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Von Leipzig nach Alaska per Anhalter: Das Scheitern und New York (12)

Nach mei­ner Tra­in­hop­ping Zeit bin ich irgend­wann in Seat­tle gelan­det. Da hatte ich die USA schon von Süd nach Nord durch­quert und nach Alaska war es nicht mehr weit. Es war Ende Sep­tem­ber. Mein ursprüng­li­cher Plan für die Rei­se­route war nach Alaska zu tram­pen und von dort über die Bering­straße nach Ruß­land über­zu­set­zen. Ich hab ein paar rus­si­sche Freunde, die diese Route 1991 getrampt sind (aller­dings in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung) und einen ande­ren rus­si­schen Bekann­ten, der nach Ruß­land, über die Bering Straße, mit einem Flug­zeug getrampt ist. Mit Bering Air. Er hat 28 Tage auf das erste Flug­zeug gewar­tet, was rüber­ge­flo­gen ist.

Über den rus­si­schen Nord-Osten, die Region Chu­kotka, muss man nun wis­sen, dass dort nicht nur ein Visa benö­tigt wird, son­dern auch eine Son­der­ge­neh­mi­gung. Das soge­nannte Pro­pusk, aus­ge­stellt vom Gou­ver­neur der Region (der bis vor kur­zem übri­gens Roman Abra­mo­vitsch hieß, der Besit­zer von Chel­sea Lon­don). 1991 war das alles noch etwas loke­rer nach dem Zusam­men­bruch der UDSSR. Und mein ande­rer Russenfreund…naja, der ist Russe, den kön­nen sie ja nicht zurück in die USA schi­cken, wenn er irgend­wie in der Mili­tär­zone lan­det. Für mich hieß das aller­dings, dass ich diese Tour sorg­fäl­tig vor­be­rei­ten musste. In Bezug auf die Doku­mente. Von die­ser 3000 km lan­gen Eis­land­sa­chaft ohne Stra­ßen will ich gar nicht reden. Aber es gibt immer einen Weg da durch­zu­tram­pen. Traf­fic Exists, Hitch­hi­king Pos­si­ble. Und im Win­ter gibt es Ice-Roads. Des­we­gen wollte ich auch zu die­ser Jah­res­zeit da durch.

Diese Pas­sage war letzt­end­lich die Achil­les­ferse mei­ner gan­zen Welt­um­tram­pung und wie einige viel­leicht schon wis­sen, bin ich hier geschei­tert. Oder sagen wir, ich bin geschei­tert den Pazi­fik zu über­win­den. Auf dem Land­weg geht es wei­ter. Das Ganze hatte drei Gründe. Der aus­schlag­ge­bende Punkt war wohl, dass ich außer­halb von Deutsch­land kein rus­si­sches Visum bean­tra­gen kann. Genau das erfuhr ich, als ich Seat­tle ver­las­sen hatte. Klar, ich hätte mei­nen Pass mit Doku­men­ten­ser­vice nach Deutsch­land schi­cken kön­nen und noch­mal ein‑, zwei­hun­dert Euro Bear­bei­tungs­ge­bühr für das Visum drauf­ge­schla­gen und die­ses Pro­blem wäre gelöst. Aber ich war zu der Zeit schon 13 Mona­ten unter­wegs und weit mehr als 50 000 km Tramp­stre­cke lagen hin­ter mir. Müde und aus­ge­laugt war ich. Da wir­ken wei­tere Kom­pli­ka­tio­nen noch­mal anstren­gen­der, als sie sowieso schon sind. Der zweite Grund war Heimweh/Einsamkeit, was ich sowieso seit Monat Drei hatte. Damit musste ich Leben. Ich hab jedoch Fest­stel­len müs­sen, dass ich mit­ler­weile andere Sachen in mei­nem Leben möchte, als um die Welt zu tram­pen. Und ich sollte auf meine eige­nen Bedürf­nisse hören.

Der dritte Grund hing mit dem Chu­kotka Per­mit zusam­men. Es hat mich mehr als 6 Monate gebraucht, bis ich solide Infor­ma­tio­nen zu dem Per­mit bekom­men hatte. Alle meine Rus­sen­freunde konn­ten mir da nicht hel­fen. Ich hab lange recher­chiert und bin letzt­end­lich auf Karl Bushby, den ich vor­her schon­mal erwähnt hatte, und Dimi­tri Kief­fer gestos­sen. Die zwei sind 2006 über die Bering­straße gelaufen/geschwommen. Gibt dazu ne schöne Doku auf Natio­nal Geo­gra­phic. Da ich wusste, dass Karl gerade irgendwo durch die USA lief, um die Rus­sen dazu zu bewe­gen, noch ein­mal ein­rei­sen zu dür­fen, ver­suchte ich mit Dimi­tri Kon­takt aufzunehmen.

Es dau­erte etwas und wir schrie­ben ein paar Mails hin und her. Er war recht abwei­send zu Beginn und es brauchte ein paar klä­rende Worte, bis er end­lich mit Infos raus­rückte. Was er mir, neben allen mög­li­chen Infor­ma­tio­nen zur Chu­kotka Region, über­mit­telte, war ein Kon­takt zu einem soge­nann­ten „Fixer“. Weil man für das Per­mit eine Ein­la­dung von einem Ein­hei­mi­schen braucht und das nur mit Per­so­nen mit Son­der­ge­neh­mi­gung geht. Der letzte gute Kon­takt war wohl ein kana­di­scher Pilot, der dort wohnte, aller­dings irgend­wann mit sei­nem Flug­zeug abge­stürzt ist. Dimi­tri war sich nicht sicher über die­sen Kon­takt. Ich ver­han­delte mit dem Fixer über meh­rere Wochen und wir hat­ten keine rich­tige Ver­ein­ba­rung. Er sagte, er kann mir das Pro­pusk besor­gen, aber er müsste dann mein Guide sein, für die Zeit, wo ich in Chu­kotka bin. Für 150€/Tag. Das war natür­lich erst­mal schwie­rig, weil ich ja tram­pen wollte. Und wie sollte ich mit einem ande­ren Men­schen durch Chu­kotka tram­pen, wo sowieso keine Stra­ßen sind. Mit­ten im Win­ter. Ob der über­haupt das Kon­zept von Tram­pen ver­steht? Ich fragte, ob ich auch alleine die Region durch­que­ren kann und ihn statt­des­sen für das Pro­pusk bezahle. Er meinte, er erkun­digt sich.

Das war das Letzte, was ich von ihm gehört habe. Ich schrieb noch zwei wei­tere Mails, aber keine Reak­tion. Irgend­wie hätte ich das sicher hin­be­kom­men. Aber es wäre teuer gewor­den. Und meine Kraft war am Ende und meine Ent­schlos­sen­heit hatte auch gelit­ten. Diese Pas­sage war defi­ni­tiv der „make-a-difference“-Teil mei­ner Reise. Zumin­dest aus mei­ner Per­spek­tive. Den gan­zen ande­ren Kram, Atlan­tik­über­que­rung, durch Süd­ame­rika bal­lern, Darien-Gap Über­win­dung, Tra­in­hop­ping, ans Nor­dende von Alaska im Win­ter tram­pen… all das war die Pflicht. Die Bering­stra­ßen­über­tram­pung war die Kür mei­ner Reise. Die bin ich lei­der nie angetreten.

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Nach­dem ich in einen ziem­lich hef­ti­gen Auto­un­fall mit einem epi­lep­ti­schen Fah­rer gera­ten bin, hab ich meine Kno­chen erst­mal sor­tiert, mich gefreut noch am Leben zu sein und bin für drei Wochen in ein Medi­ta­ti­ons­zen­trum gefah­ren. Danach machte ich mich auf meine 4300 km lange Test­stre­cke. Win­ter­tram­pen von Cal­gary nach New York. Hat mich 3,5 Tage gekos­tet. Kanada ist ein­fach zu gut für Langstreckentrampen.

Es war mitt­ler­weile Anfang Dezem­ber. Ich war in New York ange­kom­men, wo ich für einen Monat bei einem ande­ren Tram­per woh­nen durfte. Die letzte Etappe nach Alaska wollte ich erst im neuen Jahr antre­ten. Und wenn man schon­mal in New York sein kann.…wieso nicht? New York ging ziem­lich steil. Ich glaube nach Bue­nos Aires hatte ich hier eine der wil­des­ten Zei­ten. Auch wenn alle in der Stadt völ­ligst zuge­kokst waren und man an jeder Ecke das Geld aus der Tasche gezo­gen bekommt. Fand es trotz­dem ziem­lich toll da. Aller­dings glaube ich, dass es nichts in New York gibt, was man nicht auch in Ber­lin haben könnte (abge­se­hen von den Wolkenkratzern).

Die Stadt ist ver­rückt. 24 Stun­den Metro ser­vice und den geils­ten Akzent in den Staa­ten. Jeder Mensch dort spricht, als würde er gerade einen Hip-Hop-Song auf­neh­men. There is music in the air! Ein paar Men­schen, die ich schon in der Kari­bik und Kolum­bien getrof­fen habe, waren zufäl­lig auch in New York und wir hat­ten eine freu­dige Wie­der­ver­ei­ni­gung. Ich musste mei­nen Kol­le­gen eines Mor­gens aus einer Bar krat­zen, weil er mit dem Bar­mäd­chen abge­stürzt ist und immer­noch (oder wie­der) dort fest­hing. Als ich ankam, hat er mir sein schö­nes neues Tat­too gezeigt, was die Bei­den sich nach dem mor­gend­li­chen „Auf­wach-Bier“ haben machen las­sen. Ganz spon­tan, sie hat bezahlt. („Oh nein, wie erklär ich das nur mei­ner Freun­din?“). Wir hat­ten auf jeden­fall ne Menge zu lachen an die­sem Tag.

Ich bin jede der gro­ßen Brü­cken in New York zu Fuß gelau­fen, was ich per­sön­lich sehr genos­sen habe. Wir lagen Nachts am Strand von Coney Island, bei ange­neh­men 15° im Dezem­ber und haben uns an dem post­apo­ka­lyp­ti­schen Charme des Ortes erfreut. Wir waren regel­mä­ßig beim wohl welt­weit bes­ten Ort zum Dumbs­ter-Diven (wenn man weg­ge­wor­fe­nes Essen aus Müll­ton­nen holt); einem Sushi Restau­rant mit­ten auf dem Time Square. Jeden Abend lan­dete abge­pack­tes Sushi auf der Straße. Essen für 500$. Bedient euch! Und gleich nebenan war eine Bäcke­rei. Die hatte auch gutes Zeug. Einen Monat frei dre­hen in New York.

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Ich bin am 31.12.2015 auf­ge­bro­chen. Hatte kei­nen Bock auf Syl­ves­ter in der Metro­pole. Das war mir zuviel. Außer­dem gab es dort einen beson­de­ren Men­schen, dem ich Good­bye sagen musste und Abschiede sind immer das Schlimmste auf einer solch lan­gen Reise. Das Ein­zige was dabei hilft, ist in Bewe­gung zu blei­ben. Die Straße heilt alle Wun­den schnel­ler. Und außer­dem lag die Königs­etappe vor mir. Also bin ich auf­ge­bro­chen, zu mei­ner bis­her längs­ten Tramp­tour. Ca. 8300 km nach Dead Horse, Nord­küste von Alaska…

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Leipzig-Alaska-Karte

Cate­go­riesUSA

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