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Schreiben über das Reisen (2)

Dal­housie lag hin­ter uns. Die Eisen­bahn fuhr in atem­be­rau­bend lang­sa­mer Geschwin­dig­keit wei­ter nach Osten, auf der Fahrt durch die Zen­tral­pro­vinz von Hat­ton nach Badulla unter­hiel­ten wir uns meh­rere Stun­den mit einem sehr auf­ge­weck­ten Sin­gha­le­sen über Lite­ra­tur, Erich Hon­ecker und die ten­den­zi­ell „mafiös“ agie­rende Regie­rungs­fa­mi­lie Sri Lan­kas, den dubio­sen Rajapaksa-Clan.

Unser eigent­li­ches Ziel: die Ost­küste, das Meer, aber das würde heute auf kei­nen Fall mehr funktionieren.

Hin­ter der Scheibe des Zug­fens­ters zog ein feuch­ter, dunk­ler Abend her­auf, je stär­ker die Nacht den Tag ver­drängte, umso grel­ler blen­dete das Licht im Abteil, umso unge­sun­der sah unsere Gesichts­farbe aus, und pas­send zu die­ser gewis­sen arti­fi­zi­el­len Beklem­mung war das Hotel in Badulla dann auch ein anonym moder­ner und trotz­dem abge­ranz­ter Zweck­bau, also die denk­bar schlech­teste Kom­bi­na­tion, die man bekom­men konnte. Wha­te­ver, dach­ten wir uns, das mit viel Knob­lauch ange­machte Hähn­chen ent­schä­digte für vieles.

Immer nach Osten fuh­ren wir am nächs­ten Tag und wuss­ten: Irgend­wann ist da das Meer, Grenze, Ende.

Sri LankaSri Lanka

Kurz vor Aru­gam­bay, der nicht mehr ganz so gehei­men Sur­fe­r­en­klave an der Ost­küste, kam es zu dem letzt­lich alles ent­schei­den­den Moment, der das Rei­sen als sinn­volle Hand­lung über­haupt erst mög­lich macht: Das abso­lute Ent­fernt­sein von den Din­gen, quasi die totale ört­li­che Iso­la­tion des Indi­vi­du­ums in der Ferne wird nicht mehr als Ein­sam­keit emp­fun­den, son­dern als ein woh­li­ges Gefühl des Auf­ge­ho­ben-Seins in allem, was ist und noch kom­men wird. Man ist ganz bei sich, schaut zurück und dann nach vorne, und man muss lächeln: Das hatte ich an ande­ren Orten der Welt auf ande­ren Kon­ti­nen­ten schon so erlebt, und hier kam es plötz­lich zurück.

Die Sprach­lo­sig­keit war überwunden.

Ich wurde auf ein­mal rich­tig reiz­of­fen, ich war gespannt, was da jetzt kam, was nun alles ein­tre­ten müsste oder eben nicht, das wäre dann auch in Ord­nung gewe­sen. Ich war wie­der in einem Zustand des pro­duk­ti­ven Vor­tas­tens, der mich mit gro­ßer Freude erfüllte; man muss etwas schaf­fen aus den Erleb­nis­sen, als das wie­der mög­lich schien, erhielt die Reise einen Auf­trieb. Ich machte Notizen.

Man muss für jede Reise die rich­tige Spra­che fin­den, aber auch das rich­tige Maß an Distanz und Zoom: Wie nah geht man ran auf wel­ches Detail und für was? Was schwingt eher Grund­sätz­li­ches mit, das gesagt wer­den müsste? Man kann das nicht im Vor­aus pla­nen, man fin­det einen Ton.

Es ging in die­sem Fall nicht darum, die Beschaf­fen­heit der Umwelt mit mes­ser­schar­fer Genau­ig­keit aus­zu­mes­sen, es ging darum, Worte zu fin­den für den Zustand in einem und das zu ver­knüp­fen mit dem, was drau­ßen ablief.

Natür­lich geht es bei die­ser Art des Schrei­bens, im Gegen­satz zu jour­na­lis­ti­schen Tex­ten im enge­ren Sinne, nur um einen selbst, aber das macht auch völ­lig Sinn, am Ende bringt man ja auch nur einen Bruch­teil aller Wahr­neh­mun­gen wirk­lich als Text zum Aus­druck, denn es gibt noch vie­les andere, über das man bei die­ser Her­an­ge­hens­weise nur am Rande schreibt: Essen und Trin­ken, Gesprä­che mit ande­ren Men­schen, Sze­nen und Orte, zufäl­lige Bege­ben­hei­ten, Genuss und dumpfe Genügsamkeit.

Was lässt sich sagen über einen Ort wie Aru­gam­bay, ohne die ewig glei­chen Abzieh­bil­der zu zeich­nen von Wei­ßen-Enkla­ven in Ent­wick­lungs­län­dern, in denen die junge, ent­grenzte, post­mo­derne Gene­ra­tion des Wes­tens Ant­wor­ten sucht auf die drän­gende Frage nach dem Sinn all ihrer Beschäf­ti­gun­gen, denen sie zu Hause nachgehen?

Unheim­lich schwie­rig, wie­der hat man so Wer­tun­gen im Kopf, die ja im Prin­zip erst ein­mal unge­prüft bestehen und hin­ter­fragt wer­den müssen.

Man ist lei­der auch schnell in die­sem unan­ge­neh­men Kos­mos des Back­pa­ckens, das als Distink­ti­ons­ri­tus wirk­lich sowas von aus­dient hat. „Ich war vier Wochen mit dem Ruck­sack in xy unter­wegs“, das ist ein Satz, der höchs­tens noch den klein­geis­ti­gen Pro­vinz­be­kann­ten­kreis beein­dru­cken soll und von Men­schen auf­ge­sagt wird, die sich gerne als beson­ders indi­vi­du­ell und welt­ge­wandt darstellen.

Back­pack­ing is over – sofern es je zu einem ästhe­tisch-mora­li­schen Prin­zip getaugt hat, denn es heißt erst ein­mal über­haupt nichts. Es kommt wie bei den meis­ten Din­gen im Leben auf den genauen Blick an.

Arugam BayArugam BayArugam Bay

Als wir dann dort waren, im stil­len Sur­fer­pa­ra­dies Aru­gam Bay zur off-sea­son, da war dort die­ses Meer, da waren diese Pal­men, die Vögel, die Holz­hüt­ten, und es war so, wie man sich das vor­ge­stellt hatte, viel­leicht nicht ganz so süd­see­mä­ßig: Das Was­ser war trübe, man konnte nicht bis auf den Grund schauen.

Wir gin­gen in das ein­zige Resort, das geöff­net hatte, was den Vor­teil mit sich brachte, dass man gleich alle Men­schen traf, die es in der Stadt zu tref­fen gab, wir brach­ten unser Zeug in eine Hütte, dann gin­gen wir direkt zum Strand.

Da sitzt man dann in der Sonne, und wenn die Welle zurück­fließt, trägt sie einen – lang­sam und Stück für Stück – immer wei­ter ins Meer, man lässt das ein­fach pas­sie­ren, und der nasse Sand wird so schnell wie­der hell, als ord­ne­ten sich Kris­talle neu an.

Wir waren zum ers­ten Mal irgendwo wirk­lich ange­kom­men, das konnte man nun sagen.

Ich dachte an August Engel­hardt, weil das neue Kracht-Buch ja gerade drau­ßen war über den geflo­he­nen Deut­schen in sei­nem Kokos­nus­pa­ra­dies, das ver­geht, und man teilt kurz den wir­ren Gedan­ken, dass die Sonne und das Meer­was­ser alles sind, was es braucht zum Leben.

Vier Män­ner scho­ben ein bun­tes Boot in die Wel­len, die am Abend nicht mehr so kräf­tig waren, und fuh­ren raus zum Fischen, jetzt, wo die Sonne als oran­ge­ro­ter Kreis am Hori­zont unter­ging. Der Wind ging ganz leicht und war immer noch ganz warm, ein Hips­ter-Sur­fer ließ sich von einem der Strand­hunde das Gesicht lecken, anderswo balg­ten sich zwei Streu­ner, bis sie wie­der schläf­rig wur­den, über der Bran­dung sam­mel­ten sich Raben: schwarze Vögel vor wol­ken­lo­sem Him­mel, wie blaues Stracciatella-Eis.

Ich hatte das immer ver­lacht als naïve Uto­pie, die­ses Zusam­men­kom­men an einem Ort irgendwo in der Ferne, im Nir­gendwo, mit Stromern und Aus­stei­gern, kru­den Leute, die Geschich­ten erzäh­len kön­nen, alt, jung, mit­tel­alt, einer ent­zün­det abends das Licht auf der höl­zer­nen Veranda, Musik läuft, es wird erzählt, gelacht, getrun­ken, so weit weg vom nächs­ten Ort, an dem das so ähn­lich statt­fin­den könnte, und sich da ganz auf­ge­ho­ben vor­kom­men für eine kurze Zeit­spanne, bis es einen woan­ders hinzieht.

Der gefühlte Abstand war enorm, so hatte ich das noch nicht wahr­ge­nom­men bis­her, obwohl ich an Orten gewe­sen war, die exo­ti­scher und frem­der sind als Sri Lanka, wo die Ein­drü­cke uner­bitt­li­cher, roher und unver­wech­sel­ba­rer auf einen nie­der­ge­hen, was im Geist dazu führt, dass sich die Gedan­ken an diese Zeit aus­deh­nen, dass sich die Zeit selbst aus­dehnt und die Erin­ne­rung ver­dich­tet: gestauchte Wahrnehmung.

Da waren die Deut­schen, ziem­lich viele, natür­lich auch die bru­ta­len Ultra­hip­pies, die ver­träum­ten Surf­er­du­des, die erst kaum reden und dann ganz viel, die hier schon zwei, drei Monate waren oder an einem ande­ren Ort irgendwo im Süden oder im Nor­den der Insel, ganz egal; dann noch ein dau­er­brei­ter Fran­zose, der mit sei­ner Freun­din hoch nach Nepal wollte zu einem Sherpa, der alle Fin­ger ver­lo­ren hatte, von des­sen Exis­tenz man nur gehört hatte über die Freun­din eines Freun­des, nein, ein Rück­flug­ti­cket habe man nicht. Sowas gab es also wirk­lich, für mich war das neu.

Arugam BayArugam BayArugam Bay

In der Lodge war erst ein­mal jeder will­kom­men, die Men­schen ver­band der simple Umstand, dass sie zusam­men hier waren.

Der Gedanke: Im Ent­zie­hen liegt ein viel ver­nünf­ti­ge­rer Weg als in dem ewi­gen Hin­ter­her­lau­fen, dem Dran­blei­ben, dem Sich-immer-an-die-Spitze-stel­len, das ich aus Ber­lin so gut kannte; das Gefühl, immer einen Schritt wei­ter vorne sein zu müs­sen vor den ande­ren Leu­ten, und dar­aus die Legi­ti­ma­tion für die eigene Über­hö­hung zie­hen, die­ser fal­sche, weil kaputt machende Mecha­nis­mus, und hier: sich raus­neh­men, Zeit ver­ge­hen las­sen und an einer Stelle ver­har­ren, zur Ruhe kommen.

Ich hatte Hoff­nung, dass das klappt, man würde sehen, wie das zu Hause wäre.

Die Sur­fer jeden­falls wuss­ten intui­tiv, wie man es anstellt: Auf dem Was­ser trei­ben, die Wel­len kom­men las­sen, und wenn dann eine dabei ist, die passt, mitgehen.

Trun­kene Eupho­rie in der Nacht: Da war Mike, der Super­typ aus Kali­for­nien, der in Bang­kok als Leh­rer arbei­tete, da war Max, der grum­me­lige, aber doch nette Ber­li­ner Club­be­sit­zer, gewis­ser­ma­ßen die Pro­jek­tion des Zuhause in die Ferne und die logi­sche Auf­he­bung die­ses Gegen­sat­zes, da war Kuna, der Tamile, dem die Lodge­an­lage gehörte, und da waren mein Bru­der und ich, und wir lie­fen alle zusam­men in das unend­li­che nächt­li­che Schwarz des Indi­schen Oze­ans, der aus­sah, als würde er alles ver­schlu­cken, über uns hell leuch­tende Sterne, die nie­mand zäh­len konnte und das krasse Gefühl erzeug­ten, wirk­lich auf einer Kugel im Raum zu gra­vi­tie­ren, im Meer fluo­res­zierte grün schim­mern­des Plank­ton, Glüh­würm­chen unter Was­ser, die Luft war warm, die Wel­len war­fen uns um, und danach fie­len wir in einen tie­fen Tro­pen­schlaf. Am Strand schlug die Bran­dung hef­tig auf, das konnte man deut­lich hören.

Wer wusste schon, wie lange so etwas in Aru­gam noch mög­lich war?

Die Ost­küste und der Nor­den waren nach dem Ende des Bür­ger­kriegs zwi­schen der sin­gha­le­si­schen Regie­rung und den tami­li­schen Sepa­ra­tis­ten zwar befrie­det, doch schon bald, so mein­ten man­che, könnte es wie­der los­ge­hen. Ein­schuss­nar­ben waren noch immer auf den Häu­sern zu sehen, oben in Trin­co­ma­lee, das jeden­falls berich­te­ten die Surfer.

So sehr das bewusste Ankom­men spür­bar gewe­sen war, so deut­lich war es nach drei Näch­ten Zeit für einen Aufbruch.

Mir wurde klar: Das Ziel war mög­li­cher­weise, die Gedan­ken zum Schwei­gen zu brin­gen, und das war nach der Fahrt vom Wes­ten in den Osten der Insel soweit gelun­gen. Das schrei­be­ri­sche Dilemma: Alles noch ein­mal in einer Geschichte auf­ko­chen? Funk­tio­niert das oder macht es alles wie­der kaputt?

Das ließ sich noch nicht sagen.

Aru­gam wuchs mit der Ent­fer­nung, im Kon­trast zu dem, was folgte: Pau­schal­tou­ris­ten an den Strän­den der Süd­küste, und in Mirissa, da wurde es ganz klar, warum es nicht ging, warum es aus Sicht des Rei­sen­den, der sich selbst beim Wort nimmt, nicht mehr funk­tio­nierte an man­chen Orten zu sein: unver­hält­nis­mä­ßig teure Preise, unfreund­li­che Kell­ner, die geset­tel­ten aber eben doch noch akti­ven Fami­lien, die sich auf den Lie­gen aus­streck­ten und, ja im Ernst, ein­fach sonnten.

In den Büchern, die sie lasen, wenn die Lan­ge­weile uner­träg­lich wurde, lag alles Unaus­ge­spro­chene aus Jah­ren, das unter der tro­pi­schen Sonne nur noch mehr zum Vor­schein kam und in der Folge nur noch ent­schie­de­ner ver­drängt wer­den musste.

Mirissa

Es wurde so über­deut­lich an die­sem klei­nen, abge­grenz­ten, schreck­lich insze­nier­ten Strand­ab­schnitt: Ein Para­dies macht nichts per­fekt, sug­ge­riert das aber, etwas, das nicht geht. Was war so unerträglich? 

Die Men­schen hier rede­ten wenig und lach­ten noch sel­te­ner, das ist immer ein schlech­tes Zei­chen. In Aru­gam war jeder auf den ande­ren zuge­kom­men, man begrüßte sich und erzählte seine Geschichte, diese Hand­lungs­weise hin­ter­fragte kei­ner, nie­mand emp­fand das als auf­dring­lich, jeder machte da mit, ganz ein­fach war das.

In Mirissa war es anders, die Men­schen waren sozu­sa­gen in der Gemein­schaft iso­liert. „Es geht hier um Sehen und Gese­hen-Wer­den“, sagte mein Bru­der und er hatte natür­lich Recht, nur das Sehen und Gese­hen-Wer­den war erst ein­mal der Gegen­satz zum Miteinander-Sprechen.

Es gab hier keine Idee, nicht ein­mal die Idee von einer Idee von irgend­et­was, nur Sonne, Pal­men, Meer: yeah. Man erhoffte sich das ganz nor­male Leben, nur viel bes­ser, so funk­tio­nierte das nicht.

Es war im Prin­zip nötig gewe­sen, noch ein­mal den Beweis zu haben, dass eine bestimmte Art des Rei­sens nur noch ein­ge­schränkt mög­lich war, dass ein Ort allein durch seine Ent­fer­nung zur Hei­mat noch über­haupt nichts trans­por­tierte, dass bestimmte Teile der Welt ein­fach ver­lo­ren waren.

MirissaMirissaMirissa

Man ist schnell bei der Frage, wie und aus wel­chen Moti­ven man über­haupt noch rei­sen kann.

Ein abschre­cken­des Bei­spiel sind ja immer die Men­schen, die nichts ver­ste­hen, weil sie nicht hin­schauen und auch nicht nach­den­ken, die quasi einen blin­den Fleck der Wahr­neh­mung haben auf die Welt und auf die Men­schen und auf die Frage, wie es viel­leicht mög­lich wäre, damit sei­nen Frie­den zu machen, die dann auch nicht rei­sen, son­dern höchs­tens nach Ibiza flie­gen oder an die tür­ki­sche Mit­tel­meer­küste oder für einen die­ser pseudo-mon­dä­nen Kurz­trips nach New York, den ja jetzt alle machen: bitte ein schö­nes Appar­te­ment, dumm her­um­lau­fen und Sachen angu­cken, die im Rei­se­füh­rer ste­hen, Haupt­sa­che Shop­ping, so diese Richtung.

Häu­fi­ger, aber schwe­rer Irr­tum über sol­che Men­schen: Sie sind glück­lich, weil sie nicht reflek­tie­ren. Stimmt nicht, meis­tens nicht, das Gegen­teil zu oft gesehen.

Dann gibt es die Leute, die genau hin­schauen und Ansich­ten, Mei­nun­gen und vor allem die ästhe­ti­schen Posi­tio­nen, aus denen man alles und jeden beur­tei­len kann, genau unter­schei­den kön­nen, aber sie fin­den am Ende fünf Gründe für und gegen jede Per­spek­tive, was dazu führt, dass eine bestimmte Art, die Dinge zu tun, nur vor­über­ge­hend als Geste funk­tio­niert und sozu­sa­gen nicht imma­nent im Han­deln ist, weil man sich eben nicht ver­nünf­tig Gedan­ken gemacht hat, son­dern weil es ein­fach en vogue ist, das so zu tun oder so zu sehen.

Der Back­pa­cker in Thai­land, der Sauf­ur­lau­ber auf Mal­lorca, der sophisti­ca­ted tra­vel­ler in Stock­holm: alles durch­schau­bar, alles unmög­lich, höchs­tens als Adap­tion. Das Rei­sen gelingt aber erst dann, wenn der Wert der Erfah­rung den Wert der Pose überwiegt.

Uns blieb nach zwei Näch­ten in Mirissa nichts ande­res übrig, als uns von der Küste abzu­wen­den und mit einem Bus über schmale Stra­ßen nach Nor­den zurück in die Berge zu fah­ren, zum ulti­ma­ti­ven Gegen­part jener Kulisse, die ein­zig für die Tou­ris­ten auf­recht erhal­ten wurde, fol­ge­rich­tig also dort­hin, wo die Umge­bung maxi­mal men­schen­feind­lich war: in den Regenwald.

Deniyaya

In Deni­yaya sahen die Häu­ser durch den fort­wäh­ren­den Regen so schim­mel­grün aus, als wür­den sie noch vor dem nächs­ten Mon­sun zer­fal­len. Hier oben war die Luft wie­der küh­ler, feuch­ter, der Platz­re­gen weichte den Boden auf, als wir auf der über­dach­ten Ter­rasse unse­rer Her­berge hin­aus in den trü­ben Nach­mit­tag blickten.

Unser Gast­ge­ber, Bandula Rath­nay­aka, war gleich­zei­tig der Mann, der uns am kom­men­den Tag in den Sin­ha­jara Rain Forest mit­neh­men sollte: ein aus­ge­spro­chen kun­di­ger und sym­pa­thi­scher Mann.

Im Natio­nal­park pro­bier­ten wir die son­der­bars­ten Früchte und Sträu­cher, Bandula konnte das medi­zi­ni­sche Poten­zial nahezu jeder Pflanze mühe­los benen­nen, wir sahen Eidech­sen und Schlan­gen und ent­fern­ten regel­mä­ßig alle Blut­egel, die sich – ein­mal auf dem Schuh fest­ge­klebt – bestän­dig ihren Weg zur nächs­ten freien Haut­stelle such­ten. Sir­ren und Pie­pen durch­zog den wil­den, mehr als tau­send Jahre alten Wald, es wurde schnell klar, dass man die­ser Natur als im anthro­po­lo­gi­schen Sinne kul­ti­vier­ter Mensch heil­los unter­le­gen war.

Wir bade­ten im natür­li­chen Bas­sin eines Gin-Ganga-Zulaufs, man konnte vor einem Fels­sturz unter einem brau­sen­den Was­ser­fall schwim­men, wäh­rend man­nig­fal­tig gezeich­nete Fal­ter durch das Son­nen­licht flo­gen. Am Nach­mit­tag kam das Gewitter.

Wir saßen bei einem Freund von Bandula auf Plas­tik­stüh­len vor dem Haus und kau­ten Areca-Nüsse und Betel­blät­ter, bis unsere Spu­cke ganz rot war, die Trop­fen ris­sen den tro­cke­nen Boden auf wie Maschi­nen­ge­wehr­sal­ven, und der Regen­schleier zog über die fünf Vege­ta­ti­ons­stu­fen des immer­grü­nen Wal­des hin­weg, bis irgend­wann die Wol­ken auf­ris­sen und das Son­nen­licht sich in den Was­ser­tröpf­chen des auf­stei­gen­den Damp­fes brach.

Sinharaja Rain ForestSinharaja Rain ForestSinharaja Rain ForestSinharaja Rain ForestSinharaja Rain Forest

Man will gern die­sen Abschluss einer kohä­ren­ten Erzäh­lung haben, aber nach dem Regen­wald schrieb ich nichts mehr auf; was man aus die­ser Reise zie­hen konnte, alles Essen­zi­elle, war pas­siert, die Geschichte zu ihrem Ende gekom­men. Ich schlug, wenn man man so will, das Buch zu.

Wir fuh­ren dann noch run­ter nach Galle und wie­der die Küste hin­auf, hin­gen noch zwei Tage in Hik­ka­duwa ab, da hatte es mir nach Mirissa eigent­lich vor gegraut, aber es war dann irgend­wie alles total ange­nehm. Wir erfreu­ten uns am frisch gefan­ge­nen Fisch auf dem Tel­ler, an dem Sand unter den Füßen, am Salz­was­ser in den Haa­ren, an der Sonne auf der Haut, an sol­chen Din­gen eben.

Man­che Rei­sen macht man, um zu genie­ßen, und andere macht man, um wie­der genie­ßen zu kön­nen, und manch­mal fällt bei­des zusammen.

Cate­go­riesSri Lanka

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