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Strassensperre in Bolivien

„Fin­det hier eine Feier statt?“

Ich werde herz­lichst ausgelacht.

Wir wis­sen von der Stras­sen­sperre, aber als wir sie errei­chen, erken­nen wir sie erst gar nicht. Mehr als 100 Cam­pe­si­nos sit­zen fried­lich im Gras mit Blick auf den Titi­caca See.

Aus allen Dör­fern im Umkreis kom­men Land­be­woh­ner zusam­men um auf der blo­ckier­ten Strasse ihr Mit­tag­essen zu tei­len und aus­ge­las­sen zu plaudern.

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Stras­sen­sperre bei Copa­ca­bana, Boli­vien

Zu einem Boli­vien Besuch gehö­ren Stras­sen­sper­ren untrenn­bar dazu. Gibt es gerade keine Stras­sen­sperre im Land, muss man sich wun­dern, was los ist. In dem süd­ame­ri­ka­ni­schen Land ist das Blo­ckie­ren von Stras­sen poli­ti­sches Druck­mit­tel und fast eine Art Freizeitbeschäftigung.

Der Auto­mo­bil­ver­kehr ist dabei kom­plett lahm­ge­legt, oft­mals für meh­rere Wochen. Im Fall von Copa­ca­bana geht es um eine Brü­cke, die sich die Ein­hei­mi­schen wün­schen um den Weg in die Haupt­stadt La Paz von 140km auf 90km zu ver­kür­zen und die teu­ren Fäh­ren zu ersetzen.

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Freie Fahrt für Fahrräder

Wir sind mit dem Fahr­rad unter­wegs und die für andere Fahr­zeuge unüber­wind­ba­ren Hin­der­nisse sind für uns nur etwas läs­tig. „Eine gute Idee!“ ruft uns einer der Blo­ckie­rer zu, als wären wir wegen der Blo­ckade mit unse­ren Rädern gekommen.

Das Rad­fah­ren ist hier wirk­lich eine gute Idee. Die Blo­ckie­rer sind gut gelaunt und froh uns zu sehen. Kein Wun­der, all das Stra­ßen­blo­ckie­ren wird nach 9 Tagen sicher lang­wei­lig. Sie befra­gen uns neu­gie­rig über unse­ren Auf­ent­halt in Bolivien.

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Viel­zäh­lige Cam­pe­sino Camps am Strassenrand

Als uns die Blo­ckie­rer nach unse­rer poli­ti­schen Mei­nung zur Brü­cke fra­gen, wol­len wir uns lie­ber nicht fest­zu­le­gen. Wir wis­sen ehr­lich nicht, worum es geht und wol­len nie­man­den pro­vo­zie­ren. Wir brab­beln etwas von Umwelt­schutz und ver­ab­schie­den uns.

„Vor­sicht, es könn­ten Steine auf der Straße liegen!“
(Ein Blo­ckie­rer macht Spässe)

Die Geschichte wie­der­holt sich noch mehr­mals auf den 40km nach Copa­ca­bana. Fast jeden Kilo­me­ter ist die Strasse mit Stei­nen, Schutt, Ästen und Bäu­men blo­ckiert. Immer wie­der pas­sie­ren wir grö­ßere Camps von Cam­pe­si­nos, die sich über unse­ren Besuch freuen.

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Kein Ver­kehr und Seeblicke

Zum Fahr­rad­fah­ren ist die Situa­tion ein Got­tes­ge­schenk. Der Stra­ßen­ver­kehr in Boli­vien ist zahl­reich, laut und schmut­zig, aber heute gehört uns die Fahr­bahn ganz allein. So schön hat man es in Boli­vien sonst nur auf der soge­nann­ten gefähr­lichs­ten Strasse der Welt. Wir genie­ßen ein­same Aus­bli­cke auf den Titi­caca See.

Auch Copa­ca­bana, den tou­ris­tischs­ten Ort in Boli­vien müs­sen wir nur mit weni­gen Hip­pies tei­len. Die Ruhe ist wun­der­schön, aber gespens­tisch. In der Geis­ter­stadt haben viele Geschäfte zu und sogar das Geld in den Geld­au­to­ma­ten geht im Laufe der Woche aus. Auf der nahen Isla del Sol hat keine der unzäh­li­gen Piz­za­rien auf.

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Unser Hos­tel am Mor­gen der Poli­zei Attacke

Die Tou­ris­ten blei­ben wegen der Blo­ckade aus. Eine üble Situa­tion für die Copa­ca­be­nos. Das Oster­wo­chen­ende ist sonst das geschäf­tigste im Jahr, mit unzäh­li­gen Pil­gern aus La Paz. Die­ses Jahr fand wegen der Sperre kaum ein Pil­ger zur wich­tigs­ten Wall­fahrts­ka­the­drale Süd­ame­ri­kas und 2 Wochen spä­ter ist immer noch kein Ende in Sicht.

„Mor­gen, immer sagen sie morgen!“
(Eine Frau aus Copa­ca­bana ist enttäuscht)

Unter den Bewoh­nern von Copa­ca­bana kippt die Stim­mung jeden Tag ohne Lösung mehr. Sie haben unter der Will­kür von eini­gen weni­gen Blo­ckie­rern zu lei­den. Zusam­men mit den Insu­la­nern berei­ten sie einen Marsch auf die Bar­ri­ka­den vor. Doch bevor das pas­si­ern kann rückt end­lich ein Groß­auf­ge­bot der Poli­zei an. Auf ein­mal ist jedes Hotel­zim­mer belegt, wie zur Hoch­sai­son – mit Uniformierten.

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Die Poli­zei patroul­liert geräumte Strassen

Als wir uns nach einer ent­span­nen­den Woche am Titi­caca See auf den Rück­weg machen, sind die Stras­sen­sper­ren geräumt. Mit Trä­nen­gas und Pan­zer­fahr­zeu­gen haben die Poli­zis­ten die Stras­sen­schlacht entschieden.

Wir tei­len uns die Strasse mit Poli­zei­pa­troul­lien auf Motor­rä­dern und einem Repor­ter der Tages­zei­tung aus La Paz. Wir müs­sen für ihn auf freie Fahrt posie­ren müssen.

Wo vor­her hun­derte Cam­pe­si­nos im Gras saßen, essen jetzt hun­derte Poli­zis­ten zu Mit­tag. Sie freuen sich uns zu sehen. Viel hat sich nicht geändert…

Cate­go­riesBoli­vien
  1. Morten und Rochssare says:

    Stra­ßen­sper­ren in Süd­ame­rika sind schon etwas volks­tüm­li­ches. In Kolum­bien gehö­ren sie auch zum All­tag. Wir haben das heute erle­ben dür­fen. Auf der Stre­cke von Bogotá nach Medel­lín stan­den uns auf 443 Km 4 Blo­cka­den im Weg. Wir haben für die Stre­cke 31 Stun­den gebraucht, von denen wir 2 Stun­den im Fah­rer­haus eines LKWs geschla­fen haben. Zu guter Letzt muss­ten wir ins­ge­samt fast 30 Kilo­me­ter zwi­schen 2 Blo­cka­den zu Fuß zurück­le­gen. Doch alles hat ein Ende: Wir sind son­nen­ver­brannt und müde in Medel­lín angekommen.

    1. Florian says:

      Ja, kann schon ner­ven, vor allem wenn man andere Pläne hat. Aber ihr bei­den seid ja Eini­ges gewohnt!
      Eine schöne Zeit in Medellin!

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