Pauschaltourismus vs. Individualreise

Wir haben uns genug auf über 1000 Meter Mee­res­spie­gel auf­ge­hal­ten. Jetzt heißt es wie­der run­ter ins war­me Tal, bis wir am öst­li­chen Ende der Insel Java von unse­rem Fah­rer am Pier aus­ge­setzt wer­den. Eine Bul­len­hit­ze schlägt uns am spä­ten Vor­mit­tag ent­ge­gen, als wir warm beklei­det von unse­rer letz­ten Wan­de­rung zum Ijen aus dem Van stei­gen. Nach eini­gen Tagen Hoch­land haben wir ganz ver­ges­sen, wie sich Wär­me anfühlt. So viel kurz zur Anpas­sungs­fä­hig­keit des Men­schen.

Wir lassen Java hinter uns

Wir zie­hen gut gelaunt am Schal­ter Tickets für die Über­fahrt und sind guter Hoff­nung, denn hey, wir fah­ren jetzt nach BALI! BALI – die Flit­ter­wo­chen­in­sel schlecht hin.

Und da kommst du ins Spiel, lie­ber Flit­ter­wo­chen-Pau­schal-Tou­rist.
Von all dem, was wir im fol­gen­den Text berich­ten, bekommst du (lei­der) nichts mit.

Wäh­rend du sicher, sau­ber und kom­for­ta­bel mit dem Luxus-Flie­ger auf der Göt­ter­in­sel lan­dest, dre­hen wir uns noch in der ros­ti­gen Fäh­re mit­ten im Meer im Kreis (war­um auch immer?), las­sen das läs­ti­ge Geze­ter aus der Karao­ke­an­la­ge über uns erge­hen und hof­fen, dass wir nicht unter­ge­hen.

Balinesische Fähre

Am Flug­ha­fen war­tet auf dich dann bereits das Hotel­per­so­nal in bali­ne­si­scher Tracht mit einem Orchi­deen­kranz, den sie dir um den Hals legen und einem ver­zier­ten Schild mit dei­nem Namen dar­auf. Sie neh­men dir dei­ne Kof­fer ab und füh­ren dich zum kli­ma­ti­sier­ten Mini­van mit der Auf­schrift dei­nes Hotels.

Wäh­rend du also mit einem über­schwäng­li­chen Lächeln in Emp­fang genom­men wirst, legt unser Frach­ter mit einem hef­ti­gen Ruck am Pier an und lädt sei­ne Ware ab. Aber auch wir wer­den lächelnd emp­fan­gen, ja, fast sogar lachend! Doch die­ses Lachen ist anders. Es wirkt auf­dring­lich, durch­schau­end. Sie lächeln uns nicht ins Gesicht – Nein, sie lachen direkt in unse­re Unter­leib­stäsch­chen ( auch Bauch­ta­sche genannt) hin­ein. Als wür­den sie ver­su­chen das Geld aus dem Täsch­chen raus zu lächeln. Krampf­haft hal­ten wir es fest und wim­meln die Betrü­ger am Pier auf der Suche nach dem Bus­bahn­hof ab.

Wir verlassen die Fähre

Ja, die Betrü­ger, die blei­ben dir zum Glück erspart. Und in dem Punkt benei­den wir dich sogar ein wenig. Denn als wir den rich­ti­gen Bus fin­den, ver­langt der bar­fü­ßi­ge Typ in löch­ri­ger Schlab­ber­ho­se und dre­cki­gem Shirt das Geld für das Bus­ti­cket von uns. Er lügt und wider­spricht sich gewal­tig. Ein Ticket gibt es auf Bali nicht und den sal­zi­gen Preis zah­len angeb­lich alle, sowohl Local, als auch Tou­ris­ten – Ja nee, ist klar!

Du über­weist von zu Hau­se aus via Online­ban­king gemüt­lich und sicher die Sum­me X für den Jah­res­ur­laub, wäh­rend wir für jede ein­zel­ne Dienst­leis­tung dis­ku­tie­ren, han­deln und anschlie­ßend bar auf die Hand zah­len.

Du ver­traust dei­nem Abhol­ser­vice und im sel­ben Moment miss­trau­en wir dem Schlab­ber­ty­pen und stei­gen selbst­be­wusst nach einer lau­ten Dis­kus­si­on in den Bus. „Kei­nen dre­cki­gen, abge­nutz­ten Geld­schein wird er von uns sehen, denn wir zah­len nur bei dem ech­ten Bus­be­glei­ter!“, so sagen wir uns. Doch weit gefehlt! Sie sind nicht nur nett die Bali­ne­sen, sie sind auch schlau wie Füch­se! Wäh­rend der Bus sich lang­sam in Bewe­gung setzt, schickt der Schlab­ber­typ sei­nen Kom­pli­zen in den Bus, wel­cher sich als der »ech­te« Bus­be­glei­ter aus­gibt und wel­chem wir auch das Geld für das Ticket in die Hand drü­cken – viel zu viel, und er sah so ver­trau­ens­wür­dig aus! Mit dem Geld in der Hand springt er wie­der her­aus zu sei­nem Kum­pel Schlab­ber und der ech­te Bus­be­glei­ter steigt in den Bus – Voll drauf rein­ge­fal­len!

Und dabei gut verarsch worden

Naja, immer­hin sind wir in die­sem Punkt gleich – der Preis für dei­nen und unse­ren »Abhol­ser­vice« wird wohl der sel­be sein!

Wei­ter geht es für dich kom­for­ta­bel im kli­ma­ti­sier­ten Mini­van mit ver­dun­kel­ten Schei­ben und genü­gend Bein­frei­heit Rich­tung Luxus-Resort. Du und dei­ne Liebs­te könnt die Fin­ge nicht von­ein­an­der las­sen – Alles ist so schön, wie im Traum! Und die vie­len Äff­chen am Stra­ßen­rand erst – sooo put­zig!

Wir hin­ge­gen sit­zen genervt und durch­ge­schwitzt bis auf die Unter­ho­se mit den Knien bis auf Anschlag im Gesicht (eine ande­re Sitz-Posi­ti­on war Dank ein­ge­schränk­te Bein­frei­heit nicht mög­lich) im völ­lig über­füll­ten Bus, natür­lich ohne Kli­ma-Anla­ge! Die Stim­mung zwi­schen uns bei­den ist abso­lut über­reizt! Artis trau­ert dem Geld hin­ter­her, Rena­te hat Hun­ger, muss Pipi und schwitzt. Bei­de wol­len sich aus kli­ma­tech­ni­schen Grün­den nicht zu nahe kom­men. Ach ja und die Affen am Stra­ßen­rand – die ernäh­ren sich von dem Müll, der von den Bali­ne­sen zum Fens­ter hin­aus geschmis­sen wird! ARGH!

Und wieder im Bus

Inner­halb von 20 Minu­ten erreichst du dein Luxus-Bun­ga­low, checkst ein und kannst mit dem Will­kom­mens-Drink in der Hand, erst mal den Kul­tur­schock im Spa-Bereich aus­ku­rie­ren, wäh­rend wir uns für die nächs­ten 7 Stun­den noch hei­mat­los im Bus durch den Stau arbei­ten, 20 Meter für 20 Meter.

Stau auf Bali

Und wäh­rend du nach der Mas­sa­ge im flau­schi­gen Bade­man­tel gehüllt, ein Glas Wein auf der Pri­vat-Ter­ras­se direkt am Strand genießt, fragst du dich für einen kur­zen Moment: War­um, war­um tut ihr euch das an – ihr Indi­vi­du­al­tou­ris­ten?

Berech­tig­te Fra­ge! Denn was du nicht mit­be­kom­men hast, ist, dass die Ver­käu­fe­rin am Bus­bahn­hof die Dis­kus­si­on still­schwei­gend mit­er­lebt hat. Und bevor wir los fuh­ren und bei ihr eine Fla­sche Was­ser kauf­ten, drück­te sie uns eine Fla­sche Oran­gen­saft zusätz­lich in die Hand. Sie woll­te kein Geld – nur ein Lächeln.

Was du auch nicht mit­be­kom­men hast: Wäh­rend wir völ­lig über­mü­det und ver­schwitzt die letz­ten Minu­ten im Bus aus­ge­ses­sen haben, setz­te sich eine alte Frau neben Rena­te und strich ihr zärt­lich über das wei­ße Haar. Sie drück­te ihr einen Apfel in die Hand und lächel­te ein­fach nur.

Dass wir in unse­rem Gäs­te­haus sehr freund­lich emp­fan­gen wur­den und als Teil der Fami­lie gese­hen wur­den, damit hast du wohl auch nicht gerech­net.

Und für die­se Momen­te tun wir uns das an!

Obwohl das mit dem Emp­fangs­ko­mi­tee und der Orchi­deen­ket­te – das hat auch Charme!

Die Schönheit Balis

 

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Antworten

  1. Avatar von Stefan

    Sehr tref­fend beschrie­ben.
    Schon oft habe ich mich gefragt, ob es nicht doch bes­ser gewe­sen wäre, das Flug­zeug, den Shut­tle oder das teu­re­re Hotel zu neh­men.
    Doch immer wie­der wird man für die­se Art des Rei­sens mit ganz beson­de­ren Momen­ten belohnt.
    Aber klar: Es ist auch mal schön, sich zurück­zu­leh­nen und ande­re machen zu las­sen. 🙂

    1. Avatar von Renate & Artis

      Dan­ke Stafan! Du hast es super zusam­men gefasst! 🙂

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