Die Antigua Sailing Week

Azur­blau­es oder tür­kis­far­be­nes Was­ser, kaum Wind und Wel­len, braun gebrann­te Urlau­ber, die im seich­ten Was­ser düm­peln, auf einer der angeb­lich roman­tischs­ten Inseln der Welt mit so vie­len Strän­den, wie das Jahr Tage hat. Anti­gua. Doch das alles haben wir längst hin­ter uns gelas­sen, als es auf dem Kata­ma­ran der Mys­tic Crui­ses raus­geht auf den rau­en Atlan­tik. Hier ist Schluss mit lus­tig. Die Wel­len wer­fen das Boot in die Höhe und klat­schen es sogleich wie­der aufs Was­ser wie ein Hund einen Spiel­ball. Ich kann kaum mein Gleich­ge­wicht hal­ten, tor­ke­le mit mei­ner Kame­ra über das Deck, den Blick stets auf die ers­ten Ein­mas­ter gerich­tet, die vor uns den Oze­an in Stü­cke schnei­den. Denn ich bin ganz nah dran – an die­sem Ren­nen der 50. Anti­gua Sai­ling Week, der größ­ten Segel­re­gat­ta der Kari­bik.

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Cha­se the race

‚Das Ren­nen ver­fol­gen‘ nennt sich das Spek­ta­kel, und tat­säch­lich sind wir bald auf Augen­hö­he mit den Seg­lern, über denen ein Hub­schrau­ber kreist. Ein paar Segel tra­gen Natio­nal­be­flag­gung und blä­hen sich stolz vom Wind, dar­un­ter Cos­ta Rica. Wenig spä­ter erscheint ein Segel mit rotem Hin­ter­grund, davor ein umge­kehr­tes Drei­eck in Schwarz, Tür­kis und Weiß. Aus dem Tür­kis erhebt sich wie aus dem kla­ren Was­ser der Kari­bik eine gol­de­ne Son­ne, die sich vom schwar­zen Him­mel dar­über absetzt – die Flag­ge Anti­gu­as.

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Die Ein­hei­mi­schen an Bord des Kata­marans jauch­zen, als das Segel­schiff naht und sen­ken ent­täuscht ihre Han­dys und Kame­ras, als die Sport­ler sogleich das Segel ein­zie­hen. „Heu­te ist der 1. Mai und auch für uns ein Fei­er­tag – wir haben uns so gefreut, das Ren­nen heu­te zum ers­ten Mal vom Was­ser aus mit­ver­fol­gen zu kön­nen“, sagt mir eine jun­ge Anti­gua­ne­rin, die mit ihren Freun­din­nen gekom­men ist und sich bis jetzt genau wie ich auf dem Fisch­netz am Bug des Kata­marans gesonnt hat.

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Jetzt ist an Aus­ru­hen nicht mehr zu den­ken. Alle stel­len ihre Rum- oder Frucht­pun­sche zur Sei­te, sehen etwas bang nach vor­ne.

Die Gischt peitscht uns ins Gesicht, wäh­rend wir uns an der Reling fest­klam­mern und den Atem anhal­ten: Unser Kata­ma­ran schießt genau auf die Seg­ler zu. Was, wenn wir zusam­men­sto­ßen? Nur noch weni­ge Meter. Ich sehe die Män­ner in ihren T‑Shirts und Shorts auf dem Segel­boot, die has­tig von Back- nach Steu­er­bord oder umge­kehrt schlit­tern und sich etwas zuru­fen. Einer rutscht. Eine Zuschaue­rin auf dem Kata­ma­ran schreit, doch der Seg­ler fin­det in letz­ter Sekun­de Halt, lächelt sogar zu uns rüber. Das Boot wen­det ab, ich spü­re sei­nen Fahrt­wind, höre das Zischen des Was­sers. Glück gehabt.

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Ein run­der Geburts­tag

Alles begann 1968, als 17 Freun­de zusam­men­ka­men, um gemein­sam um die Wet­te zu segeln. 50 Jah­re spä­ter ste­hen kurz vor Beginn der fünf­tä­gi­gen Regat­ta über 150 Seg­ler aus 32 ver­schie­de­nen Län­dern auf der Anmel­de­lis­te. Aus Anti­gua selbst sei­en kaum wel­che dabei, so Ricky von der Tou­ris­mus­be­hör­de, die Ein­hei­mi­schen hät­ten außer der Fische­rei wenig mit Schif­fen und Segeln am Hut. Da zum 50. Regat­ta­ge­burts­tag unter dem Mot­to ‚Alte Tra­di­tio­nen, neue Wege‘ so vie­le Ver­an­stal­tun­gen wie noch nie ins Leben geru­fen wur­den, wer­den auch beson­ders vie­le Ein­hei­mi­sche als frei­wil­li­ge Hel­fer gebraucht. Eine davon ist J’ana, die auf dem Kata­ma­ran bei der Ver­pfle­gung der Gäs­te hilft. „Ich lie­be Schif­fe“, erzählt sie mir, als sich Ricky ent­fernt. „Mein Vater hat­te auch ein Boot und hat mich immer mit­ge­nom­men. Vor ein paar Jah­ren ist er gestor­ben, und jetzt hel­fe ich bei der Regat­ta aus, um mich ihm näher zu füh­len.“

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Doch nicht nur auf dem Was­ser kön­nen Zuschau­er die­ses Jahr live dabei sein, son­dern auch vom Land aus.

Ein High­light: Die Segel­boo­te auf 150 Metern vom Shir­ley Heights Loo­kout zu ver­fol­gen, einem restau­rier­ten Mili­tär­kom­plex an der Süd­spit­ze Anti­gu­as mit welt­be­rühm­tem 360 Grad Blick über Eng­lish Har­bour und die hal­be Insel. Noch leb­haf­ter als an nor­ma­len Sonn­ta­gen geht es am Regat­ta-Sonn­tag zu, denn hier tref­fen sich die Ein­hei­mi­schen beson­ders gern zum Wochen­end-Früh­stück und Gril­len mit nach­fol­gen­der Par­ty. An einem Buf­fet wer­den ein­hei­mi­sche Früh­stücks­spe­zia­li­tä­ten ser­viert, dar­un­ter gesal­ze­ner Fisch, meist Leng­fisch, in Stü­cke geschnit­ten und mit Zwie­beln und Papri­ka gar­niert. Dazu gibt es Chop-up, einen Gemü­se­mix aus ess­ba­rem Eibisch, Kür­bis, Auber­gi­nen und Spi­nat. Und Fun­gee, ein Polen­ta-arti­ges Gericht aus Mais­mehl. An ein­fa­chen Holz­bän­ken wird bei Live-Musik geschlemmt und geplau­dert, aus einer ande­ren Ecke kom­men­tiert ein Repor­ter das Ren­nen tief unten auf dem Oze­an. Wie genau die Spiel­re­geln sind, ver­ste­hen die wenigs­ten, doch die über die Wel­len flit­zen­den Seg­ler sind eine Augen­wei­de und ein guter Grund für Ein­hei­mi­sche und Tou­ris­ten glei­cher­ma­ßen, zusam­men­zu­kom­men und Spaß zu haben.

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Par­ty pur

Noch nie gab es zur Anti­gua Sai­ling Week so vie­le Par­tys und Ver­an­stal­tun­gen wie zum 50. Geburts­tag. Eine gan­ze Woche lang geht es schon ab dem Nach­mit­tag an ver­schie­de­nen Strän­den und über­all auf der Insel rund, wobei abends der Sie­ger des Tages­ren­nens gekürt wird. Dazu fließt der Rum in allen For­men und Kom­bi­na­tio­nen.

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Doch vor allem ein Fest wird von der gesam­ten Insel­be­völ­ke­rung und allen Besu­chern her­bei­ge­sehnt: Das Reg­gae in the Park am Regatt­a­di­ens­tag. Von den Boots­jun­gen und Bar­ten­dern auf dem Kata­ma­ran bis zu J’ana und allen aus­län­di­schen Besu­chern an Bord haben alle Tickets ergat­tert für das gro­ße Event im Nelson’s Dock­yard, einer his­to­ri­schen Hafen­an­la­ge im Süd­es Anti­gu­as und seit 2016 Teil des UNESCO Welt­kul­tur­er­bes.

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Es soll einen Ehren­gast geben: Dami­an Mar­ley, Bob Mar­leys jüngs­ten Sohn. Ab 21 Uhr geht es auf der gro­ßen Büh­ne unter frei­em Him­mel los, die Besu­cher ste­hen dicht gedrängt bei­ein­an­der, sehen mit leuch­ten­den Augen dem Auf­tritt Mar­leys ent­ge­gen. Doch der lässt auf sich war­ten. Eine Stun­de ver­geht mit einer Mischung aus Scher­zen eines wild umher­hüp­fen­den Mode­ra­tors und immer wie­der abge­würg­ten Hits aus der Ste­reo­an­la­ge, eine zwei­te mit Auf­füh­run­gen ver­schie­de­ner Sän­ge­rin­nen und Sän­ger. Aus Gar­kü­chen und Grills brut­zelt und dampft es, der Rum fließt und alle wie­gen die Hüf­ten zu den Reg­gae-Rhyth­men, ein Lächeln auf dem Gesicht. Auch nach der drit­ten Stun­de des War­tens. Irgend­wie nor­mal unter dem schei­nen­den Halb­mond, einem fast vol­len Ster­nen­him­mel und bei einer leich­ten Bri­se, die über Tau­sen­de von Köp­fen hin­weg­streicht.

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Um Punkt Mit­ter­nacht ist es soweit: Ein gut­ge­laun­ter Dami­an Mar­ley springt auf die Büh­ne und schwingt eine Flag­ge in den pan­afri­ka­ni­schen Far­ben Grün, Gelb und Rot. Die Men­ge jubelt, Han­dys und Plas­tik­be­cher vol­ler Rum schnel­len in die Höhen. Ganz Anti­gua fei­ert und ich bin dabei. Und das macht mich glück­lich.

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Die Rei­se wur­de unter­stützt und orga­ni­siert von der Anti­gua and Bar­bu­da Tou­rism Aut­ho­ri­ty mit Unter­brin­gung im Ver­an­dah Resort & Spa.


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