut­schi­gen kal­ten Schlamm­weg. Wir ver­su­chen über die Pfüt­zen zu hüp­fen. Uns Umwe­ge durch das Unter­holz zu suchen. Über gros­se Stei­ne in den Pfüt­zen zu balan­cie­ren. Jede Stei­gung und jeder Abhang wird zur Rutsch­par­tie. Es ist wie ein Hin­der­nis-Par­kur. Ein Boot Camp der ame­ri­ka­ni­schen Mari­nes könn­te es nicht bes­ser machen.
Wir füh­ren einen stän­di­gen Krieg gegen die Näs­se. Doch jeg­li­cher Wider­stand ist zweck­los. Nach nur weni­gen hun­dert Metern steht bereits das Was­ser in unse­ren Schu­hen und nun ist auch noch unse­re gesam­te Wech­sel­klei­dung durch­nässt.

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Wie­der ein­mal ändert das Wet­ter blitz­schnell sei­ne Lau­ne. Von einem Moment auf den ande­ren, beginnt der ver­meint­lich aus­ge­blie­be­ne Schnee­sturm um uns her­um zu wüten. Inner­halb weni­ger Minu­ten ist die gesam­te Land­schaft mit Schnee bedeckt. Wir kämp­fen uns gegen den Sturm über eine Ebe­ne hin­durch bis zum nächs­ten Wald. Dann dre­hen wir uns noch ein­mal um, um uns das Schnee­spek­ta­kel anzu­se­hen. Es sieht fas­zi­nie­rend aus. Aller­dings sind dadurch Pau­sen wie­der ein­mal nicht drin­nen, dafür ist es viel zu kalt. Selbst in Bewe­gung, begin­nen wir zu frie­ren.
Ich fra­ge mich, was zum Teu­fel ich mir mit dem Over­land Track gedacht habe? Was tun wir uns hier eigent­lich nur an?
Wegen des anhal­ten­den Schnee­sturms, las­sen wir den Abste­cher zum Mount Ossa, mit rund 1600 Metern dem höchs­ten Berg Tas­ma­ni­ens, aus­fal­len.

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Glück­li­cher­wei­se ist die Etap­pe an die­sem Tage nicht all­zu lang. Bereits am frü­hen Mit­tag errei­chen wir, kom­plett durch­nässt und ‑gefro­ren, die Kia Ora Hut. Ein heis­ser Kaf­fe und ein Stück Scho­ko­la­de ret­tet mei­ne die Stim­mung für den rest­li­chen Tag.

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Tag 5: Kia Ora > Windy Ridge (10 km)

Da die Hüt­ten nur sehr dürf­tig beheizt wer­den kön­nen, trock­net unse­re Klei­dung über Nacht nicht rich­tig. Tro­cke­ne Wech­sel­klei­dung haben wir ja nun auch kei­ne mehr. Müh­se­lig zwän­gen wir uns in die kal­ten, nas­sen Kla­mot­ten und machen uns auf zum vor­letz­ten Stre­cken­ab­schnitt. Bis zur Win­de Ridge Hut haben wir heu­te 10 km zu lau­fen.

Die kar­gen Tun­dra-Land­schaf­ten, wie sie stän­dig auf dem Hoch­land der ers­ten Etap­pen zu sehen waren, haben wir hin­ter uns gelas­sen. Dafür wird die Vege­ta­ti­on Dich­ter. Unser Weg führt nun ver­mehrt durch dich­te, dunk­le Regen­wäl­der. Moos­be­wach­se­ne Stei­ne und umge­stürz­te Bäu­me zie­ren den Weg ent­lang des Tracks. Es wirkt wie ein düs­te­rer ver­zau­ber­ter Mär­chen­wald aus einer Geschich­te der Gebrü­der Grimm – nur die böse Hexe fehlt.

An die­sem Tage bleibt es glück­li­cher­wei­se Tro­cken. Mei­ne Moti­va­ti­on ist den­noch im Kel­ler. Die nas­sen Klei­der las­sen mich selbst bei der kör­per­li­chen Anstren­gung frie­ren. Ich möch­te eigent­lich nur noch so schnell wie mög­lich unter eine heis­se Dusche und in ein war­mes beque­mes Bett. Ich bin der Mei­nung, dass wir bis zur Fähr­ten­sta­ti­on wei­ter­lau­fen soll­ten. Das hies­se noch­mals zwei Stre­cken­ab­schnit­te und damit wie­der 20km über Stock und Stein lau­fen. Ich bin dafür – Chris­sy dage­gen. Also ver­zich­ten wir auf den zwei­ten Mara­thon Marsch.

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Tag 6: Windy Ridge > Narcissus (9 km)

Das ers­te Mal auf unse­rer Wan­de­rung über den Over­land Track gibt es bereits mor­gens ange­neh­me 20°C. Das ers­te Mal im T‑Shirt lau­fen. Selbst ein Blick auf die Ber­ge ist uns an die­sem Tag nicht ver­gönnt. Yeah!

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Bei strah­len­dem Son­nen­schein lau­fen wir nun auch durch Euka­lyp­tus­wäl­der, die nur in den tie­fe­ren Regio­nen wach­sen. Die letz­te Stei­gung haben wir bereits am gest­ri­gen Tage hin­ter uns gelas­sen und fort­an geht es nur noch flach wei­ter. Kein Auf und Ab mehr. Ange­kom­men im Tal wan­delt sich auch der Over­land Track wie­der in einen nor­ma­len Weg. Nas­se Füs­se gibt’s zwar immer noch beim Durch­wa­ten von klei­ne­ren Bächen, dass macht uns zu die­sem Zeit­punkt und bei solch einem gran­dio­sen Wet­ter über­haupt nichts mehr aus. Es ist fast schon zu schön um wahr zu sein.

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Die letz­ten Kilo­me­ter fal­len uns unglaub­lich leicht. Bis wir das letz­te Moor des Over­land Tracks errei­chen. Direkt dahin­ter liegt auch schon die Nar­cis­sus Hut und damit der Lake St. Clai­re. Von hier aus legt regel­mäs­sig eine Fäh­re ab, die die Wan­de­rer bis zum Lake St. Clai­re Visi­tor Cen­ter schip­pert.

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Unse­re klei­ne Wan­der-Grup­pe der ers­ten Tage hat sich bis hier hin auf nur noch neun Leu­te redu­ziert. Eini­ge haben wir hin­ter uns gelas­sen, eini­ge sind bereits einen Tag zuvor am Ziel ange­kom­men. Ein letz­tes Mal essen wir zusam­men eine Por­ti­on Instant-Nudeln – dann tren­nen sich auch unse­re Wege.
Kurz bevor wir auf die Fäh­re stei­gen, sehe ich noch ein­mal weh­mü­tig in die Ber­ge zurück und las­se den Over­land Track hin­ter mir.

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Antworten

  1. Avatar von Michael

    Hell­öle! Anhand die­ses Arti­kels mer­ke ich ein­fach, dass es so vie­le Zie­le gibt, die ich lei­der noch nicht ein­mal auf mei­ner Lis­te hat­te! Die Bil­der sehen groß­ar­tig und das Fern­weh packt einen rich­tig !
    Dan­ke dafür!
    Lg Micha­el von http://www.explore366.com

  2. Avatar von Emma

    Hal­lo,
    nas­se Füße, Was­ser­trop­fen, die unter der Klei­dung am Rücken her­un­ter­lau­fen, nach­dem sie sich in den Haa­ren gefan­gen haben und den Wind im Gesicht, sind wun­der­ba­re Erleb­nis­se, wenn die nächs­te Unter­kunft in Sicht ist. Ich habe mei­ne Aus­rüs­tung nun end­lich Ange­passt und umge­he die­se ers­ten Erfah­run­gen, nur der Wan­der­ruck­sack fehlt noch. Der, den ich bis­her mit mir trug, war nur für ein Tages Tou­ren geeig­net und zeig­te bei einem Regen­schau­er Ermü­dungs­er­schei­nun­gen, was die Kame­ra zum Glück über­lebt hat, aber Trek­king durch Tas­ma­ni­en wür­de ich auch noch ein­mal gern machen, wenn der neue Wan­der­ruck­sack online gekauft wur­de und die Kame­ra tro­cken ist.
    Vie­len Dank für die schö­nen Ein­drü­cke.
    Lie­be Grü­ße

  3. Avatar von DieReiseEule

    Tas­ma­ni­en ist ein­fach wun­der­bar. Ich bin nur bis zum Mari­ons Loo­kout gelau­fen und die vie­len klei­nen Wege um den Cra­ter Lake, aber die Land­schaft ist ein­fach gigan­tisch.
    Ich war letz­tes Jahr im Dezem­ber dort und eine Woche zuvor muss es auch 10 cm Neu­schnee gege­ben haben. Als ich kam waren 4 Tage Son­nen­schein und 26°C – so ist Tas­sie halt 🙂

    Es grüßt
    DieRei­seEu­le

  4. Avatar von Christin Fechner via Facebook

    Ich möch­te euch mein Erleb­nis mitteilen:Ich war mal wie­der unterwegs,diesmal in der City.Weil ich ger­ne Stre­cken fahre,die ich noch nicht kenne,oder sel­ten fahre,dachte ich mir ein­fach den nächs­ten Bus zu nehmen,der mich vom Rat­haus abholt.Es war der ach­te Janu­ar 2012,also gera­de nach den hei­li­gen drei Köni­gen und alles war noch schön weih­nacht­lich geschmückt in der schöns­ten Stadt der Welt.Ich genie­ße es sehr,wenn ich sol­che Bum­mel­fahr­ten mache und ler­ne so auch das Ver­kehrs­netz gut kennen.Ich woll­te also ein­fach nur zu einem der nächs­ten Bahn­hö­fe gelangen,an dem ich Anschluss hät­te dem­nächst dann Rich­tung WG zu düsen.Ich kam aber nicht weit,denn schon bald hieß die Bus­sta­ti­on Michae­lis­kir­che und ich wur­de hellhörig,im wahrs­ten Sin­ne des Wortes.Ein älte­res Ehe­paar tuschel­te gera­de darüber,dass sie gleich raus müss­ten und dann geht ja auch schon gleich der Got­tes­dienst los und da war mir klar,ich muss hin­ter her.Ich frag­te mich,ob es nicht toll wäre,jetzt mal ganz spon­tan in die Kir­che zu gehen.Ich war schließ­lich erst ein ein­zi­ges Mal im Michel und das war ein paar Jah­re her.So trot­te­te ich den bei­den Tur­tel­täub­chen nach und lan­de­te schließ­lich im voll­ge­stopf­tem Michel.Ich frag­te mich,was hier wohl los sei,an einem ganz gewöhn­li­chem Tag und ob es irgend­was umsonst gebe.Ich frag­te auch eine Dame,die mir das Pro­gramm­blätt­chen in die Hand drück­te ganz neugierig,ob es einen wich­ti­gen Anlass zur Fei­er geben würde.Sie sag­te mir,es sei das Lich­ter­fest und dass zwei­tau­send Ker­zen bren­nen für das Christuskind.Ich war baff und drän­gel­te mich durch die Menschenmenge,vorbei an gefähr­lich par­ken­den Krückstöcken,um einen Platz zu bekommen.Es war natür­lich ver­ge­bens und alles war besetzt.Ich blieb also hin­ter einer Roll­stuhl­fah­re­rin ste­hen und wünsch­te mir in dem Moment auch so einen Rol­li unter mei­nem Hintern.Ich kam mir etwas lächer­lich vor,weil alles um mich her­um saß und nur ich da stand wie ein Depp.An den Rand stel­len woll­te ich mich aber auch nicht,denn die Sicht war hier ganz gut.Gespannt lausch­te ich der Ruhe und da war es dann.Ich hör­te eine Stimme,wusste aber sofort,dass es kei­ner war,der neben mir saß,sondern die­se Stim­me soll­te ich nur allei­ne hören in mei­nem Geist und außer­dem war in mei­ner Nähe kein Mensch anwesend,zudem die­se Stim­me gepasst hätte,das prüf­te ich sofort mit einem Blick.Ich war sofort sicher bei den Worten,dass es sich um das Chris­tus­kind selbst han­deln musste.Er begrüß­te mich mit den Worten:»Hallo mein Kind,schön dass du da bist!«
    Don­ner­wet­ter dach­te ich und blieb die nächs­ten zwei Stun­den wie ange­wur­zelt stehen.Angefühlt hat­te es sich wie ein gan­zer Tag und ich war froh,als ich end­lich draus­sen war.Ich brauch­te drin­gend fri­sche Luft.Das war wirk­lich ein Erlebnis,was mich wahn­sin­nig stolz macht.Mir war so,als wäre ich ein­ge­la­den gewe­sen zur Feier,als wäre ich genau dort­hin geführt worden.Absolut mega­ga­lak­tisch!
    Die­ser Tag hat mir viel bedeu­tet und ich gehe immer öfter in den Michel und füh­le mich so sehr glück­lich an die­sem Ort.Ich bin so fas­zi­niert von die­ser Schön­heit und dann auch noch die Aussicht,die man vom Turm hat.Ich ver­lieb­te mich in mei­ne eige­ne Heimatstadt.Das Erleb­nis bleibt für mich ewig unver­ges­sen und immer etwas ganz besonderes.Ich bin so dankbar,dass ich die­ses erfah­ren durf­te und das so völ­lig unerwartet.Obwohl ich schon immer gläu­big war,hatte ich hier und da eini­ge Zweifel,aber die sind nun vorbei.Ich weiß nun,dass es die­ses Chris­tus­kind wirk­lich gibt und ich wünsch­te manchmal,dass alle Men­schen genau das erleben,was mir passierte.Würde es die Welt nicht um eini­ges schö­ner machen? Ich den­ke schon,aber es kommt immer alles so wie es sein soll.Wenn ich mir überlege,dass Men­schen so vie­les tun,um Gott zu finden,dann kann ich nur sagen,es ist egal,ob man weit ent­fernt in frem­de Län­der reist,oder um die Ecke spa­zie­ren geht.Es kann über­all ein Wun­der geschehen.Es wäre schön,wenn die Men­schen sich klar dar­über werden,was die Geschich­te von Got­tes Sohn uns Men­schen eigent­lich sagen will.Ich finde,dass die Menschen,die angeb­lich so gläu­big sind,am wenigs­ten verstehen,was Gott wirk­lich ist.Bitte hört nicht auf zu helfen,denn die Leu­te brau­chen uns,egal wor­an sie glauben.Ich bin sicher Chris­tus ist stolz auf alle Hel­fer und viel­leicht wird er sich mehr Men­schen zei­gen in Zukunft!

  5. Avatar von Chris

    Sehr schön, dan­ke für die­sen Arti­kel! Ich lie­be Tas­ma­ni­en für des­sen Natur und muss unbe­dingt zurück­keh­ren. »Lei­der« habe ich die Insel »nur« per Fahr­rad umrun­det bis­her. Mit dem Wet­ter habt ihr Pech gehabt, es hört sich aber so an als wäre es trotz­dem eine gute Erfah­rung gewe­sen.

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